M.I.P.S. analysiert britischen Home-Computer-Markt:

Mikros bald so alltäglich wie das Telefon

09.12.1983

Der Home-Computer-Boom hat Großbritannien erfaßt. Längst ist der Rechner nicht mehr ausschließlich dem Einsatz im Berufsleben vorbehalten. Auch der Laie hat ihn für seine privaten Zwecke entdeckt. Die Situation auf dem einheimischen Markt schildert Simon Pearce, Senior Consultant des Microcomputer Industry Planning Service (M.I.P.S.) der IDC Europa Limited, London.

Die Wachstumszahlen des britischen Marktes zeigen, daß der Homecomputer bis zum Ende dieses Jahrhunderts wohl in den meisten Haushalten Einzug halten dürfte. Es ist abzusehen, daß er in naher Zukunft ein ebenso alltäglicher Gebrauchsgegenstand sein wird wie Fernseher, Taschenrechner oder Telefon.

Wieviel Zeit aber für eine derartige Marktdurchdringung anzusetzen ist, hängt von den kulturellen, wirtschaftlichen und technologischen Begleitumständen ab.

Für eine bessere Chance im Leben

Entscheidend für die Entwicklung der Homecomputer-Branche war der Zeitraum 1980 bis 1982. In dieser Zeit spiegelten die Verkaufszahlen aber nur den Wunsch vieler Jugendlicher wider, den Flipper-Salon nach Hause zu verlegen. Diesem Trend wollten die Hersteller entgegenkommen, doch ihre Rechnung ging zunächst nicht auf: Die Eltern, also die eigentlichen Käufer, bescheinigten solchem "Spielzeug" nur geringen pädagogischen Wert und konnten sich dafür nicht erwärmen.

Das Blatt wendete sich erst, als die Anbieter einen Spiel-Computer herausbrachten, der erschwinglich war. Zwar konnten die für den Einsatz zu Hause konzipierten Produkte mit dem kommerziellen Angebot in den Spielhallen, was den Spaß anlangte, nicht so recht konkurrieren, dafür waren sie aber auch wesentlich billiger.

Das Engagement der einheimischen Anwender begünstigte den Wettbewerb und damit die weitere Entwicklung des Marktes, was zu weiteren Preissenkungen führte. Eine entscheidende Rolle spielte die Mundpropaganda: Die Benutzer entpuppten sich als die besten "Vertriebsleute" der Homecomputer-Anbieter, indem sie Freunde und Verwandte mit ihren "Spielzeugen" bekannt machten.

Einen weiteren Aufschwung konnte der Homecomputer für sich verbuchen, als die Regierung beschloß, für den Schuleinsatz Rechner anzuschaffen. Damit konzentrierte sich nun auch das Interesse der Massenmedien auf diese Produkte.

Mundpropaganda kurbelt Interesse an

Zwar gibt es bereits jetzt einen breiten potentiellen Markt für Homecomputer, doch sieht die große Mehrheit der westeuropäischen Haushalte trotz der vielfältigen Anwendungsmöglichkeiten den Gerätepreis immer noch nicht als gerechtfertigt an. Entscheidend für einen weiteren Aufwärtstrend des Marktes seien wesentliche Funktionserweiterungen: Neue attraktive Anwendungen werden es dennoch sein, die bessere Verkaufszahlen bringen.

Der heutige Homecomputer läßt sich mit den Fähigkeiten des Busineß Mikro vergleichen, der vor zwei Jahren freigegeben wurde. Er arbeitet mit 8-Bit-Mikroprozessoren und verfügt über einen RAM-Speicher mit 16 KB bis 64 KB Kapazität. Schnelle Antwortzeiten, externe Speicher sowie Drucker sind vergleichsweise noch teuer. Für die nächsten Jahre erwarten Experten bessere Geräte zu günstigeren Kosten, konkret: 16Bit-Mikroprozessor-Homecomputer-Systeme mit 1 MB RAM sollen mit 5 MB Externspeicher und Drucker für weniger als 1 000 US-Dollar zu haben sein. Diese Verbesserung der Produkte ermögliche wiederum ein breiteres Angebot an "hochtechnologischen" Spielen und Ausbildungs-Paketen.

Kosten scheinen noch nicht gerechtfertigt

Der Homecomputer der Zukunft muß mehr leisten. Der Hauptschlüssel für ein weiteres Wachstum der Mikrocomputerbranche liegt in wachsenden Kommunikationsmöglichkeiten, zum Beispiel der Zugriffsmöglichkeit auf öffentliche und private Datenbanken über Videotex. Hier hängt die Entwicklung jedoch vom Vorgehen der britischen Regierung und von den Post-Organisationen ab. Gibt es erst einmal für Homecomputer ein öffentliches Netzwerk wie Prestel in Großbritannien oder Bildschirmtext in der Bundesrepublik Deutschland, sind die möglichen Anwendungsbereiche für Home Computer als billige intelligente Terminals sehr groß.

Ein weiterer wichtiger Punkt für verbesserte Marktakzeptanz des Home Computer ist, sie von der Stromversorgung per Steckdose unabhängig zu machen. Ein tragbares Gerät anbieten zu können, wird schon bald entscheidend für den Erfolg auf diesem Markt sein.

Den Homecomputer als Massenware zu produzieren ist neben Vorteilen auch mit Gefahren für die Hersteller verbunden. Sie sollten auf keinen Fall zu leichtsinnig sein, wenn es um die langfristigen Chancen ihres Unternehmens auf dem Markt geht. Besonders die hohe Preisintensität zwingt sie dazu, ihre Kosten auf ein Minimum zu reduzieren, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Erforderlich sind also Massenproduktion und stetige Erhaltung des Marktanteils - außer es ist ein ausreichendes finanzielles Polster vorhanden, das kurzfristige Einbußen leichter überwinden läßt. Ein nicht international aktiver Hersteller hat auf diesem Markt keine großen Zukunftschancen, es sei denn er kann mit Hilfe der Regierung eine Marktlücke für sich auftun.

Gilt die starke Präsenz auf dem einheimischen Markt auch als Hauptvorteil der britischen Hersteller, so können sich doch auch Amerikaner und Japaner ein großes Stück vom britischen Kuchen abschneiden. Diesen Unternehmen kommt dabei zugute, daß sie viel eher die Möglichkeit haben, kurzfristige Verluste aufzufangen und durchzuhalten, bis die nicht so finanzkräftige Konkurrenz die Segel streichen muß.

Unternehmen, die in diesen Markt einsteigen wollen, sollten genau durchdenken, wie lange eine Durststrecke dauern kann, bis sie schwarze Zahlen schreiben.