Das war 1976:

Mißerfolg ist teuer

17.12.1976

Einmal mehr machten die Minicomputerhersteller vor, was Wachstum heißt. Für das Geschäftsjahr 1975/76 meldeten Digital Equipment, Data General und Hewlett-Packard Umsatzsteigerungen zwischen 30 und 50 Prozent. Dagegen gab sich der große Bruder recht bescheiden: IBM Deutschland bezeichnete 1976 als "Normaljahr" und erwartet 10 Prozent Zuwachs. Philips rechnete vor, was Mißerfolg in dieser Branche kostet: Beim Ausflug ins Großrechnergeschäft verloren die Holländer insgesamt 1 Milliarde Gulden.

Während Rezession für manche Hersteller ein unverständliches Fremdwort blieb, spürte manch anderer die Bedeutung am eigenen Leib: Singer gab die Parole aus "zurück zur Nähmaschine", Anker, Forster und in den USA Datran machten Konkurs, Hohner steigt indirekt aus - durch den Verkauf von 75 Prozent seiner DV-Tochter an Nixdorf.

Die Strukturbereinigung ist noch nicht abgeschlossen: In Schweden wird die Verbindung Stansaab/Datasaab diskutiert. In Frankreich verhandeln Regierung, Thomson CSF, CGE und der Club Peri-Informatique über die mit der CII/HB-Gründung, angestoßene Umformierung der französischen DV-Industrie. Im Service-Bereich wird Kooperation Mode: Rechenzentren suchen ausländische Partner vor allem zum Erfahrungsaustausch; Softwarehäuser wollen durch internationale Zusammenarbeit den Vertrieb stärken.

Exitus in Bielefeld: Im gleichen Jahr, in dem Konkurrent NCR endgültig total auf Elektronik umgestellt hatte, übernahm bei den Anker-Werken der Konkursverwalter die Geschäftsführung. Anker hatte die Umstellung nicht rechtzeitig geschafft. Für MDT-Hersteller war der westfälische Brocken zu groß - und selbst ein Unternehmen wie Siemens konnte sich nicht für mehr als die Übernahme der Bankenterminals erwärmen.

Die ursprünglich fast 6000 minusmachenden Mitarbeiter wollte sich niemand auf die Lohn- und Gehaltsliste setzen und die Gläubiger, die insgesamt 322 Millionen Mark fordern, fürchteten ein Ende mit Schrecken offenbar weniger als einen Schrecken ohne Ende. Sie verhandelten so hart, daß nicht einmal für das nach Anker-Angaben rund 90 Millionen Mark Umsatz erbringende Service- und Wartungsgeschäft ein Interessent gewonnen werden konnte. Kein Rettungs-Anker.

In einer Art Schlußverkaufsstimmung schafften die DV-Hersteller an, die nicht ohnehin schon im Textverarbeitungsgeschäft engagiert waren: Siemens kaufte den TV-Computer von Forster, Burroughs übernahm Redactron.

Automatische Textverarbeitung - von gängiger Bürokorrespondenz bis zur Produktion ganzer Zeitungsseiten - gilt als einer der größten und zukunftsträchtigsten Märkte.

Die Börsenanalytiker sehen die DV-Industrie weiter als Wachstumsbranche an. Und Triumph-Adler-Exportmanager Hans J. Schüttlöffel erklärte im Herbst sogar: "Der richtige Boom für die Büro- und Informationstechnik kommt erst noch." Mit der Produktion von Arbeitslosen teils im eigenen Bereich (durch Umstellung auf Elektronik), teils in Büro und Verwaltung (durch Rationalisierung beim Anwender) läßt sich auch in Zukunft gut existieren - und mit diesem Effekt muß die Branche leben. -py