Effektive Planung bei TK-Projekten (Teil 1)

Mit dem richtigen Konzept zur wirtschaftlichen TK-Struktur

14.03.1997

Noch bevor es an den Start des Projektes geht, müssen interne Strukturhürden genommen werden. Denn in den Unternehmen herrscht zumeist noch die klassische Trennung zwischen Sprach- und Datenkommunikation einerseits und der Datenverarbeitung andererseits. Die interne WAN-Mannschaft kümmert sich in der Regel um die Auswahl, Konfiguration und den Betrieb der TK-Anlage, wohingegen die LAN-Mannschaft verantwortlich für alles rund um das Router- System ist. Absurd ist diese Kompetenztrennung schon deshalb, weil produktseitig die Integration von mehreren Herstellern bereits vollzogen wurde: So stehen einige Router-Systeme nicht nur als Einschubmodul für TK-Anlagen zur Verfügung, sondern können auch unter einer einheitlichen Management-Oberfläche konfiguriert, überwacht und verwaltet werden.

Projektstruktur muß Grenzen überwinden

Die Grenzen dieser veralteten Organisationsstrukturen müssen überschritten werden. Es sollten eine gemeinsame Vorgehensweise, klare Strukturen und damit eindeutige Kompetenzen für das Projekt vereinbart werden. Vier verschiedene Strukturierungsansätze haben sich in der Projektierungspraxis bewährt:

-Die Schaffung eines zentralen Kernbereiches: Hierbei wird ein Aufgabenbereich vollständig ausgelagert und in einer zentralen Organisationseinheit verankert. Der Kernbereich beschließt allein über die vorzunehmenden Aktivitäten und setzt die Pläne auch um.

-Schaffung eines zentralen Richtlinienbereiches: Dieser trifft Grundsatzentscheidungen für die einzelnen Aufgaben und ist weisungsbefugt, auf die Einhaltung dieser Richtlinien innerhalb der Organisationseinheiten zu pochen. In operativen Einheiten wird das Projekt vorangetrieben. Hier lassen sich Detail-Entscheidungen treffen, die sich an den vorgegebenen Richtlinien orientieren.

-Schaffung eines zentralen Stabes: Er übernimmt die Aufgabenzuteilung innerhalb des Projektes an die operativen Einheiten. Der zentrale Stab ist jedoch nicht verantwortlich für die Erfüllung der Aufgaben. Er übernimmt lediglich die informative und methodische Unterstützung dieser Gruppen und dient so der Entscheidungsvorbereitung.

-Projektierung gemäß dem Matrix-Modell: Hier werden verschiedene operative Einheiten innerhalb einer Matrix-Organisation definiert. An der Entscheidungsfindung sind alle Organisationseinheiten gleichberechtigt beteiligt. Deshalb ist bei diesem Modell für die Entscheidung ein übergeordneter Ausschuß notwendig, der sich aus Vertretern der einzelnen operativen Einheiten zusammensetzt.

Natürlich ist die Wahl des Strukturierungsansatzes stark von der eigenen Organisationsform abhängig.

So wird ein zentralistisches Unternehmen mit wenigen Außenstellen zum ersten Modell, ein dezentral organisiertes Unternehmen mit vielen Außenstellen mehr zu den Möglichkeiten zwei bis vier tendieren.

Mit der richtigen Organisationsstruktur gerüstet, kann es an die Analyse der Kommunikationsbeziehungen und an das Grobkonzept zum künftigen Telekommunikationssystem gehen. Dazu empfiehlt es sich, die interne Organisation aus den erfaßten Geschäftsprozessen abzuleiten, denn nicht immer sind die betrieblichen Abläufe identisch mit der Organisationsstruktur.

Zur Erfassung dieser Prozesse gehört eine Analyse des derzeitigen Datenaufkommens auf den einzelnen, internen Verbindungen sowie im Tagesprofil. Nur so können künftige Verkehrsprofile auf den Weitverkehrsverbindungen richtig abgeschätzt und somit Übertragungsdienste, Leitungskapazitäten und Access-Systeme angemessen dimensioniert werden.

Die Planungen müssen aber auch die Mitarbeiterstärke in den Außenstellen sowie den Durchsatzbedarf von Datenreplikationen, Datenaktualisierungsläufen und Backups einbeziehen. Zudem gilt es, künftige Umstruktierungsprozesse und den Einsatz neuer Systemtechniken und Systemarchitekturen zu berücksichtigen. Sollen beispielsweise bestimmte Aufgabenbereiche des Unternehmens in Zukunft dezentralisiert werden, werden sich damit zwangsläufig die Verkehrsströme auf den Weitverkehrsverbindungen ändern.

Weitere Zukunftsherausforderungen mit Auswirkungen auf den WAN-Verkehr können Migrationsvorhaben zu Client-Server-Architekturen oder virtuelle LANs sowie die Einführung von Anwendungen wie E-Mail, Workflow, automatische Dokumentation und Electronic Data Interchange (EDI) sein.

Darüber hinaus kann es sich oft lohnen, den Telefon- und Faxverkehr, der heute zwischen den Unternehmensteilen noch über das Netz der Deutschen Telekom abgewickelt wird, anhand der Gebühren zu bemessen. Häufig zahlt es sich aus, Sprache über die Weitverkehrsverbindung zu übertragen.

Jetzt gehts an die Feinkonzeption

Als Raster für eine Feinkonzeption des Telekommunikationsprojektes kann dann das Dienstleistungsstruktur-Modell dienen. Es unterscheidet in Übertragungs- beziehungsweise Vermittlungsdienste und in Basis(kommunikations)dienste. Die Vorteile dieses Modells: Einerseits weitet es den Blick für das Spezifische innerhalb der einzelnen Dienstleistungsbereiche. Andererseits können alle Bereiche trotz detaillierter Recherche und Planung über die zentrale Instanz im Projektverlauf verhältnismäßig einfach in Beziehung gesetzt und damit mit der Zeit integrativ zusammengeführt werden.

Innerhalb des Bereiches "Übertragungs- und Vermittlungsdienste" müssen Themen wie Datenkommunikation, Corporate Networking, Internetworking und Sprachkommunikation fokussiert werden. So zieht die Entscheidung, Router oder Brücke beziehungsweise Switches an der Weitverkehrs-Schnittstelle einzusetzen, ein unterschiedliches Verkehrsaufkommen nach sich. Der Router als Ebene-3-System hält die teure WAN-Bandbreite weitgehend vom Broadcast frei. Die Brücke und der Switch hingegen reichen ihn bandbreitenaufwendig an die Außenstellen und Kooperationspartner weiter. Darüber hinaus gilt es, eine ganze Kette von Entscheidungen zu fällen. Dazu gehört etwa die Frage nach dem Routing-Protokoll, den akzeptablen Verzögerungen, der Komprimierfähigkeiten von Daten und Sprache ohne Qualitätsverlust oder nach dem Least-Cost-Routing.

Innerhalb des Bereiches Basis-(kommunikations)dienste müs-sen herkömmliche Anwendungen und Applikationen wie E-Mail, Verzeichnis-, Administrations-, Management-, Gateway-, Dateientransfer- sowie Sicherheitsdienste behandelt werden. Abhängig davon, ob Applikationen auf eine gemeinsame oder jeweils getrennte Namenssyntax zurückgreifen, müssen zur Wartung, Pflege, Synchronisation und Replikation der Syntax entsprechende Datenströme auf den WAN-Verbindungen eingeplant werden.

Wird über das eingesetzte Verzeichnissystem ein logisches Netz implementiert, lassen sich Daten gezielt verteilen und müssen selten repliziert werden. Besteht die Struktur aus Server-zentrierten Teilnetzen, entsteht durch die redundante Datenhaltung zusätzlicher Verkehr. Ein grundsätzlich unterschiedliches Verkehrsverhalten haben zudem Anwendungen, die auf einer zentralen oder verteilten Datenbank basieren. Erstere erfordern einen permanenten Datenstrom, bei letzterer redundanter Datenhaltung lassen sich Zeiten definieren, zu denen WAN-Verbindungen für Aktualisierungsläufe benötigt werden.

*Dr. Walter Gora ist Geschäftsführer der Gora, Hecken & Partner Corporate Systems, Management- und Technologieberatung GmbH in Sulzbach.