Paderborner DV-Unternehmen setzt auf angestaubte Comet-Software und auf neue Märkte

Mit 8832 tritt Nixdorf jetzt gegen DEC an

24.02.1984

GRAINAU (rs) - Um durchschnittlich 19 Prozent wuchs die Nixdorf Computer AG, Paderborn, in den vergangenen Jahren. Dies, so Vorstandsmitglied Arno Bohn, liege um drei Punkte über dem mittleren Wachstum der japanischen DV-Hersteller. Neben der vorläufigen Bilanz des Geschäftsjahres 1983 präsentierte das Paderborner Unternehmen auf einer Presseveranstaltung am Eibsee Strategie und Produkte für die Hannover-Messe '84.

Das Verhältnis zwischen Auslandsund Inlandsumsatz bezifferte Bohn mit 50 zu 50. Weiterhin mache Nixdorf die Hälfte seines Geschäftes im Dienstleistungsbereich und erreichte im Geschäftsjahr 1983 einen Umsatz von 2,7 Milliarden Mark weltweit. In das neue Geschäftsjahr geht Nixdorf mit einem Auftragsbestand von 2,6 Milliarden Mark. Im Inland beschäftigte das Paderborner DV-Unternehmen Ende '83 rund 5000 Mitarbeiter, wovon Bohn zufolge etwa 500 im abgelaufenen Jahr netto hinzugekommen seien.

Den Entwicklungsaufwand im Jahr 1983 bezifferte Klaus Luft, stellvertretender Vorstandsvorsitzender der Paderborner Aktiengesellschaft, mit 250 Millionen Mark. In Sachanlagen investierte Nixdorf rund 290 Millionen Mark. Damit belief sich der Aufwand für diese beiden Bereiche in den vergangenen fünf Jahren auf durchschnittlich 20,6 Prozent vom Umsatz.

Sprache des Kunden

Getreu der Devise "Der Zahnarzt verdient beim Bohren mehr als beim Programmieren will Nixdorf nach Bohns Worten auch in Zukunft die "Sprache des Kunden" sprechen und komplette Lösungen anbieten. Mittlerweile sei das Unternehmen in 120 Branchen aktiv. In der (nur bei Nixdorf gebräuchlichen) Preisklasse von 30 000 bis 300 000 Mark wollen die Paderborner inzwischen einen Inlandsmarktanteil von 20 Prozent halten.

Fast ein Drittel des Gesamtgeschäftes macht Nixdorf Angaben Bohns zufolge mit Geldinstituten. 1983 hatten die DV-Mittelständler rund 53 000 Bankenterminals im Markt untergebracht gegenüber 12 000 im Jahr 1978.

Dornier vermarktet 8832

Im Scanning-Bereich hält Nixdorf derzeit 46 Prozent der insgesamt 175 Installationen bei inländischen Supermärkten. Am Point-of-Sale (POS) tue sich auch ein neuer Markt auf: das POS-Banking. Damit sind Terminals gemeint, an denen der Kunde mittels EC-Karte bezahlen kann, wobei der Preis direkt von seinem Konto abgebucht wird. Hier würden der POS- und der Bankenmarkt zusammengeführt.

Mitte dieses Jahres soll das neue Bürokommunikationssystem 88BK für Kundeninstallationen freigegeben werden. Dieses System verarbeitet Daten, Text, und Grafik sowie digitalisierte Sprache. Letzteres bedeutet dabei, daß der Anwender Dokumente mit Sprachenanmerkungen versehen kann und nicht etwa, daß eine Sprachverarbeitung im Sinne von Spracherkennung möglich ist. So läßt sich das 88BK beispielsweise als Diktiergerät benutzen.

Ebenfalls vertriebsreif ist jetzt das fehlertolerante Rechnersystem 8832, eine Gemeinschaftsentwicklung mit dem amerikanischen Kooperationspartner Auragen System Corp., Fort Lee/New Jersey. Als Einsatzgebiete für diese Computer sieht Nixdorf zunächst die Fertigungsindustrie, öffentliche Verwaltungen, Hochschulen, Btx-Anwendungen, die Softwareentwicklung sowie die Aufgabe als Vermittlungsrechner.

Damit will Nixdorf nach eigenen Angaben Märkte angehen, die für das Unternehmen noch Neuland sind und in denen sich Unternehmen wie Digital Equipment mit der VAX-Serie, Hewlett-Packard, Data General, Prime oder Tandem tummeln. Nixdorf wird hier mit Partnern zusammenarbeiten: Dornier soll die 8832 mit vermarkten. Mit fünf weiteren Vertriebspartnern laufen nach Angaben des für die fehlertoleranten Systeme zuständigen Managers, Wolfgang Raum, derzeit: Verhandlungen.

Die 8832 arbeitet unter dem Betriebssystem Unix-PPS (Parallel Processing System), das laut Nixdorf eine Weiterentwicklung des AT&T Unix darstellt und dazu auch kompatibel ist. Das System besteht aus mindestens zwei und maximal 32 Computern. Um die Ausfallsicherheit zu erreichen, sind nicht nur die Zentraleinheiten doppelt vorhanden, auch jedes Ein-/ Ausgabegerät ist über eine Zwei-Wege-Steuereinheit an zwei unabhängige I/O-Busse gekoppelt.

Ebenfalls doppelt sind die Datenwege zu allen Magnetplatten ausgeführt, wobei die 8832 mit fehlertoleranten Platten arbeitet. Bei dieser Technik ist jede Platte zweimal vorhanden und alle Daten werden simultan auf beide Laufwerke geschrieben.

Der Vertrag mit Auragen sieht vor daß Nixdorf das System exklusiv in Europa vertreibt. In Kanada, Japan und den USA treten die beiden Unternehmen als Mitbewerber gegeneinander an. Nixdorf produziert das System in Lizenz in Paderborn.

Comet auf 8890

Ein weiterer Schwerpunkt in der Nixdorf-Produktstrategie liegt auf der Software "Comet". Dieses in Basic geschriebene Programmpaket das bislang nur auf den Rechnern der 8870-Serie lief, soll jetzt sowohl auf dem Mikro 7 als auch auf der 8890 ablauffähig sein. Damit solle den IBM-kompatiblen Systemen die "Basic-Welt" erschlossen werden. Die Comet-Software wird Nixdorf zufolge von dem jetzt neu freigegebenen Betriebssystem VM-ESX unterstützt das in Kooperation mit der Spartacus Computers Inc., Bedford Massachusetts, entwickelt wurde.

Damit läuft Comet jetzt auf nahezu allen Nixdorf-Systemen. Die Bestrebungen gehen sogar so weit, Comet auch auf IBM-Rechnern zu implementieren. 1985 will das Unternehmen dies geschafft haben. Anwendern soll so die Möglichkeit gegeben werden, ohne Verlust der Software Investitionen auch dann weiterzuwachsen, wenn sie bei der Paderborner Hardware das Ende der Fahnenstange erreicht haben.