Interview

"Mit der Green Card ist noch nicht alles in Butter"

24.03.2000
Mit Jörg Menno Harms, Vorsitzender der Geschäftsführung der Hewlett-Packard GmbH, sprach CW-Redakteur Gerhard Holzwart

CW: Sie waren als Vizepräsident des IuK-Dachverbands Bitkom bei den Gesprächen mit dem Bundeskanzler in Sachen Green Card dabei. Sind Sie mit der Entscheidung, 20000 ausländische Computerexperten ins Land zu holen, zufrieden?

Harms: Wir sind insoweit zufrieden, als der jetzige Beschluss ein Schritt in die richtige Richtung ist, auch wenn wir den Ausdruck Green Card als sachlich nicht zutreffend empfinden. Die befristete Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis für 20000 Fachkräfte aus dem Ausland und die Option, bei Bedarf weitere 10000 zu rekrutieren - damit können wir leben. Ich gehe im Übrigen davon aus, dass es in zwei bis drei Jahren durchaus möglich sein wird, auch andere Bereiche zu öffnen, etwa wenn es um die Rekrutierung hochspezialisierter Nachrichten- und Systemingenieure geht.

CW: Was macht Sie in dieser Hinsicht so optimistisch?

Harms: Die Tatsache, dass man sehr schnell sehen wird, wie effektiv und reibungslos sich 20000 oder 30000 ausländische IT-Spezialisten integrieren lassen.

CW: Es gibt Stimmen, die behaupten, dass es gar nicht so einfach sei, Entwickler und Programmierer aus Indien und der ehemaligen Sowjetunion - und um die geht es ja in erster Linie - für eine Tätigkeit in Deutschland zu gewinnen.

Harms: An diesem Einwand ist etwas dran. Man kann jedenfalls nicht so tun, als wäre mit der vermeintlichen Green Card schon alles in Butter. Jetzt müssen die entsprechenden Arbeitsgenehmigungen schnell und unbürokratisch erteilt werden. Und natürlich konkurrieren wir um die von Ihnen genannten Experten im Weltmarkt. Insofern muss der Standort Deutschland attraktiv und wettbewerbsfähig gemacht werden. Etwa dadurch, dass man diesen Spezialisten sagt, bei uns zahlt ihr am wenigsten Steuern.

CW: Und was machen wir mit den angeblich 70000 arbeitslos gemeldeten deutschen IT-Spezialisten?

Harms: Hier werden immer wieder falsche Statistiken zitiert. Ich habe mich, was dieses Problem angeht, nun wirklich sachkundig gemacht. Wir reden von 56000 Arbeitslosen - und dabei vorwiegend von traditionellen Maschinenbau- und Elektroingenieuren. Von diesen kann man nur einen Bruchteil umschulen, etwa auf Internet-Programmiersprachen. Das macht, um es salopp zu formulieren, den Kohl nicht fett. Hinzu kommt, dass diese Leute überwiegend 50 Jahre und älter sind.

CW: Ist dieser Jugendkult, der von der IT-Branche weltweit gepflegt wird, gesellschaftspolitisch nicht äußerst problematisch?

Harms: Das wäre ein Thema für sich. Ich wollte übrigens nicht zum Ausdruck bringen, dass es grundsätzlich keine Möglichkeit gibt, einen Ingenieur, der 50 Jahre oder älter ist, durch Umschulungsmaßnahmen wieder zu qualifizieren. Dort, wo es sinnvoll und praktikabel ist, werden wir diesen Weg gehen. Andererseits muss man aber auch zur Kenntniss nehmen: Wenn ich heute einen 50-Jährigen einstelle, hat dieser aufgrund eines nur sehr schwer nachvollziehbaren Arbeitsrechts eine Art Beschäftigungsgarantie - ich werde ihn quasi bis zur Rente nicht mehr los. Wenn man gleiches Recht und gleiche Chancen für alle fordert, heißt dies auch, dass sich ein älterer Mitarbeiter mit den Regeln der Dotcom-Generation arrangieren muss.

CW: Stichwort Dotcom: Sie scheiden Ende April aus der Geschäftsführung der Hewlett-Packard GmbH aus und wechseln in den Aufsichtsrat. Wie ist es denn um den Umbau, den Ihre Unternehmenschefin Carleton Fiorina eingeleitet hat, in Deutschland bestellt? Schließlich treten Sie auch hierzulande mit dem Anspruch an, die Philosophie der einstigen Garagenfirma Hewlett-Packard in einem modernen Großkonzern wieder aufleben zu lassen.

Harms: Es ist mehr als ein Anspruch. Wenn Sie zu uns nach Böblingen kommen, werden Sie feststellen, dass wir uns in der Art, wie wir denken und arbeiten, nicht im geringsten von E-Bay, Amazon.com oder anderen Internet-Firmen unterscheiden - auch nie unterschieden haben. Das gilt weltweit für den gesamten Konzern. Was viele unserer Entwicklungen und Technologien angeht, war dies ohnehin nie strittig. Aber große Organisationen neigen dazu, mit der Zeit bürokratisch zu werden. Wir haben deshalb in den letzten Monaten unsere Strukturen überprüft und Ballast abgeworfen. Die Ergebnisse können sich sehen lassen - vor allem in Deutschland (siehe Seite 53, Anm. d. Red.). HP wird deshalb auch in Zukunft überdurchschnittlich wachsen, und wir werden mittelfristig mehr als 80 Prozent unseres Umsatzes mit Internet-Lösungen erzielen.