Mikros werden zur normalen Büroausstattung gehören - Minis erledigen den rechenintensiveren Part:

Mini oder Mikro: An der Antwort scheiden sich die Geister

16.11.1984

MÜNCHEN (CW) - Es ist schon ein Katzenjammer, daß grundlegende und täglich in der Fachsprache auftauchende Begriffe einer schlüssigen Erklärung entbehren. So streiten sich die "Gelehrten", aber auch die Anwender und Laien, bekanntermaßen seit Jahren darüber, welchen Rechnertyp man denn nun eigentlich als Mini und welchen als Mikro bezeichnen soll. Um der ständig praktizierten Begriffsvermengung wenigstens ein bißchen entgegenzuwirken, hat die Redaktion der COMPUTERWOCHE im Rahmen ihres Schwerpunkts einige Statements von Mini- und Mikrocomputerherstellern zu diesem heiklen Thema eingeholt. Dabei geht es neben dem Versuch einer Kategorisierung in erster Linie um die Frage, welcher Rechner sich am besten für welche Anwendung eignet und wie es um Die Zukunftsaussichten der beiden Klassen bestellt ist.

Norsk Data: Minis ideal für CAD/CAM

Minicomputer sind Universalrechner, die sich sowohl für kommerzielle, als auch für technisch-wissenschaftliche Anwendungen eignen. Aufgrund ihrer hohen Rechnerleistung kommen sie insbesondere für CAD/CAM-Anwendungen in Frage.

Da die Zahl der Anwender ohne spezielle DV-Kenntnisse weiter rapide zunehmen wird, sollten Minisysteme entsprechend differenzierte und einfach zu handhabende Benutzerschnittsstellen bieten. Außerdem

sind Rechner mit hoher Geschwindigkeit erforderlich, um komfortable Anwendungssoftware mit kurzen Antwortzeiten zu ermöglichen. Mehr Bedeutung werden darüber hinaus sicher auch die Werkzeuge zur Programmentwicklung gewinnen, die Ergebnisse schneller produzieren als die heute meisten verwendeten Sprachcompiler wie zum Beispiel Cobol.

Perkin Elmer: 32-Bit-Verarbeitungsbreite setzt sich bei Minis durch

Mikrocomputer sind Rechnersysteme, die aus den anwendungsneutralen Verarbeitungs-, Verbindungs- und Speicherkomponenten aus der Massenfertigung weniger Hersteller von Systemintegratoren unter Beistellung meistens von Dritten stammender anwendungsneutralen Systemsoftware zusammengestellt werden. Rechenleistung und Ein-Ausgabedurchsatz wird durch die bei noch sicherem Betrieb erreichbare Leistung der Verknüpfungselemente der einzelnen VLSI-Bausteine begrenzt.

Minicomputer werden immer mehr über die interne Verarbeitungsbreite von 32 Bit verfügen. Im Gegensatz zu Mikrocomputern stehen hier die herstellerspezifischen Weiterentwicklungen rechnerinterner Transportpfade zur Leistungserhöhung innerhalb der Grenzen des allgemein noch angewandten "von-Neumann-Prinzips" im Vordergrund

Hinsichtlich der Anwendung ergibt sich nun das folgende Bild: Mikrocomputer gehören künftig zur normalen Büroausstattung. Die Folgegeräte der heutigen Arbeitsplatzcomputer verschmelzen in Kürze die Datenstation des zentralen DV-Systems mit lokaler Verarbeitungskapazität. Als nächstes werden die Kommunikationsdienste in das gleiche Gerät integriert. Einen Anhalt für das Mengenwachstum geben Zahlen aus den USA. Dort kam 1982 eine "Workstation" auf jeden zwanzigsten Schreibtischarbeiter und bis 1990 verfügt mehr als jeder zweite über seine Station. Mikrocomputer werden auch weiter in Aufgaben der Datenerfassung in Labor und Produktion vordringen.

Die Mehrzahl der als Arbeitsplatzcomputer oder Workstation angebotenen Mikrocomputer arbeitet mit denselben leistungsbestimmenden Komponenten und unterscheidet sich in anbieterspezifischen Ausstattungsdetails. Folglich bestimmt ein Wettbewerb von Handelsmarken derzeit noch den Markt. Eine Konzentration auf die produktive Anwendung verbliebene Systeme ist in der nächsten Phase zu erwarten.

Minicomputer hingegen werden sich weiterhin bei hochwertigen transaktionsorientierten Aufgaben sowie rechenintensiven Analysen- und Simulationsaufgaben behaupten. Für die Steuerung der Fabrik der Zukunft sowie als Mittler zwischen Arbeitsplatzstationen und Zentralrechnern erweitert sich der Einsatz von Minicomputern, Fehlertolerante Systeme werden überwiegend aus Minicomputern gebildet werden.

Man kann davon ausgehen, daß Minicomputer mit steigender Leistung ihre heutige Leistung in den nächsten Jahren beibehalten. Eine Verdrängung durch Supermikros, die auf VLSI-Bausteinen der Massenfertigung basieren oder Universalrechner, die zu Architekturen der 60er Jahre kompatibel sein müssen, ist nicht zu erwarten.

Data General: Mini ist ein Mißgriff der Geschichte

Es steht jedem Hersteller frei, seine eigenen Definitionen zu verwenden, solange er sie als sinnvoll erachtet. Wir glauben jedoch, daß sich der Begriff "Mini" überlebt hat. Unser Präsident, Ed de Caestro hält die Bezeichnung Minicomputer für einen Mißgriff der Geschichte. Aber obwohl wir von einem Mißgriff reden, bezeichnen wir uns aber als Minicomputerhersteller.

Mitte bis Ende der sechziger Jahre boten etliche Firmen Computer an die deutlich kleiner waren als die herkömmlichen Großrechner. Zur gleichen Zeit war auch der Minirock modeln, deshalb hat man aus unserer Sicht den Begriff "Mini" über nommen. Inzwischen bietet Data General Mikrocomputer größerer Leistung als die damaligen Minis an. Dazu gehört die MV/10 000.

Man kann auch nicht sagen, "Mikros steht für 16 Bit und Minis für 32 Bit "! Die meisten üblichen Mikros haben heute noch 8 Bit oder 16 Bit; der 32 Bit Prozessor ist aber inzwischen kein technisches Problem mehr. Die Marktentwicklung geht eindeutig in Richtung der 32-Bit-Mikros.

Wie sie sehen, kann man keine genauen Grenzen ziehen. Oder kann uns jemand sagen, wie man die IBM 4341 klassifiziert: Als Mikro oder als Mini? Oder wo ordnet man den Ein-Chip-Prozessor, der mit einem Multiuser-Betriebssystem arbeitet, ein?

Hewlett-Packard: Keine Frage von 16-Bit oder 32-Bit

Bei der Positionierung der einzelnen Produktfamilien ist die Anwendung entscheidend. So entscheidet die für die jeweilige Anwendung notwendige Leistungsfähigkeit des Systems, der mögliche Integrationsgrad die geforderte Peripherie und die Ein- sowie Ausgabespezifikationen darüber, ob es sich um einen Mini oder Mikro handelt. Die CPU und die Rechnerklasse (16 Bit oder 32 Bit) ist in diesem Zusammenhang nicht relevant.

Honeywell Bull: Anschlußfähige Terminalzahl entscheidet

Der Markt gibt uns recht, daß sowohl für Mikros als auch für Superminis Bedarf vorhanden ist. Die heute verfügbaren Benjamine unter den Rechnern sind zum Teil noch nicht leistungsstark genug, um mehr als vier bis fünf Anwender simultan zu betreiben. Dagegen fangen Minicomputer bei dieser Terminalzahl erst an und sind durchaus in der Lage, mehr als 100 Terminalstationen zu bedienen.

Was nun den Großrechnereinsatz betrifft, so lohnt sich dieser erst ab zirka 50 Terminals. Insofern ist der Minirechner die ideale Ergänzung zum Großrechner, Darüber hinaus sind Minisysteme die tragenden Systemkomponenten von Datennetzen insbesondere wenn sie die Standard-Netzwerkarchitekturen unterstützen.

Alpha Micro: Begriff Mini ist überholt

Den Ausdruck Mini kann man unseres Erachtens nach streichen, weil er von seinem Anwendungsgebiet her keine Berechtigung mehr hat. Mini und Mikro haben sich ja nur durch die Technologie unterschieden. Beim Mikro lag eben der Mikroprozessor zugrunde und beim Mini gab es verschiedene Bausteine, die diese Funktion wahrgenommen haben. Diese technologischen Gegensätze haben sich heute aber verwischt, weil sowohl Minis als auch Mikros auf Mikroprozessoren beruhen.