Nobel-Nachfolge an der PTT-Spitze noch offen:

Minderheiten-Reigen will sich durchsetzen

27.03.1987

BERN (CWS) - Der Protest der Romands gegen die "Germanisierung" der Top-Jobs beim Bund zeigt Wirkung: Die Wahl des Nachfolgers von Guido Nobel als PTT-Generaldirektor ist vertagt worden. Der Bundesrat hat den Wahlausschuß des PTT-Verwaltungsrates angewiesen, nochmals die Bücher zu bearbeiten.

Auf dem Papier war alles klar: Einstimmig hatte der PTT-Verwaltungsrat dem Bundesrat den Aarauer Kreispostdirektor Willi Wacker als Nobels Nachfolger vorgeschlagen. Der von den Sozialdemokraten favorisierte Romand Michel Beguelin fand keine Gnade - mangelnde "Führungserfahrungen" lautete das Verdikt. Gleichzeitig wurde Beguelin, Sekretär des Schweizerischen Eisenbahnerverbandes (SEV), via "Neue Zürcher Zeitung" als Nachfolger von Werner Latscha, dem Präsidenten der SBB-Generaldirektion, ins Gespräch gebracht, "Führungserfahrung" hin oder her . . .

Kandidat Wacker, das macht den PTT-Vorschlag pikant, ist bereits zweimal als Bewerber um Positionen gescheitert, die ihm als Nobel-Nachfolger unterstehen würden - er wurde nicht Chef der Automobildienste und auch als Chef der Postdienste wurde er abgelehnt.

Als sich der PTT-Verwaltungsrat auf Wacker geeinigt hatte, hielt sich offenbar die Begeisterung einiger Bundesräte über diese Nomination in Grenzen. Jean-Pascal Delamuraz Chef des Eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartements, sah sich in diesem Fall mit einem Anliegen aus seiner Nationalratszeit konfrontiert: Er hatte sich - in der Romandie sehr beachtet - für eine bessere Vertretung der sprachlichen Minderheiten beim Bund stark gemacht. Zwar sind heute die Romands und die Tessiner in der Beamtenschaft prozentual korrekt vertreten. Das gilt aber nicht für Führungspositionen. Im Gegenteil sie haben gleich zwei "Errungenschaften" wieder abtreten müssen: An der Spitze der Bundesämter für Umweltschutz und Kulturpflege lösten Deutschschweizer je einen Tessiner und einen Romand ab.

Eisenbahner-Präsident soll kandidieren

Auch Bundesrat Otto Stich, Chef des Eidgenössischen Finanzdepartements, ist gegen die Kandidatur Wackers aktiv geworden. Nicht weil ihm der Kandidat Wacker nicht zusagen würde, sondern weil er - offenbar begründet - annehmen muß, daß die Sozialdemokraten, falls Wacker nicht doch durchdringt, Gefahr laufen, ihren Sitz in der PTT-Spitze zu verlieren. Stich versucht dem Vernehmen nach, den Präsidenten des Schweizerischen Eisenbahnerverbandes (SEV), Jean Clivaz, doch noch für eine Kandidatur zu gewinnen.