Wie sich Frauen in der IT-Branche behaupten können

Mit Ausdauer, Biss und Selbst-Marketing

25.04.2003
MÜNCHEN (am) - Noch immer sind Frauen in der IT-Branche unterrepräsentiert. Obwohl sich mittlerweile mehr Mädchen für einen IT-Beruf entscheiden, finden sich in leitenden Positionen fast nur Männer. Die COMPUTERWOCHE befragte erfolgreiche Frauen, wie sie sich in der IT-Welt behaupten.

"Man sollte nicht versuchen, ein billiger Abklatsch der Männer zu sein, sondern die eigenen Stärken leben", appelliert Gerlinde Wiest, die in der Geschäftsführung des Karlsruher Softwarehauses ISB AG sitzt. Dazu gehören Offenheit, Kommunikationsfreude und nicht zuletzt auch eine stärkere Emotionalität, die Frauen in der IT durchaus zum Vorteil einsetzen könnten.

Gemischte Teams bevorzugt

Wiest wie auch andere IT-Managerinnen haben bislang gute Erfahrungen mit gemischten Teams gemacht: "Frauen können einen Mehrwert und eine andere Atmosphäre in Teams bringen." Auch Regine Hohnsbein, die bei Hewlett-Packard als Country Manager Marketing arbeitet, bevorzugt gemischte Teams. Bei HP in Deutschland sind mittlerweile ein Drittel der Mitarbeiter weiblich und 14 Prozent der Positionen, die mit Personalverantwortung verbunden sind, mit Frauen besetzt. Eine Zahl, die der IT-Hersteller laut Hohnsbein künftig noch steigern will.

Allerdings glaubt sie, dass dafür auch die Frauen etwas tun können. Nach ihrer Meinung neigen Frauen dazu, ihre Arbeit viel kritischer zu betrachten als ihre männlichen Kollegen: "Sie gehen erst an die Öffentlichkeit, wenn sie eine 150-prozentige Leistung abliefern können. Stattdessen sollten sie sich eher vorwagen und einen Teamerfolg auch einmal sich selbst zuschreiben, wenn dieser auf ihre Leistung zurückgeht." Ob nun in der Präsentation vor einer größeren Gruppe oder im Vier-Augen-Gespräch mit dem Vorgesetzten, laut Hohnsbein sollten Frauen unterschiedliche Wege nutzen, um Marketing in eigener Sache zu betreiben.

Langer Atem gefordert

Außer Selbst-Markting müssten Frauen lernen, ihre Ziele und Vorlieben zu formulieren und auch einmal Nein zu sagen. Geschäftsführerin Wiest fasst das so zusammen: "Gerade in Führungspositionen reicht es nicht aus, nur nett zu sein. Manchmal muss man auch die Zähne zeigen." Wenn dieser Biss dann noch mit Ausdauer und Zähigkeit einhergeht, haben auch Frauen eine Chance, sich in der Männerdomäne IT zu behaupten. Das ist zumindest die Erfahrung von Christa Gerdes. Die Diplomphysikerin entwickelte 17 Jahre lang Software für Computertomografen bei Siemens Medical Solutions in Erlangen und ist heute dort stellvertretende Vorsitzende des Betriebsrates. Sie empfiehlt Frauen, nicht die Flinte ins Korn zu werfen, wenn es mit der Karriere nicht gleich klappt. Die interessanten Arbeitsfelder, die die Informationstechnologie bietet, würden zudem die männlich geprägten Arbeitsbedingungen wettmachen.

Dass man mit solchen immer wieder konfrontiert wird, gibt auch Marketing-Expertin Hohnsbein zu: "Wir müssen immer noch an das Bewusstsein der männlichen Kollegen appellieren, dass sich eine Kollegin nicht den halben Tag frei nimmt, wenn sie um 18 Uhr nach Hause geht." An solchen verqueren Sichtweisen ändert auch nichts die Tatsache, dass zwei von fünf HP-Geschäftsführern in Deutschland Frauen sind.

Zwar gibt es in großen Unternehmen wie Siemens so genannte Diversity-Programme, die unter anderem Frauen fördern. Doch zwischen Programmatik und Realität klafft immer noch eine Lücke, wie Gerdes weiß: "Wir sind von unserem Ziel, die Zahl der weiblichen Führungskräfte zu verdoppeln, noch weit entfernt." Manchmal scheitert eine gezielte Förderung auch daran, dass einfach noch viel zu wenige Frauen in der IT-Branche sind. "Je mehr Frauen in der Branche arbeiten, desto leichter wird es für alle übrigen", hofft Gerdes.

Zwar sind die Einstiegschancen für Frauen in der IT gut, aber die späteren Entwicklungsperspektiven lassen noch zu wünschen übrig. Zu diesem Ergebnis kommt das Kompetenzzentrum Frauen in der Informationsgesellschaft in einer Studie. Barbara Schwarze, Geschäftsführerin des Kompetenzzentrums, fordert darum Arbeitsbedingungen, die Frauen wie Männern die Vereinbarkeit von Beruf und Familie ermöglichen.

Krabbelstube eingerichtet

Die ISB AG in Karlsruhe hat darum eine Krabbelstubbe eingerichtet, obwohl das Softwarehaus nur 110 Mitarbeiter hat. "Wir wollen nicht, dass Kinder zum Karriereblocker werden, und hoffen, dass wir dadurch unsere qualifizierten Mitarbeiterinnen behalten können." Auch bei Siemens in Erlangen gibt es eine Kindernotfallbetreuung in den Ferien. Betriebsrätin Gerdes räumt aber ein, dass die Babypause nicht zu lange dauern sollte, da man sonst den Anschluss an die technische Entwicklung verpasst. Gleichzeitig sei die Führungskraft gefordert, die Mitarbeiterinnen in der beruflichen Karriere, aber auch nach einer Rückkehr aus der Babypause, zu unterstützen.