Elektronische Marktplätze/Aus Website-Besuchern Stammkunden machen

Mit E-Performance-Management dem Unternehmenswert auf die Sprünge helfen

01.12.2000
McKinsey hat für das Management ein Instrument zur Bewertung von E-Commerce-Aktivitäten entwickelt: die E-Performance-Scorecard. Wer sie als Steuerungsinstrument konsequent nutze, soll seinen Unternehmenswert nachhaltig steigern können, so die Unternehmensberater Christian Näther* und Joachim Gripp*

Im Business-to-Customer-Online-Geschäft (B-to-C) ist der Horizont im vergangenen Jahr erheblich klarer geworden. Die Zeit war geprägt von stark zunehmenden Umsätzen bei erheblichen Friktionen: zunächst eklatante Performance-Mängel im Weihnachtsgeschäft 1999, dann im Gefolge der spektakulären Pleite von Boo.com zahlreiche schmerzhafte Marktbereinigungen.

Als Zwischenergebnis zeigt sich jetzt ein deutliches Bild lukrativer Online-Märkte und unternehmerischer Erfolgsbedingungen. Der einschneidendste Wandel dabei: Die Fokussierung auf nachhaltige Wertsteigerung als Unternehmensziel hat sich auch im Internet durchgesetzt. Der Traum vom leicht verdienten Geld im Online-Konsumgütergeschäft ist gründlich ausgeträumt.

Es geht jetzt um die Aufteilung der entstehenden Märkte. Bezüglich der Attraktivität von Branchen ist zunächst der Online-Anteil am Gesamtumsatz wichtig. Für die USA erwartet Forrester Research für 2004 die Softwarebranche mit 50 Prozent klar an der Spitze, gefolgt von Computerhardware (40 Prozent), Musik (25 Prozent), Büchern (16 Prozent), Videos (15 Prozent), Veranstaltungstickets (14 Prozent) und Reisen (12 Prozent). Insgesamt wird erwartet, dass das Online-Retailing 2004 etwa sieben Prozent des Einzelhandelsumsatzes umfassen wird. Für Deutschland zeichnen sich mit geringem Zeitverzug ähnliche Tendenzen ab.

Neben dem Volumen der Märkte ist für unternehmenswertorientiertes B-to-C-Management darüber hinaus die Frage der wirtschaftlichen Gestaltbarkeit von Kundenbeziehungen im Online-Geschäft entscheidend. Diese strategische Dimension wurde durch eine groß angelegte Untersuchung von Salomon Smith Barney und McKinsey & Co. vorangebracht: Die für das Reifestadium zu erwartenden Deckungsbeiträge pro Bestellung wurden durch Annahmen zu Bestellfrequenz und Dauer der Kundenbeziehung mit dem unternehmerisch entscheidenden Wert des Customer Lifetime Value in Beziehung gesetzt. Für die USA ergibt sich im Online-Lebensmittelhandel aufgrund hoher Bestellfrequenz bei moderatem Deckungsbeitrag pro Bestellung der höchste Kundenwert. Bekleidungsversender, Bekleidungskaufhäuser und spezialisierte, vertikal integrierte Bekleidungsanbieter hingegen können Wert durch hohe Deckungsbeiträge pro Bestellung generieren. Reine Online-Bekleidungshändler lassen ebenso wenig Unternehmenswert erwarten wie die ebenfalls untersuchten Bekleidungsdiscounter, Drogerien, Buchhändler und Apotheken.

Aus den wirtschaftlichen Kennzahlen leiten sich erfolgskritische Break-even-Schwellen ab: Am schnellsten können Textilversender ihr Online-Geschäft profitabel gestalten (ab 73 Millionen Dollar), gefolgt von vertikal integrierten Spezialbekleidern (86 Millionen Dollar). In beiden Geschäftsmodellen ist angesichts der für 2003 erwarteten Gesamtumsätze von 7,8 Milliarden Dollar ausreichend Platz für mehrere Spieler. Anders stellt sich die Situation in Kategorien dar, die online erst bei größerem Volumen profitabel werden, wie beispielsweise Bücher (ab 1,16 Millionen Dollar) oder gar Drogerieartikel (1,2 Millionen Dollar). Diese Kategorien werden mit ihren prognostizierten Gesamtvolumina von 4,9 Milliarden beziehungsweise 2,5 Milliarden Dollar nur wenigen Anbietern Raum geben. Dort hat der Kampf um die Plätze längst begonnen.

Unterschiedliche LeistungsniveausZusätzlich zu den marktgegebenen Unterschieden ist die Kluft zwischen guten und schlechten Internet-Einzelhändlern bereits enorm. Schon Ende 1999 erwirtschafteten die Besten (das obere Viertel) eine operative Gewinnmarge von 13 Prozent vom Umsatz gegenüber negativen 111 Prozent der Schlechtesten (das untere Viertel). Die besten 25 Prozent der Online-Retailer vereinigten 87 Prozent aller Transaktionen mit 90 Prozent der Umsätze auf sich und erwirtschafteten damit übermächtige 95 Prozent der Bruttoerträge der Branche.

Dafür gibt es zwei Erklärungen. Erstens: strukturelle Vorteile von "Bricks and Clicks"-Modellen (Online-Ableger von etablierten Offline-Händlern) gegenüber reinen Internet-Geschäften. Zweitens: operative Exzellenz der führenden Online-Händler.

Die führenden so genannten "Bricks and Clicks"-Retailer haben sich unter Nutzung ihrer Stärken im Hinblick auf Marke, Einkauf, Sortimentierung und Abwicklung von Bestellvorgängen sowie Reklamationen bereits eine führende Stellung im Internet-Handel erarbeitet. Aufgrund der Stabilität ihrer Geschäftsmodelle und wegen ihrer in der Regel überlegenen Kundenkenntnis besitzen sie beste Aussichten, mit ihren Online-Angeboten die reinen Internet-Startups nachhaltig in den Schatten zu stellen. Dies schlägt sich sowohl in einer um den Faktor fünf höheren Besucherbasis (eine Million gegenüber 210000) als auch in einer fast doppelt so hohen Kundengewinnungsrate nieder (3,5 versus 2,0 Prozent).

Untersucht man unterschiedlichste Online-Anbieter auf ihre aktuelle Profitabilität und die Treiber für die weitere Geschäftsentwicklung, zeigt sich das Rezept der Erfolgreichen in der operativen Überlegenheit entlang sämtlicher relevanter Stellhebel: Sowohl bei der Umsatzgenerierung über Maximierung und Ausschöpfung der Kunden als auch bei den Kosten für die Gewinnung und Pflege von Kunden sowie bei der Dauer der Kundenbeziehung ist der Vorsprung des besten Quartals unübersehbar. Auf Basis dieser operativen Überlegenheit werden die besten Player ihren Vorsprung weiter ausbauen und die Online-Kategorien dominieren. Das Management der operativen Exzellenz wird zum entscheidenden Faktor im Internet-Geschäft.

Um dieser Herausforderung zu begegnen, wurde die E-Performance-Scorecard entwickelt. Aufbauend auf einem empirisch getesteten Modell des Unternehmenswerts im Online-Geschäft liefert die Scorecard dem Top-Management die Kennzahlen seiner Web-Aktivitäten gemeinsam mit relevanten, das heißt handlungsleitenden Benchmarks. Der Zusammenhang von Internet-technischen Performance-Größen und -Treibern des Unternehmenswerts wird dabei deutlich; der Vergleich mit einschlägigen Leistungsdaten von Unternehmen mit ähnlichen Geschäftsmodellen führt schnell zur Fokussierung auf die vordringlichen Handlungsfelder.

Bei der Bewertung des E-Business sind generell drei Stellhebel zu betrachten: die Vermarktungsleistung, die Angebotseffizienz und - bei Multichannel-Unternehmen - etwaige kanalübergreifende Unterstützungsleistungen. Den größten - und komplexesten - Hebel stellt dabei die Vermarktungsleistung dar. Hintergrund dafür ist die Tatsache, dass bei der Entwicklung von Besuchern zu Käufern und erst recht zu Stammkunden erhebliche Verbesserungspotenziale bestehen: So werden immer noch knapp 99 Prozent der Besucher nicht zu Stammkunden entwickelt.

Unter dem Aspekt des Wert-Managements sind daher vordringlich die Fähigkeiten zur Steigerung der Besucheranzahl auf den Websites, zur Wandlung von Besuchern zu Käufern und die Etablierung von Stammkundenbeziehungen zu bewerten und zu vergleichen. Aus Sicht der Unternehmenswertsteigerung ist dabei die Retention-Dimension von zentraler Bedeutung: Der Einfluss der Kundenbindungsparameter auf den Unternehmenswert ist überragend.

Das Beispiel eines vertikal integrierten Händlers zeigt die Empfindlichkeit der Unternehmenswertentwicklung von E-Business gegenüber Schwankungen zentraler Leistungsindikatoren unmissverständlich auf. Schon wenn einige Kernindikatoren lediglich um rund zehn Prozent vom Plan abweichen, verschwinden die geplanten Cashflows vollständig. Aus der damit verbundenen Sensitivität der Wertsteigerung folgt die Notwendigkeit, die umfassenden E-Performance-Daten zunächst zur Entwicklung von ebenso anspruchsvollen wie realistischen Business-Plänen zu nutzen und darauf aufbauend zu einem straffen E-Performance-Management-System auszubauen.

Auf der Datenbasis der E-Performance-Scorecard ist eine präzise Bewertung der eigenen Stärken, Schwächen und Steigerungspotenziale durch das Management möglich. Die Scorecard wurde in der zweiten Hälfte 1999 gemeinsam mit rund 80 europäischen und amerikanischen B2C-Unternehmen entwickelt, und mittlerweile ist mit über 200 Unternehmen die zweite Benchmarking-Runde abgeschlossen. Die drei Kerndimensionen Attraction, Conversion und Retention werden auf 21 zentrale Leistungsindikatoren zurückgeführt, die im Einzelnen die Besonderheiten der Branche und des Geschäftsmodells berücksichtigen.

Attraction-Index: Bei E-Trailern gehen die Akquisitionskosten für Unique Visitors, die Wachstumsrate der Besucherbasis und die Werbeeinnahmen pro Besucher in den Attraction-Index ein.

Conversion-Index: Für den kurzfristig geschäftskritischen Conversion-Index werden unter anderem neben den Akquisitionskosten für Neukunden die Umwandlungsquote von Besuchern zu Kunden, Anzahl und Wert der Transaktionen pro Kunde, die Umsatzsteigerungsrate pro Neukunde sowie der Deckungsbeitrag pro Kunde vor Marketing-Aufwendungen herangezogen.

Retention-Index: Zur Messung der Kundenbindung wird der Retention-Index unter anderem aus Daten über Kundenbindungskosten, Anzahl und Wert der Transaktionen pro Stammkunde, Umwandlungsquote von Kunden zu Stammkunden, Deckungsbeiträge je Stammkunde und Stammkundenverluste zusammengesetzt.

Die zurzeit laufende dritte E-Performance-Runde liefert eine nochmals deutlich aufschlussreichere Datenbasis, da sowohl die Zahl der teilnehmenden Unternehmen als auch die Bandbreite der erfassten Branchen und Geschäftstypen weiter zunimmt und zudem längere Zeitreihen ausgewertet werden können. Mit dieser dritten Runde festigt das Instrument seinen Platz als Management-Tool in Zeiten wertorientierten Online-Geschäfts: "...E-Performance is the Dow Jones of the Internet" (Bjorn Larssen, Vice President New Media, Bonnier Group).

*Dr. Christian Näther ist McKinsey-Partner in München und Dr. Joachim Gripp Berater bei McKinsey in Hamburg.

Abb.1: Vergleich langfristiger Kundenwert

Online-Bekleidungshändler lassen wenig Unternehmenswert erwarten. Quelle: Salamon Smith Barney, McKinsey

Abb.2: Veränderung Unternehmenswert

Der Unternehmenswert steigt um 9,5 Prozent (bei Umwandlungsquote von zehn Prozent). Quelle: E-Performance@McKinsey

Abb.3: Leistungsmerkmale Online-Händler

Verbesserungspotentiale: 99 Prozent der Besucher werden nicht zu Stammkunden entwickelt. Quelle: E-Performance@McKinsey

Abb.4: Definition Leistungsindikatoren

E-Performance resultiert aus 21 Steuerungsgrößen. Quelle: E-Performance@McKinsey