Druckerspezialist Centronics aktiviert Europa-Vertrieb:

Mit aggressivem Marketing an den Endkunden

23.09.1977

FRANKFURT - Seit nunmehr zwei Jahren ist der Drucker-Spezialist Centronics auch in Europa präsent. Obgleich in der Bundesrepublik bereits mehr 10 000 Centronics-Drucker installiert sein sollen, ist das Unternehmen nur wenigen Anwendern namentlich bekannt. Folge der anfangs miserablen Image-Pflege, die sich nun unter der neuen deutschen Führung ändern soll.

Das neue Management versucht es auch mit einer für das Unternehmen neuen Marketing-Strategie, die von der Konkurrenz indes bereits mit wechselndem Erfolg praktiziert worden ist: Die Anwender sollen künftig unmittelbar beim Unternehmen kaufen. Sicher wird es dabei keinen Preisabschlag geben können, denn der bisherige Erfolg von Centronics kommt aus dem OEM-Geschäft, und die alten Partner dürften sich schön bedanken wenn sie der Lieferant preislich unterlaufen würde. Tatsächlich hat sich die neue Führungs-Crew vorgenommen, eine Produktpalette anzubieten, die möglichst breiter als die der Konkurrenz sein muß. Damit soll der Konkurrenz Kunden und Marktanteile weggeschnappt werden, dann sollen neue Produkte und neue Anwendungen eingeführt werden und über all dem soll das laufende OEM - Geschäft nicht leiden und bei Großkunden soll mit maßgeschneiderten Vor-Ort-Lösungen Furore gemacht werden. Das Centronics - Management ist überzeugt, so gut zu sein, um all dies realisieren zu können.

Eine breite Produktpalette hat das Unternehmen mittlerweile. Sie reicht vom Micro 1 für 745 Dollar über die Serie 700 (Matrixdrucker) bis zur Serie 6000 (Zeilendrucker). "Wir haben keine Höchstgeschwindigkeitsdrucker a la Siemens-Laserdrucker, weil wir dieses 'limitierte' Geschäft gerne den beiden Großen IBM und Siemens überlassen", wie Verkaufsboß George R. Rea treuherzig erklärte.

Neu im Programm ist der Micro 1, ein leiser, schneller Drucker, der auf aluminiumbeschichtetes Papier druckt und neue Märkte im untersten Einsatzbereich erobern soll. Centronics denkt dabei an Bildschirm-Hardcopy, mobile Installationen, Industrieautomation und zielt auf den Hobby- und Heimwerkerbereich, der in den Staaten gigantische Zuwachsraten aufweist. Der Micro 1 wird erstmalig auf dem Sicob in Paris vorgestellt werden.

Neu im Programm ist auch das Engagement von Centronics im Datacommunications-Bereich. Auf der NCC in den USA angekündigt, wird der neue 1200 Baud Teleprinter 763 aus der 700er Serie in München zur Systems 77 offiziell freigegeben.

Auf dem Sicob in Paris feiert ein weiteres Modell Premiere; die 702, ein 120 Zeichen/sec - Drucker, der in beiden Richtungen druckt.

Ohne Zweifel eine Produktpalette, die einen Marktbereich abdeckt, der um einiges größer als 500 Millionen jährlich ist, wobei der Hobbymarkt nicht eingerechnet ist.

Vorteilhaft wirkt sich aus, daß sich Centronics nicht zu schade ist, für einen einzigen Kunden spezielle Produkte zu entwickeln, die alle Kundenwünsche abdecken können. So geschehen bei den meisten Luftverkehrsgesellschaften, die heute ihre Flugtickets über eine Spezialentwicklung von Centronics drucken lassen und bei Banken.

Ungewöhnlich für eine amerikanische Firma ist, daß "Centronics bezüglich der zukünftigen Strategie außerordentlich 'Europeminded' ist", so Vice President Rea. Nicht nur die neuesten E Produkte werden zur Zeit in Europa angekündigt, auch die Produktion selbst findet in Europa statt. Besonders bemerkenswert: Ein eigener Produktentwicklungsbereich wurde in Europa gebildet, der bereits eine Reihe von "europäischen" Produktlosungen zustande gebracht hat.

Kernig die Marketingaussagen: Die Zukunft im Centronics-Sinne gehört den Druckern im Büro, im Hobbybereich und in der Kommunikation - ob mit oder ohne EDV. Die Zukunft gehört preisgünstigen Produkten, neuen und dennoch preisgünstigen Technologien. Die Zukunft gehört auchdem "Enduser-Markt", der zukünftig am Centronics-Umsatz einen Anteil von 94 Prozent haben soll.

_AU:Rainer Kolshorn