Erleichterte Suche nach Medikamenten

Mikrofilm kann den CD-ROM-Siegeszug nicht aufhalten

24.08.1990

Dipl.-Volkswirtin Silvia Parthier arbeitet als freie Journalistin und DV-Beraterin in Eichenau bei München.

Noch werden in den meisten Apotheken die Waren auf Mikrofilm katalogisiert. Wollen aber Pharmazeuten ein Medikament nicht über seinen Namen suchen, sondern über Festpreise oder Indikationen, hilft ihnen das starre optische Lesesystem nicht weiter. Deshalb haben bereits 4500 Apotheken den Mikrofilm durch die CD-ROM ersetzt.

Auf der Suche nach Informationen sind Kataloge oder Nachschlagewerke auch heute immer noch das beliebteste Medium. Diese lästige Stöberei gehört jedoch für einige fortschrittliche Anwender bereits der Vergangenheit an. CD-ROMs haben sich als geeignetes Medium erwiesen, Daten nicht nur in aktueller und kompakter Form vorzufinden, sondern zugleich die Suche zu vereinfachen und zu beschleunigen.

Das optische Speichermedium CD-ROM (Compact Disk - Read Only Memory) wurde im Jahr 1985 in Europa eingeführt. Auf eine einzige Compact Disk passen rund 600 MB digitalisierte Daten, und zwar Text, Ton und Bild. Das entspricht etwa 270 000 beschriebenen Schreibmaschinenseiten oder einer zehn Meter langen Reihe von Nachschlagewerken. Als die Hersteller die neue Technologie vorstellten, boten sie diese in erster Linie Verlagen, die Nachschlagewerke veröffentlichen, und Betreibern von Datenbanken an. Diese Zielgruppe stand aber vor dem Problem, daß sich ein CD-ROM-Angebot ohne eine Installationsbasis von CD-ROM-Laufwerken nicht lohnt.

In letzter Zeit steigende Absatzzahlen

Andererseits zahlt sich der Kauf eines CD-ROM-Laufwerks für Anwender nicht aus, solange es keine Applikationen gibt. Erst in den letzten beiden Jahren wurde erkannt, daß die CD-ROM das geeignete Dokumentationsmedium für geschlossene Benutzergruppen ist. Unter geschlossenen Benutzergruppen versteht man Anwender wie etwa Versicherungen, Banken, Industriezweige oder Konzerne, die ihren Mitarbeitern oder Partnern umfangreiche Informationen zur Verfügung stellen müssen.

Der Markt ist in den letzten Monaten geradezu explodiert. CD-ROM-Marktführer Bertelsmann Electronic Printing Service (eps) aus Gütersloh lieferte im Geschäftsjahr 1988/89 bescheidene 35 000 CDs aus; von Juli 1989 bis Juni 1990 hingegen stieg die Auslieferungszahl auf 125 000 an, ein Plus also von 250 Prozent. Die Wachstumsprognosen für den CD-ROM-Markt sind denn auch uneingeschränkt positiv. Das amerikanische Marktforschungs-Unternehmen CMC Research Inc. erwartet für das laufende Jahr in Deutschland einen Umsatzsprung auf sogar 420 000 CDs.

Zu den Pionieren der CD-ROM-Technik zählt die Siemens AG, die das neue Speichermedium unternehmensintern einsetzt. Der Konzern versorgt seine Betriebe von der Münchner Zentrale aus mit Richtlinien für den Bestell- und Abrechnungsverkehr sowie für die Abwicklung von Angeboten und Aufträgen, des weiteren mit Zoll- und Embargovorschriften und den allgemeinen Regeln für den Geschäftsverkehr. Ein Beispiel ist "Silverdat", eine Datenbank auf CD-ROM für die Automobilindustrie.

Sie enthält Daten über sämtliche gängigen Fahrzeugtypen und deren Ersatzteile sowie Grundlagen für Schätzungen durch Sachverständige. "Pirelli" heißt eine Datenbank des gleichnamigen Reifenherstellers - sie hilft dem Reifenhandel bei der Frage, welcher Reifen für welchen Autotyp zugelassen ist. Auch die Schweizer Post hat ihre 18 Telefonbücher mit rund drei Millionen Eintragungen auf eine CD-ROM namens "Twixtel" gepreßt. Das Verzeichnis aller in Deutschland lieferbaren Bücher gibt es mittlerweile ebenfalls als CD-ROM-Ausgabe. In vielen Büros stellt die CD-ROM, die Telex- und Telefax-Nummern und teilweise sogar nähere Informationen über die aufgelisteten Firmen enthält, eine große Hilfe dar.

Mittlerweile findet die CD-ROM aber auch Zuspruch als Nachschlagemedium, einem Einsatzgebiet, auf dem sie zunächst verschmäht wurde. Ein Beispiel für diesen Anwendungsbereich ist Tourbase von Comcenter Disc & Database (Darmstadt). Hier stellt das neue Speichermedium ein Hilfsmittel für alle dar, die häufig Reisen organisieren müssen. Auf einer CD sind Informationen, über derzeit 4421 Touristik- und Kongreßorte sowie über 35 928 Übernachtungsmöglichkeiten aller Kategorien in Deutschland gespeichert.

Ein Beispiel für die kommerzielle Anwendung in einer geschlossenen Benutzergruppe ist der Einsatz der CD-ROM in Apotheken. Dort beginnt sie, den Mikrofilm abzulösen. Das Nürnberger Unternehmen Pharma Daig & Lauer, das auf Datenaufbereitung spezialisiert ist, stellt rund 4500 Apothekern alle 14 Tage neueste Informationen aus der Lauer-Taxe auf einer CD-R0M zur Verfügung, die Grundlage für die Abrechnung der Apotheker mit den Krankenkassen ist. Bei der Lauer-Taxe handelt es sich um das Preisverzeichnis aller auf dem Markt befindlichen Arzneimittel. Zur Zeit sind dies 120 000 Artikel. Diese Liste wird in Zusammenarbeit mit dem Bundesverband der Deutschen Apotheker erstellt.

Außerdem enthält die CD-ROM eine zweite Datenbank, die in Zusammenarbeit mit dem ABDA erstellt wird. Während die Lauer-Taxe alle wirtschaftlichen Daten enthält, finden sich in der zweiten Datenbank wissenschaftliche Daten in einer Indikations- und Interaktionsdatei. Dazu gehören die Indikationen von Medikamenten, Gegenindikationen und Wechselwirkungen. Da die Daten stets auf dem neuesten Stand sein müssen, erscheint alle zwei Wochen eine Neuauflage mit rund 1000 Änderungen. Sie umfaßt neue Produkte ebenso wie Preise, aber auch Hinweise auf Änderungen der Verschreibungs- oder Rezeptpflicht.

Pharma Daig verarbeitet die anfallenden Änderungen auf einem IBM-PC mit der Software "CD-Cobra" von eps. Das Programm ist Netzwerk-fähig und mittlerweile auch für Unix-Systeme, den Machintosh und die Atari-ST-Familie verfügbar.

CD-Cobra besteht aus mehreren Modulen. Von diesen Modulen übernimmt CD-Design die Datenaufbereitung. Mit der Funktion Screen-Design beispielsweise entwickelt man

Suchmasken und Ausgabefenster mit Grafiken. Für die Datenbank können Suchschlüssel angelegt werden. Sind die Suchschlüssel vergeben und die Daten in das Cobra-Input-Format, die endgültige Form, gebracht, wird der Indexierungslauf gestartet. Pharma Daig schickt die Daten anschließend auf einem Magnetband im 14tägigen Turnus abwechselnd zur Gütersloher Firma Sonopress beziehungsweise zu Philips-DuPont. Dort erfolgt das Pre-Mastering und die Pressung der CD-ROMs. Die CDs werden dann von Nürnberg aus an Apotheken im gesamten Bundesgebiet verschickt.

Pharma Daig betreut derzeit in Deutschland 12 000 Mikrofilmkunden und rund 4500 CD-ROM-Anwender. Für die Zielgruppe der CD-Anwender gibt es neben dem Lieferservice auch noch einen technischen Service. Dieser umfaßt die Installation und Wartung des Personal Computers und des optischen Laufwerks. Die CD-Anwendung setzt beide Teile voraus.

Der CD-Service mit der 14tägigen Lieferung der CD-ROM kostet die Apotheken im Monat 89,80 Mark. In diesem Preis ist nicht nur die Anlieferung der beiden CDs enthalten, sondern auch die gesamte Datenpflege und ein Heft, das sämtliche Änderungen der jeweiligen Lieferung noch einmal schriftlich dokumentiert. Auf Wunsch wird die alte CD-ROM zurückgenommen. Erfahrungsgemäß verbleibt sie jedoch zunächst in den Apotheken. Das liegt an der rückwirkenden Abrechnung. Die Apotheker müssen den Krankenkassen die Medikamente zu dem Preis berechnen, der am Tag der Rezepteinlösung wirksam war. Dazu ist es notwendig, die CD noch so lange in den Apotheken zu belassen, bis der Apotheker seine, gesamten Abrechnungen erstellt hat.

Die etwas billigere, Mikrofilm-Anwendung wird den verstärkten Einsatz der CD-ROM nicht aufhalten können. Der Hauptvorteil der CD-ROM gegenüber dem starren, als Lesesystem gedachten Mikrofilm liegt darin, daß die Apotheker nach bestimmten Kriterien, etwa nach Festpreisen oder Indikationen, suchen können. Außerdem lassen sich die Daten in ein Warenwirtschafts-System übernehmen. Zugleich bietet die CD-ROM-Lösung eine optimale Datensicherheit. Die Daten müssen nur einmal erstellt werden; sie sind auf jeder CD gleich und die CD ist leicht austauschbar. Probleme, wie etwa bei Disketten mit fehlerhaften Sektoren, tauchen erst gar nicht auf.

Im Moment arbeitet Pharma Daig an einer Erweiterung der Informationen auf der CD-ROM. Es ist geplant, zusätzlich herstellerspezifische Angaben aufzunehmen.

Außerdem soll die sogenannte "Rote Liste" auf dem Datenträger Platz finden. Mit Hilfe dieser Liste können Ärzte aufgrund ihrer Indikation zu verordnende Präparate ermitteln. Derzeit ist von der 200-MB-Kapazität der Apotheken-CD-ROM nur etwa ein Drittel belegt.