Minis oder Großrechner? Eine echte Alternative?

08.10.1976

Dipl.-Math. Christophorus Mosko

"Wir lösen unseren Großrechner durch Minis ab!" Diese Aussage hört man in letzter Zeit in vielen Diskussionen über die optimale Ablösung von Groß-Systemen durch Nachfolger. Meist kommen dann sofort Gegenargumente, die mit der Aussage, Minis könnten eben doch nicht die Leistungsfähigkeit eines Großrechners ersetzen, die Installation eines Großsystems favorisieren. So kristallisieren sich alternative Positionen heraus, während der Aspekt einer Ergänzung von Großrechner und Mini durch einen Rechnerverbund unberücksichtigt bleibt.

In welchen Punkten können sich nun Minis und Großrechner ersetzen und in welchen nur ergänzen?

Unerreichbar ist für die Minis die Leistungsfähigkeit der CPU's der Großrechner sowie die Ausfallsicherheit der Hardware. Weiterhin sind die zur Zeit zur Verfügung stehenden Datenbanksysteme kaum für Minis ausgelegt.

Auf der anderen Seite haben die Minis ihre Stärken in Flexibilität,

Handling, Interruptbehandlung, Anspruchslosigkeit und dem Preis.

Einige ursprüngliche Eigenschaften der Minis wie begrenzte Speicherkapazität und 8- oder 16-Bit-Struktur sind heute bei vielen erweitert worden, so daß sie in diesen Eigenschaften den Großrechnern nicht nachstehen.

Um in der Gegenüberstellung Minizu Großrechner eine einigermaßen realistische Aussage machen zu können, muß noch ein Blick auf den augenblicklichen Trend in der Datenverarbeitung geworfen werden: Da die Zeiten der fast ausschließlichen Batch-Verarbeitung an Großrechnern vorbei sind und sich die interaktive Arbeitsweise mit Hilfe von Terminals durchsetzt, ergibt sich der Zwang, im Remote-Verfahren möglichst umfangreichen Rechnerservice am jeweiligen Arbeitsplatz zur Verfügung zu stellen was oft nur mit Datenfernübertragung möglich ist.

Fatale IBM-Abhängigkeit

Des weiteren muß man sich fragen, warum jeder, der die Leistung eines Großrechners benötigt, einen solchen betreiben muß, aber auch, warum sich jemand mit der Leistungsfähigkeit eines oder mehrerer Minis begnügt, wenn er die Möglichkeit hat, etwa über Datenfernübertragung die Leistungen eines oder mehrerer Großrechner zu nutzen. An diesem Punkt muß auf die heterogenen Rechnernetze hingewiesen werden, die nicht nur den Zugriff zu Rechnern eines Herstellers ermöglichen - die fatale Abhängigkeit von einem einzigen Hersteller (IBM) haben viele in den letzten Jahren allzusehr gespürt -, sondern auch den Anschluß von Rechnern anderer Hersteller ermöglichen. So sind im Hahn-Meitner-Institut folgende Rechner gekoppelt:

PDP 11/40, PDP 11/45, PDP 11/70, Siemens S 310, Siemens S 330, S 4004, S 7755.

Die Möglichkeit, einen Mini als Terminalkonzentrator für die Großrechner S 4004 und S 7755 über Datenfernübertragung zu betreiben, wird von einigen externen Benutzern der S 4004 und S 7755 ausgiebig genutzt, vor allem wegen der Anschlußmöglichkeit "exotischer" Terminals, die Vektor-Graphik erlauben.

Mikros kontra Minis

Der Einsatz heterogener Rechnernetze oder der Anschluß an solche sollte auch von kommerziellen Institutionen erwogen werden, da man die Einsparungen nicht unterschätzen sollte, die sich beim Anschluß an Rechnernetze schon dadurch ergeben, daß nicht jeder, der die Leistung eines Großrechners in Anspruch nimmt, einen solchen in einem eigenen Rechenzentrum betreiben muß.

Auf jeden Fall kann man nicht daran vorbeisehen, daß die Zukunft der Datenverarbeitung im Raum der Großrechner und in der Benutzung von Rechnernetzen liegt. Eine interessante Frage in diesem Zusammenhang ist, wieweit im Rahmen der Netze in Zukunft Mikros die Aufgaben der Minis als Remote-Job-Entry-Station und Terminalkonzentrator übernehmen werden.

Ein Anliegen sollten die Anwender von Großrechnern und Minis in den nächsten Jahren gegenüber den Rechnerherstellern auf jeden Fall vertreten: Die Vereinheitlichung und Normierung der Schnittstellen der Rechnernetze. Denn durch die immer noch andauernde Diskussion um HDLC und X25 sollte man gewarnt sein, die Vereinheitlichungs- und Normierungsbestrebungen auch auf höheren Softwareprotokollebenen (END-END, File Transfer, Remote Job Entry) zu spät in Gang zu bringen.

Christophorus Mosko ist Mitarbeiter des Bereichs Datenverarbeitung und Elektronik am Hahn-Meitner-Institut für Kernforschung Berlin GmbH.