Mit der Stoppuhr durch's Rechenzentrum?

29.08.1975

-Welche Möglichkeiten für Arbeitsstudien im Rechenzentrum sehen Sie eigentlich?

Datenermittlung, Arbeitsplatzgestaltung und Arbeitsunterweisung sehe ich als Hauptanwendungsgebiete des Arbeitsstudiums im Rechenzentrum.

- Muß sich denn der RZ-Leiter mit der Stoppuhr ins Rechenzentrum stellen, wenn er Arbeitsstudien betreiben will?

Wenn der Rechenzentrumsleiter mit einer Stoppuhr im Rechenzentrum an die Arbeit gehen würde, dann wäre das eine Methode neben vielen anderen der Datenermittlung. Ich sehe im Moment kaum Einsatzgebiete für die Stoppuhr im Rechenzentrum. Leichter läßt sich der Zeitbedarf durch Selbstaufschreiben, Vergleichen und Schätzen oder Errechnen von Prozeßzeiten feststellen.

- Bei der Arbeitsplatzgestaltung sind ja nach dem Betriebsverfassungsgesetz "arbeitswissenschaftlich gesicherte Erkenntnisse" zu berücksichtigen. Wie weit gibt es schon solche Erkenntnisse?

Abgesicherte, arbeitswissenschaftliche Erkenntnisse, wie sie in den Tarifverträgen zum Beispiel gefordert sind, lassen sich nur auf wenigen Gebieten anführen.

- Können Sie Beispiele nennen? Läßt sich etwa sagen, in welcher Farbe ein Rechenzentrum gestrichen werden muß?

Auch für diese Frage liegen sicherlich Untersuchungsergebnisse vor, ich messe aber der Farbgestaltung selbst nicht eine so große Bedeutung bei.

- Worüber läßt sich denn nun Eindeutiges sagen?

Gesicherte Erkenntnisse liegen vor im Rahmen der ergonomischen Arbeitsplatzgestaltung.

Die verfügbaren Daten, beispielsweise über optimale Stuhl- und Tischhöhen und die Verstellbarkeit von Büromöbeln sind als zuverlässig anzusehen. Ferner gibt es gesicherte Daten auf den Gebieten der Beleuchtung und der Klimafixierung.

- Kann man sagen, daß die ergonomische Arbeitsplatzgestaltung um so wichtiger wird, je untergeordneter eine Arbeit ist?

Ja - wenn man darunter Aufgaben versteht, die in Richtung Massenarbeit gehen. Beispielsweise wird im Lochsaal der Arbeitsplatzgestaltung besondere Bedeutung zukommen.

- Welche Bedeutung hat denn das innerbetriebliche Transportwesen im Rechenzentrum?

Um den materiellen Datenfluß zu organisieren, bildet die Rohrpost eine kostensparende Transportmöglichkeit. Ferner lassen sich in kleinerem Rahmen auch Förderbänder einsetzen.

- Nun spielt ja auch die Arbeitspsychologie noch eine wesentliche Rolle. Kann man analog zur physiologischen von einer psychologischen Arbeitsplatzgestaltung sprechen?

Ja, hier steht im Vordergrund die Kommunikation und das Zusammenarbeiten von Mensch zu Mensch.

- Ist sie im Rechenzentrum vielleicht wichtiger als die ergonomische Arbeitsplatzgestaltung?

Das ist durchaus richtig. Bevor Stellen im Rechenzentrum gebildet werden, müssen die anfallenden Aufgaben soweit gegliedert sein, daß man sie übersichtlich erkennt. Erst danach ist Arbeits- Ablaufgestaltung möglich. Beim Zusammenfassen von Teilabläufen wird man bestimmten Mitarbeitern die Aufgaben so zuordnen, daß sie in der Zusammenarbeit am wirkungsvollsten sind.

- Welche Rolle spielt in diesem Zusammenhang die Gruppenarbeit?

Sinnvoll ist im Rechenzentrum Gruppenarbeit zum Beispiel bei der Einführung von umfangreichen Modularprogrammen. Hier werden Mitarbeiter aus den Fachbereichen hinzugezogen werden müssen.

- Glauben Sie, daß mehr Gruppenarbeit nötig ist oder wird dieses Problem vielleicht nur hochgespielt?

Das Thema ist in den letzten Jahren zusammen mit dem Begriff Humanisierung verstärkt aufgekommen. Ich bin aber der Meinung, daß in der Presse die Gruppenarbeit unter der Flagge Humanisierung zu sehr breitgetreten wird. Es gibt nicht in dem Maße gute und sinnvolle Beispiele, wie dieser Arbeit Aufmerksamkeit geschenkt wird.

- Käme es demnach bei der Datenverarbeitung mehr auf die individuelle Einzelleistung an?

Das ist problemabhängig. Jeweils wenn umfangreiche organisatorische Änderungen vorzunehmen sind, dann werden mehrere Mitarbeiter aus den verschiedensten Bereichen zusammentreffen müssen. In solch einem Stadium hat der Individualist keinen Vorteil.

- Gibt es aus der Sicht des Refa-Mannes Regeln an die man sich bei der Datenverarbeitung oder im Rechenzentrum unbedingt halten sollte?

Ja, Regeln lassen sich aufstellen für die Kapazität im Rechenzentrum - wenn wir dabei einmal das Personal sehen und auf der anderen Seite die Betriebsmittel, sprich EDV-Anlagen und Nebeneinrichtungen. Entscheidend ist eine genaue Bedarfsermittlung und Kapazitätsabstimmung.

Die Terminplanung darf nicht nur durchlaufbezogen - das heißt also auftragsbezogen - vorgenommen werden, sondern muß auch kapazitätsorientiert sein.

- Gibt es typische Fälle, in denen gegen Grundregeln der Arbeitsorganisation in Rechenzentren immer wieder verstoßen wird?

Ja, ein typischer Verstoß ist zum Beispiel die zu schlechte Ausnutzung des qualitativen und quantitativen Leistungsvermögens der EDV-Anlage. Außerdem wird zu viel ad hoc und zu wenig nach einem Gesamtplan gearbeitet.

- Woran liegt das denn Ihres Erachtens?

In der Hauptsache liegt es an der Vorbereitung des EDV-Einsatzes. Nicht alle Aufgaben, die einmal auf EDV-Anlagen übernommen werden sollen, liegen im Einführungsstadium systematisch geglückt vor. Ferner wird häufig von der Programmiererseite her das Leistungsvermögen nicht ausgeschöpft. Die Unternehmensleitungen geben keine genauen und langfristigen Ziele vor, an die sich die Rechenzentren halten können. Aus diesem Grunde kommen häufig Teillösungen zum Einsatz und die angestrebte Gesamtlösung rückt in weite Ferne.

- Im Produktionsbereich sind Arbeitsstudien und Arbeitsvorbereitung schon Jahrzehnte alt. Wie steht es damit in der Verwaltung?

Wir haben im Refa-Institut vor fünf Jahren mit einer speziellen Ausbildung von Organisatoren für den Verwaltungs- und Dienstleistungsbereich begonnen. Inzwischen kommen zu diesen Lehrgängen immer mehr Teilnehmer - auch aus dem öffentlich-rechtlichen Bereich, etwa von den Kommunen. Chancen sehe ich im Verwaltungs- und EDV-Bereich weniger für den reinen Arbeitsvorbereiter als vielmehr für den RZ-Organisator, der als Koordinator gegenüber den Fachbereichen wirkt und außerdem für die Systemhersteller Gesprächspartner ist, um die Lösung von Fachbereichsproblemen zu diskutieren. Außerdem müßte ein solcher Verbindungsmensch ständig Druck auf die Unternehmensleitung ausüben, damit von dort bessere Zielvorgaben gemacht werden.

Rolf Meyer (34)

gelernter Industriekaufmann und studierter Maschinenbauingenieur, war erst fünf Jahre in der Stabsstelle für Produktionsorganisation der Anker-Werke (Bielefeld) bevor er 1971 zum Refa-Institut nach Darmstadt kam. Ein Refa-Lehrgang hatte ihm so gut gefallen, daß er sich hauptberuflich den Arbeisstudien verschrieb. Meyer ist in Darmstadt als Dozent für Planung und Steuerung tätig, war Mitautor des dreibändigen Werkes "Refa-Methodenlehre der Planung und Steuerung", macht die DV-Organisation im Institut (IBM System/3-8) und ist zuständig für die neue Refa-Seminar-Reihe "Betriebsinformatik", die demnächst gestartet werden soll. Das Refa-Institut in Darmstadt ist Stabsstelle des "Verband für Arbeitsstudien - REFA - ev.". Seine Aufgaben: Entwicklung und Umsetzung von Methoden der Betriebsorganisation; Gesamtverantwortung für die Refa-Lehre; Betreuung der 40 Fach- und 15 Grundsatzausschüsse des Verbandes; Veranstaltung von Seminaren insbesondere zur Ausbildung von Refa-Technikern und -Ingenieuren sowie Organisatoren. "Die Blickrichtung war bisher arbeitsplatzbezogen - jetzt schauen wir auf den Gesamtbetrieb".