Digital-Chef Palmer: Ausverkauf ist abgeschlossen

Mit DECs Netzabteilung wird Cabletron international

05.12.1997

Für 430 Millionen Dollar übernimmt Cabletron die Network Product Business Unit (NPBU) von Digital. Dabei wechselt das gesamte Produktportfolio, inklusive 250 Patenten und 900 DEC-Mitarbeitern zu einer neuen Cabletron-Tochter. Die soll als "Digital Networks Product Group: A Cabletron Systems Company" firmieren. Von den 1100 NPBU-Mitarbeitern verbleiben 200 bei DEC, um die Cabletron-Digital-Partnerschaft zu pflegen.

Das scheint auch notwendig zu sein, denn die Verflechtungen der beiden Unternehmen sind eng. Um das Servicegeschäft weiterhin mit dem Verkauf von Netzprodukten anzureichern, vertreibt Digital künftig auch Cabletron-Erzeugnisse. Dabei garantiert die Palmer-Company dem neuen Partner einen Umsatz in Höhe von einer Milliarde Dollar, verteilt über dreieinhalb Jahre. Schließlich übernimmt die Service-Abteilung von Digital die Betreuung der Cabletron-Kunden sowie die Garantie- und Wartungsservices in vielen Ländern.

Diesen Verpflichtungen stehen laut Paul Santner, Vorsitzender der Geschäftsführung der Digital Equipment GmbH, München, folgende Vorteile für sein Unternehmen gegenüber: Bei Projektgeschäften mit Kunden ist DEC nicht mehr auf die Komponenten der eigenen Netzabteilung beschränkt, sondern kann nun auf das erweiterte Portfolio von Cabletron zurückgreifen. Zudem ergibt sich die Möglichkeit, sich auf die selbst definierten Kernkompetenzen zu konzentrieren. Die sieht Santner ebenso wie das US-Headquarter in Hochleistungsplattformen für Internet-Anwendungen und im Dienstleistungsgeschäft.

Ausschlaggebend für den Verkauf der Geschäftseinheit dürfte vor allem letzteres gewesen sein, denn in Projekten integrierte DEC auf Kundenwunsch bis dato schon häufiger Komponenten von Companies wie Cisco oder 3Com. Palmer war zudem immer weniger bereit, in die eigene Netzabteilung zu investieren, da er in ihr nicht das Potential sah, mit den Großen der Branche zu konkurrieren.

Dieses Ziel strebt nun Cabletron an. Zum bisherigen Umsatz in Höhe von 1,5 Milliarden Dollar gesellen sich die 500 Millionen Dollar der akquirierten DEC-Abteilung. Die einfache Summierung der Beträge könnte sich allerdings als Milchmädchenrechnung erweisen: "Die Übernahme bedeutet nicht, daß alle DEC-Kunden auf den Cabletron-Zug aufspringen werden. Vielmehr öffnet sich das Geschäft nun auch anderen Anbietern", meint etwa Michael Felerski, Network Manager bei Butler County in Ohio.

Dennoch ergeben sich für Cabletron einige positive Aspekte, die über die Akquisition der Produktlinien hinausgehen. Die Netzwerker, deren Kundschaft außerhalb der USA sehr dünn gesät ist, machen durch die Akquisition mit einem Schlag 33 bis 34 Prozent des Umsatzes außerhalb der Staaten, meint Peter Meinel, als General Manager für die Cabletron-Geschäfte im deutschsprachigen Raum zuständig.

Neben dieser von Cabletron-CEO Don Reed vorangetriebenen Internationalisierung des Geschäfts verschafft sich das in Rochester, New Hampshire, ansässige Unternehmen ein Standbein im indirekten Vertrieb. Bis zum letzten Jahr wurden 90 Prozent des Equipments mit Cabletron-Logo direkt an den Mann gebracht. Ziel ist es, künftig mindestens 60 Prozent der Geräte über Partner zu verkaufen. Dabei baut Reed auf die DEC-Verbindungen, denn deren Netzwerkprodukte wurden bislang in Deutschland zu 50 Prozent und in den Staaten zu zwei Dritteln über Händler und Distributoren vertrieben.