CeBIT etabliert sich als größte Jobbörse

Mit Aktienoptionen macht auch Arbeit ohne Ende Spaß

03.03.2000
Hannover (ag) - Vom Student bis zum Geschäftsführer - sie alle nutzten die CeBIT, um ihre Chancen auf dem Arbeitmarkt auszuloten. Am Job-Market in Halle 10 führte kein Weg vorbei. Im Karrierezentrum der COMPUTERWOCHE präsentierten sich 66 Unternehmen, auf dem Podium diskutierten vor allem Internet-Firmen über die Arbeitsbedingungen in der Branche.

"Haben Sie schon einmal eine Nacht durchgearbeitet oder zumindest durchgefeiert?" Auf diese Frage müssen sich Bewerber einstellen, wenn sie bei der Internet-Firma Openshop anheuern wollen. Unternehmensgründer Thomas Egner gab auf dem Diskussionsforum der CW offen zu, dass die hohe Belastbarkeit und Leidensfähigkeit der Mitarbeiter ein entscheidendes Einstellungskriterium ist. Er selbst arbeitet in der Regel von 7.30 bis zwei Uhr nachts, in Entwicklung und Vertrieb ist ein 13-Stunden-Tag normal.

Mit diesem Eingeständnis war Egner nicht allein. Nahezu alle Vertreter von aufstrebenden Internet- und Linux-Firmen bekannten sich offen zur Arbeit ohne Ende. "Jeder muss sich die Grundsatzfrage stellen: Will ich ein normales Leben führen oder gehe ich zu einer Internet-Firma, um anfangs Tag und Nacht für wenig Geld zu arbeiten. Nach ein paar Jahren hat man aber dank Aktienoptionen die Mitarbeiter in den arrivierten Firmen längst überholt." Die Religionslehrerin Elfriede Moder-Frei steht zu ihrer markigen Aussage, zumal sie selbst die Beamtenstellung auf Lebenszeit aufgegeben und den Online-Nachrichtendienst Börsenreport.de gegründet hat.

Dem überhitzten IT-Arbeitsmarkt zum Trotz lassen sich die meisten Internet-Firmen aber nicht darauf ein, einen 120-prozentigen Einsatz der Mitarbeiter auch entsprechend zu vergüten. Vertrauensarbeitszeit statt Zeiterfassung heißt die Devise. Auch Brokat-Chef Stefan Roever machte sich um die Motivation der Mitarbeiter keine Sorgen: "Wenn ich allen Mitarbeitern Aktienoptionen biete, brauche ich keinen Betriebsrat. Dann arbeiten sie sogar gern mehr." Dem konnte sich Max Finger, Mitgründer des Internet-Auktionshauses Alando, das später vom amerikanischen Marktführer Ebay aufgekauft wurde, nur anschließen. Lange zu arbeiten ist für den Besitzer eines millionenschweren Aktienpakets nicht Grund zu jammern, sondern Zeichen einer gut funktionierenden Unternehmenskultur:

"Wir arbeiten zwölf Stunden am Tag, essen zusammen und haben mehrere Fernseher und eine Tischtennisplatte im Büro. Wir leben in der Firma." Andere Internet-Firmen warten mit Massageservice, Schokolade für alle oder Frühstücksbuffet auf.

Auch Menno Harms, als Chef von HP Deutschland ein Vertreter der großen IT-Player, räumte ein, dass die Unternehmenskultur eine entscheidende Rolle für die Motivation der Mitarbeiter spielt. "Großunternehmen leiden unter Bürokratie. Wir wollen wieder zurück zur Garagenfirma, in der die Mitarbeiter Spaß und Sinnhaftigkeit finden." Harms setzte im Gegensatz zu den Vertretern der Internet-Firmen Spaß aber nicht mit Arbeit ohne Ende gleich. Entscheidend sei die Balance zwischen Beruf und Privatleben. Wie wichtig diese den IT-Studenten ist, zeigte eine aktuelle Umfrage des Instituts für Personal-Marketing Trendence unter 2000 angehenden Informatikern. Ein Gleichgewicht zwischen Beruf und Privatleben wollen 24,7 Prozent der Befragten bei ihrem ersten Arbeitgeber finden, während sich nur 21,9 Prozent eine ansprechende Unternehmenskultur erhoffen.

Dass die IT-Unternehmen nicht nur unter dem akuten Personalmangel, sondern auch unter der gestiegenen Fluktuation leiden, gaben die Firmenvertreter sogar öffentlich zu. So räumte Microsoft-Geschäftsführer Rudolf Gallist ein, dass viele seiner Mitarbeiter kündigen, um sich selbständig zu machen. Nur so lasse es sich erklären, dass der Altersdurchschnitt bei der Gates-Company trotz 25-jährigem Bestehen immer noch bei 31 Jahren liegt. "Die neue Generation ist nicht mehr loyal gegenüber dem Unternehmen, sondern nur noch gegenüber sich selbst", sagte Harms und bestätigte die These von Christian Scholz, Professor für Personalwirtschaft an der Universität Saarbrücken. Für ihn ist die "Generation Y" immer auf den eigenen Vorteil bedacht. Durch den Darwinismus der Unternehmen, die nur die Besten wollen und die Schwachen aussortieren, würden sie zu einer opportunistischen Haltung gezwungen. "Wir haben hier keine heile Welt, in der sich alle lieben. Viele IT-Firmen haben in der Vergangenheit entlassen", erinnerte Scholz.

Für Brokat-Chef Roever sind Entlassungen kein rotes Tuch, er forderte auf dem CW-Podium sogar ein noch viel rigideres Vorgehen: "Wenn Mitarbeiter fristlos und ohne Angaben von Gründen kündigen können, müssen Unternehmen das auch dürfen. Die entlassenen IT-Profis finden sowieso gleich wieder einen Job." Solchen frühkapitalistischen Forderungen konnte Scholz nichts abgewinnen.