Ohne Software auf der Überholspur

Mit 4-Prozessor-Supercomputer beschleunigt Hitachi auf 32 Gflops

24.04.1992

TOKIO/MÜNCHEN (CW) - Auch aus der Supercomputer-Ecke ist turnusgemäß wieder ein Geschwindigkeitsrekord zu vermelden: Mit dem Topmodell "S-3800/480" ihrer aus sechs Mitgliedern bestehenden S-3800-Familie beansprucht die Hitachi Ltd. vorerst wieder die Krone in Sachen Rechenleistung.

Nachteil gegenüber Marktführer Cray Research: Software, die auf den beiden angebotenen Betriebssystemen läuft, existiert im Vergleich zu Cray-Konkurrenzprodukten nur spärlich. Mit der ebenfalls neuen "S-3600"-Linie präsentierten die Japaner insgesamt zehn neue Superrechner.

Bislang hatte ein anderer Japaner, die NEC Corp., mit der Gflop-Spitzenmarke geworben: Die 25,6 Giga-Floating-Point-Berechnungen pro Sekunde der "SX-3-R"-Supercomputer überbot Hitachi nun mit den 32 ihres Spitzenmodells S-3800/ 480. Dabei handelt es sich um ein wassergekühltes 4-Prozessor-Modell. Der kleinste S-3800-Rechner erzielt immerhin noch 8 Gflops.

Alle sechs neuen S-3800-Supercomputer wurden mit neuer Chip-Technologie ausgestattet: Charakteristika sind unter anderem 25 000 Gate-Arrays pro Chips und eine Signallaufzeit von 60 Picosekunden. Vier der sechs Rechner werden mit Luft gekühlt, zwei mit Wasser.

Die Rechenleistung der vier luftgekühlten S-3600-Systeme reicht von 2 Gflops für das Modell S-3600-Systeme reicht von Gflops für das Modell "S-3600/180" bis zu 250 Mflops, die der "S-3600/120" als kleinster der zehn Supercomputer erzielt.

Als Betriebssysteme stehen das proprietäre "VOS3/AS" und "HI-OSF/1-MJ" zur Verfügung. Bei letzterem handelt es sich um die OSF/1-Unix-Variante von Hitachi, die um einige Eigenschaften erweitert wurde: Hierzu gehört die Unterstützung parallel zu verarbeitender Fortran-Statements. Weiter beinhaltet diese Version eine Entwicklungsumgebung, durch die es Anwendern etwa auf Hitachi-3050-Workstations möglich ist, Fortran-Programme auf ihren Front-ends zu schreiben und auch auszuführen.

Außerdem fügten die Japaner der OSF/1-Variante Netz- und System-Verwaltungsfunktionen hinzu und verbesserten das Batch-Processing-Verhalten. Für die S-3800-Rechner entwickelte Hitachi zudem ein Bildausgabe-Werkzeug, das die Bildverarbeitung sowohl im NTSC- als auch im HDTV-Format mit einer Geschwindigkeit von 30 Bildern pro Sekunde ermöglicht. Die Massenspeicher der S-3800-Superrechner werden mit einer Hippi-Schnittstelle (High Performance Parallel Interface) ausgeliefert, die einen Datentransfer mit 100 MB/s erlaubt.

Handikap der Japaner: zu wenig Anwendungssoftware

Branchenkenner sehen vor allem den Mangel an verfügbaren Software-Applikationen als Handikap der Japaner: Sie vermuten, daß Hitachi vor allem deshalb auf Unix setzt, um einen Anreiz zu bieten, das Angebot der bisher vorhandenen zehn Anwendungen für die OSF-Umgebung aufzustocken. Das Unternehmen hofft, innerhalb der nächsten drei Jahre ungefähr 150 Applikationen für diesen Systembereich bieten zu können. Für die S-3800-Supercomputer stehen zudem 140 VOS/3-Anwendungen parat. Hitachi äußerte ferner die Erwartung, in Japan in den kommenden fünf Jahren etwa 100 der S-3600- und -3800-Supercomputer zu verkaufen und damit aus der momentanen Flaute herauszusegeln: Für das gerade abgelaufene Geschäftsjahr bilanzierte das Unternehmen nämlich einen Gewinnrückgang von 42 Prozent. Die Leasingraten für die Hardware betragen zwischen 65 400 und 960 000 Dollar pro Monat und etwa 11 000 Dollar für das OSF/1-MJ-Betriebssystem. Die Modelle der Linie S-3600 sind laut Unternehmensangaben ab Sommer 1992 verfügbar, auf die S-3800-Systeme muß man noch bis Anfang kommenden Jahres warten.