Die Hürden auf dem Weg zum System-Management

Millioneneinsatz ohne Garantie auf Erfolg

16.10.1998

Viel Ärger haben sich die Unternehmen mit der Client-Server-Welt ins Haus geholt. Auf die Fachabteilungen verteilte heterogene Landschaften prägen das Bild. Ohne Kontrolle durch die zentrale IT-Abteilung wurden Anschaffungen getätigt, die von den IT-Verantwortlichen nicht mehr zurückgenommen werden können und nun in die Unternehmens-DV integriert werden müssen.

Doch das alles sind Peanuts im Vergleich zu den Lösungen, die dieses Chaos zähmen sollen: "Das Management der dezentralen DV ist die umfangreichste und komplexeste verteilte Anwendung in fast allen Unternehmen", schreckte Michael Santifaller, Geschäftsführer der Santix Software GmbH in Unterschleißheim, die Teilnehmer der Konferenz "Sysworld 98" in Offenbach auf. Offenbar treiben IT-Abteilungen, die diesen Versuch unternehmen, den Teufel mit dem Beelzebub aus.

Santifallers behauptet, bislang gebe es in den Unternehmen nur SAPs R/3 als echte verteilte Anwendung. Der Aufwand bei der Einführung eines System-Management-Frameworks stehe aber der SAP-Implementierung in nichts nach.

Kontrolle und Transparenz in der gewachsenen IT-Landschaft haben also ihren Preis. Abhängig von der Größe der Installation sind Aufwendungen in Höhe von drei bis zehn Millionen Mark keine Seltenheit, wobei die Lizenzkosten den geringsten Anteil ausmachen. "Jede in Produkte investierte Mark zieht Kosten für Konzeption und Implementierung von neun Mark nach sich", warnt Holger Schellhaas, Berater bei der Diebold Deutschland GmbH.

Der IT-Manager steht also vor einer schwierigen Situation. Auf der einen Seite drücken die ausufernden Kosten und das kaum noch zu beherrschende Wirwarr der heterogenen DV-Landschaft. Auf der anderen Seite bereiten die enormen Investitionen in eine komplexe Management-Umgebung Kopfzerbrechen. Zu allem Überfluß schrecken schlechte Umfrageergebnisse unter Anwendern mit begonnenen System-Management-Vorhaben ab.

Bei 70 Prozent aller erworbenen System-Management-Software handelt es sich laut Adolf Dörig, Partner der Arthur Anderson AG in Zürich, um Proukte die gekauft wurden und im Regal verstauben (Shelfware). Von den verbleibenden 30 Prozent sind sieben von zehn Projekten ernsthaft gefährdet.

Um die Millionen-Investitionen nicht leichtfertig aufs Spiel zu setzen, sind also umfangreiche Vorbereitungen erforderlich. "Vor jeder Einführung steht die Risikoanalyse", rät Diebold-Manager Schellhaas. Gefahren wie Chancen müssen ermittelt und beurteilt werden. Die Möglichkeiten können Marktchancen verbessern, indem Platz für weitere IT-Dienstleistungen und somit Kapazitäten für eine schnelle DV-basierte Begleitung neuer Geschäftsideen entstehen.

Zu den weiteren Hausaufgaben, die vor jedem Handgriff an einer Management-Plattform erledigt sein müssen, zählt in jedem Fall die genaue Analyse der vorhandenen IT. Sie beinhaltet die Bestandsaufnahme der eingesetzten Geräte, Software, Systemumgebungen sowie Verbindungswege und vor allem unternehmenskritische Applikationen und Datenhaltungssysteme. Diese Inventur ist allerdings nur die Basis für alle nachgeordneten Arbeiten. Wer hier oberflächlich arbeitet, beschneidet die Management-Möglichkeiten der IT auf die reine Verwaltung des DV-Equipments. Die eigentliche Stärke derartiger Projekte, die Verbesserung der Geschäftsprozesse, käme zu kurz.

Entscheidend für den Erfolg der Implementierungen ist die genaue Kenntnis der Abläufe. Nur wenige Meldungen verzeichnete Arthur-Andersen-Partner Dörig auf seine Frage: "Wer kennt die Ertragsrechnung seines Unternehmens?" Das Wissen um die organisatorischen Abläufe, die Zulieferketten sowie Verbindungen zu Partnern vereinfacht die Bewertung der zur Verfügung stehenden IT.

Aus dieser Kenntnis heraus ergeben sich Fragen, die das Projekt weitertreiben: Was soll mit dem System-Management erreicht werden? Welche Konsequenzen hat die Einführung auf die Arbeitsweise in der IT-Abteilung? Welchen Mehrwert schaffen die Lösungen für das Geschäft? Welche Kosteneinsparungen stehen den Investitionen gegenüber?

Die Anworten führen zwangsläufig zur Entscheidungshilfe bei der technischen Realisierung. Dort gilt es, logische Benutzergruppen zu bilden, Parameter zu definieren und Filtermechanismen zu vereinbaren. Ein Unternehmen mit geschäftsbedingt unterschiedlich konfigurierten Arbeitsplätzen etwa wird sich schwertun, Softwareverteilung effektiv zu automatisieren. Fehlermeldungen im SAP-System sind kritischer als Speicherplatzprobleme auf einem Arbeitsplatz-PC.

Gelingt die Umsetzung des Vorhabens, locken Verbesserungen, die auch den Finanzchef des Unternehmens besänftigen können. Idealerweise (in der Praxis selten) gibt es Berechnungen darüber, wie hoch die Kosten für die IT vor dem Projekt waren. Sie lassen sich dann mit den Aufwendungen nach der Einführung vergleichen. Wenn diese Daten, wie von allen Anbietern versprochen, tatsächlich für die neue Umgebung sprechen, wird die gesamte Projektgruppe kollektives Schulterklopfen einheimsen.

Es gibt aber noch andere Maßstäbe für den Erfolg eines Verwaltungsplattform. Ein Projekt zur Daten- und Softwaredistribution bei der Hamburg-Mannheimer Versicherungs AG, Hamburg, zielte etwa darauf ab, den Außendienstmitarbeitern Informationen vor Ort zur Verfügung zu stellen. Die Versicherungsvertreter haben dadurch die Möglichkeit, schon während des Gesprächs mit dem Kunden Vertragsbedingungen auszurechnen und Versicherungen abzuschließen. "Viele Projekte müssen einfach durchgezogen werden, weil Anwender und der Markt sie fordern", meint Harald Muth, Projektleiter bei dem norddeutschen Versicherungskonzern.

Obwohl die Werkzeuge theoretisch immer die IT-Abteilung rationalisieren, sind derartige Effekte oftmals nur Wunschträume. So beklagte ein Teilnehmer der Konferenz eine kaum zu bewältigende Informationsflut, die infolge einer Openview-Installation über die Mitarbeiter hereinbrach. Überraschenderweise lieferte die Plattform Zustandsmeldungen aus der IT-Umgebung, von deren Existenz seine Abteilung zuvor keine Kenntnis hatte.

Andere Projekte erbrachten gegenläufige Erfahrungen. Der Egmont Ehapa Verlag sparte im User-Helpdesk durch die Installation eines "Unicenter"-gestützten Systems 20 bis 30 Prozent Arbeitszeit. Positive Nebenwirkungen erzielten jedoch beide Projekte. Waren es im Falle der Hamburg-Mannheimer Openview-Installation Verbesserungen bei der IT-Verfügbarkeit, nutzt der Egmont-Ehapa-Verlags freie Ressourcen zur Mitarbeiterschulung.

Beide Projekte wirken sich wirtschaftlich aus, wenn auch nicht unmittelbar. Sind Geschäftsprozesse, Kundenkontakte oder Verkaufsmodelle direkt auf den Zugriff von DV-Equipment angewiesen, ermöglichen höhere Maschinenlaufzeit Mehreinnahmen im Kerngeschäft. In anderen Fällen, wo durch Plattformen Mitarbeiterressourcen freiwerden, lassen sich geschäftsfördernde Wünsche der Fachabteilungen schneller erfüllen. Diese Möglichkeiten sind bei der anfänglichen Risikoanalyse unter Rubrik Chancen zu verbuchen. Sie verpflichten zur intensiven Vorbereitung, so daß die Gefahr des Scheiterns kleiner wird.