Analyse von Österreichs Elektronikzukunft bis 1990:

Mikro-Elektronik macht Makro-Ökonomie

22.01.1982

WIEN (eks) Einen wichtigen Beitrag zur Diskussion über Möglichkeiten und Gefahren der Mikroelektronik in Österreich liefert die zum Jahreswechsel erschienene Studie "Mikroelektronik - Anwendung, Verbreitung und Auswirkungen am Beispiel Österreichs". Ein Projektteam unter Leitung von Dr. Norbert Roszenich stellte umfangreiches Datenmaterial über Österreichs Position im internationalen Elektronik-Wettbewerb zusammen und erarbeitete differenzierte Modelle zur Bewertung von Alternativen der Forschungs-, Investitions- und Sozialpolitik.

An der Spitze stehen Aussagen der OECD, die aus elf bereits vorliegenden nationalen Mikroelektronikstudien gewonnen wurden:

- Mikroelektronik erlangt wachsende Bedeutung für alle Sektoren des Wirtschaftsgeschehens.

- Durch Mikroelektronik kurzfristig bewirkte Veränderungen werden größere Auswirkungen auf Qualifikationsniveaus und Organisationsstrukturen haben als auf Beschäftigtenzahlen.

- Eine niedrige Stufe der Mikroelecktronik-Anwendung kann wach sende Wettbewerbsnachteile für die Volkswirtschaft nach sich ziehen Diese haben dann gefährlichere beschäftigungspolitische Auswirkungen, als unmittelbar am Arbeitsmarkt zu befürchten sind. Dies gilt für jedes beliebige Land.

- Mikroelektronik eröffnet ein Potential zur Verbesserung der Lebensqualität, doch gibt es keine Garantie, daß diese Vorteile "automatisch" realisiert werden.

Elektronik-Produktion zwischen 1978 und 1985

Um zwei Drittel wird die Produktion elektronischer Geräte in der westlichen Welt (Weltproduktion minus RGW und VR China) zwischen 1978 und 1985 zunehmen. Beim absoluten Produktionswert werden Daten- und Nachrichtentechnik am stärksten zulegen, prozentual Datentechnik und Freizeitelektronik. Regional gibt es bedeutende Unterschiede. In Westeuropa werden Nachrichtentechnik, Haushalts- und Kfz-Elektronik stärker wachsen als in den USA oder Japan. Die USA hingegen werden die Produktion in Daten- sowie Meß- und Regelungstechnik am stärksten ausweiten. Und Japan wächst am meisten bei der Freizeit- und Unterhaltungselektronik. (Tabelle 1).

Während sich der Markt für elektronische Bauelemente der Studie zufolge insgesamt etwa gleich entwickelt wie die Geräteproduktion erwartet man für integrierte monolithische Schaltungen wesentlich höhere Zunahmen. Spitzenreiter dabei sind Autoelektronik und Energietechnik, die sich fast verdreifachen werden, allerdings ausgehend von derzeit sehr geringen Anteilen.

In Österreich sind mit 36 Prozent beziehungsweise 25 Prozent des Produktionswertes Unterhaltungselektronik und Energietechnik am stärksten ausgebildet. Die besonders rasch wachsenden Sparten der Daten- und Nachrichtentechnik sind unterrepräsentiert. Dies hat sich 1981 leider nur relativ verändert. Mit dem Konkurs von Eumig ist ein wesentlicher Hersteller von Unterhaltungs- und Freizeitelektronik ausgefallen. Mit insgesamt 22 Milliarden Schilling, das sind 0,75 Prozent des Wertes der Elektronikproduktion der westlichen Welt, hängt Österreichs Elektronikbranche deutlich hinter der übrigen Industrie zurück.

Die Bundesrepublik Deutschland verbrauchte 1978 mehr als ein Drittel der in Europa verkauften integrierten Schaltungen, Österreich knapp 2 Prozent. Am weitesten bei der Verwendung von Mikroelektronik ist Italien. Vor allem auf Grund der Taschenrechnerproduktion entfällt fast 3 Prozent der Elektronik-Produktionswertes auf integrierte Schaltungen. Österreich liegt mit knapp unter 2 Prozent im europäischen Mittelfeld, am Ende die Benelux-Länder mit 1 Prozent. Die bedeutendsten Lieferfirmen für integrierte Schaltungen in Europa 1978:

- Philips (17 Prozent)

- Texas Instruments (15 Prozent)

- Siemens (11 Prozent)

Um Informationen über Einsatz und Auswirkungen der Mikroelektronik im Bereich der Industrie zu gewinnen, wurde 1979 eine Umfrage durchgeführt. Die beteiligten Firmen repräsentierten etwa ein Drittel der Industriebeschäftigten und fast 40 Prozent der Industrieumsätze.

Österreichs Elektronik passiv

Mikroelektronik im Produkt meldeten nur Betriebe der Maschinen-, Metall- und Elektroindustrie. Verhältnismäßig starker Einsatz im Produktionsprozeß war in der Textil-, Papier- und chemischen Industrie zu beobachten. Aber 40 Prozent der Firmen setzten weder bei den erzeugten Produkten noch im Herstellungsprozeß Mikroelektronik ein.

Bei der Bauelementeproduktion liegt das Schwergewicht mit 62 Prozent des Wertes auf passiven Bauelementen (zum Beispiel Widerstände, Trafos, Relais), bei denen bis 1985 weltweit eine Produktionssteigerung von 5 Prozent erwartet wird. Den zweiten Schwerpunkt bilden Röhren (ohne Bildröhren) mit einem Anteil von 29 Prozent und einer Wachstumserwartung von gar nur 3 Prozent jährlich.

Integrierte Schaltungen hingegen, die eine Zunahme von fast 15 Prozent haben, stellte Österreich 1979 überhaupt nicht her. Das hat sich seither allerdings geändert. Das Siemens-Bauelementewerk in Villach und die Aktivitäten der Voest verbessern Österreichs Situation.

Der Bericht gibt der heimischen Produktion von integrierten Schaltungen Chancen in zwei Richtungen. Einerseits bei Ausrichtung auf den europäischen, besser noch auf den Weltmarkt. Und andererseits bei der Ausnutzung von Marktnischen wie zum Beispiel Schaltungen für tragbare Geräte, aggressive Umgebungen Medizintechnik und Sensortechnik.

Die Bildschirmgerätedichte wird als Maß für die Anwendung der Mikroelektronik im Bürobereich angesehen. Weniger als 100 Beschäftigte auf ein Terminal kamen 1980 bereits in den Industriezweigen Chemie, Papier, Maschinen, Elektro sowie im grafischen Gewerbe. Am wenigsten von Büroautomation hielt die Holzindustrie (351 Mitarbeiter/Terminal). Von insgesamt 177 Beschäftigten je Gerät wird der Einsatz auf 71 im Jahr 1985 steigen. Für dieses Jahr werden etwa 45 000 Bildschirme in Österreich erwartet (heute zirka 22 000).

Arbeitsmarkt verkraftet Büroautomation

Durch die Büroautomation im Bereich der Industrie scheinen etwa 8 Prozent der Arbeitsleistung insgesamt einsparbar. Dieses Potential war 1979 zu etwa einem Fünftel genützt. Dies soll bis 1985 auf die Hälfte steigen. Daraus und aus dem übrigen arbeitssparenden Effekt der Mikroelektronik ergibt sich ein Rationalisierungseffekt von etwa 2 Prozent jährlich. Dies scheint dem Projektteam durch Produktivitätswachstum und Umschichtung zu arbeitsintensiven Sparten beherrschbar.

Ein Stillstand oder gar Rückgang des Mikroelektronik-Einsatzes dürfte nicht ratsam sein. Denn Unternehmen, die keine Mikroelektronik einsetzen erwarten ein deutlich niedrigeres Wachstum (Tabelle 2).