Montage-Profi mit Pilotinstallation von SAP R3

Migration vom IBM-Mainframe auf Nixdorf-Targon und HP 9000

02.10.1992

Die beiden aktuellen Entwicklungslinien der Information Technologie - das allmähliche Ablösen der Großrechnerzentrierten DV durch Client-Server-Konfigurationen und der Wechsel von proprietären zu offenen Systemen - lassen sich am Beispiel des Schraubenspezialisten Würth exemplarisch nachvollziehen. Das weltweit aktive Unternehmen aus dem schwäbischen Künzelsau zählt hierbei wohl zu den Vorreitern seiner Branche.

Ihren Umsatz von nahezu 2 5 Milliarden Mark im Jahre 1990 erwirtschaftete die Würth-Gruppe im Geschäft mit über einer Million Kunden. Dazu waren fast sechs Millionen Aufträge mit einem durchschnittlichen Wert von 425 Mark abzuwickeln. Das allein verweist bereits auf ganz außergewöhnliche Anforderungen an die DV.

Ein weiteres Merkmal des Unternehmens ist die dezentrale Struktur mit dem Stammhaus Adolf Würth GmbH & Co. KG und seinen heute 38 Niederlassungen sowie der Würth-Holding mit ihren insgesamt 80 nationalen und internationalen Gesellschaften, Mehrheitsbeteiligungen und "allied Companies".

Wegen der raschen Entwicklung des Unternehmens durch eigenes Wachstum, Beteiligungen und Übernahmen entstand eine sehr heterogene Organisations- und DV-Struktur. Während das Geschäftsvolumen der Würth KG bereits in den frühen 70er Jahren den Einsatz von Großrechnern rechtfertigte, bildeten sich in den einzelnen, sehr selbständig agierenden Konzerngesellschaften der Würth-Holding Lösungen auf der Basis von Computern der mittleren Datentechnik: Die Österreichische Tochter setzte als erstes Unternehmen der Gruppe anfangs der 80er Jahre auf Nixdorf 8870; andere Gesellschaften zogen nach.

Zwischen Würth und Nixdorf entstand in der Folge eine enge Zusammenarbeit. So war Würth beispielsweise im Zeitraum 1986/87 Pilotanwender für das Nixdorf-Datenbanksystem DDB4. Dabei flossen zahlreiche Anforderungen und Besonderheiten des Tagesgeschäfts bei Würth - beispielsweise die Verwaltung sehr großer Artikelpositionen - als Anregungen in die Weiterentwicklung der Datenbank ein und finden sich dort als Leistungsmerkmale wieder. In diesen Zeitraum fällt auch die erste Beschäftigung Würths mit offenen Systemen: Business-Basic-Applikationen wurden von der 8870 auf Nixdorf Targon unter Unix portiert und in der Folge auch einige 8870 durch Targon-Installationen abgelöst. "Wir hatten eine heterogene Hardwarewelt und wollten auf ein Betriebssystem setzen, das uns den größten Spielraum ermöglichen sollte', beschreibt Harald Unkelbach, Mitglied der Geschäftsleitung der Würth KG, den Schritt in Richtung Unix, der sich viele Jahre später als weitsichtig herausstellen sollte.

Die Übernahme des Nixdorf-Konzerns durch Siemens warf nicht nur Fragen zur Zukunft der Hardwareplattformen auf Ganz dezidiert wurde den DDB4-Anwendern eröffnet, daß dieses Datenbanksystem für SNI kein strategisches Produkt sei. "Wir hatten kaum noch eine Zukunftsperspektive, da unser Hersteller nicht sagen konnte, wie DDB4 weiterentwickelt werden würde und ob es das Datenbanksystem Oberhaupt noch geben würde", so Unkelbach.

Dieser Schock forcierte die Entscheidung, die Zukunft der Informationstechnologie für die gesamte Würth-Gruppe auf eine neue Basis zu stellen: offene, herstellerübergreifende Systeme auf der Basis von Normen und Industriestandards mit den Zielen Maschinen. und Datenbankunabhängigkeit. Dank der bereits Mitte der 80er Jahre in der Holding entwickelten und später neu konzipierten Unix-Anwendungssoftware für die Targon-Maschinen war die Migration für Würth kein Neuland mehr.

Die Auswahl der künftigen Plattformen konnte sofort unter realistischen Bedingungen - mit aussagekräftigen für den DV-Einsatz bei Würth typischen Benchmark Tests - in Angriff genommen werden.

Aus unternehmensstrategischen Gründen - der Hersteller sollte wirklich weltweit, also auch im Osten, präsent sein, was 1990 ja noch keine Selbstverständlichkeit war - wurden hardwareseitig SNI-MX, SNI-Targon, IBM-RS/6000 und HP 9000, Serie 8000, herangezogen.

Die Grobauswahl der Datenbanksysteme ergab als Testteilnehmer Adabas, DDB4, Informix, Ingres und Oracle, wobei Oracle bereits in einer recht frühen Phase als weniger geeignet ausschied. Würth testete schließlich jede Datenbank auf jeder Hardware. Dabei war DDB4 "immer noch die schnellste", so Heckel; als beste Alternative dazu erwies sich Informix.

Hardwareseitig lagen die IBM- und HP-Plattformen leistungsmäßig in etwa gleichauf. Durch günstigere Konditionen und höhere Flexibilität vor allem bei den Wartungskosten entschied letztendlich das Preis-Leistungs-Verhältnis zugunsten von Hewlett-Packard. Im Rahmen der nächsten zwei bis drei Jahre beabsichtigt die Würth-Holding, etwa 100 HP 9000, Serie 800, zu installieren; die Investition dürfte rund 10 Millionen Mark betragen.

Für die Datenverarbeitung der KG bedeutet dies langfristig die Ablösung der gewachsenen Mainframe-Welt rund um den IBM-, später Comparex-Großrechner mit ihrer "zersplitterten Hardware-Infrastruktur", so DV-Leiter Heckel, durch eine Client-Server-Konfiguration mit einer einheitlichen Software-Architektur.

Mittlerweile ist es auch kein Geheimnis mehr, daß Würth zu den Pilotanwendern der neuen Softwaregeneration System R/3 der SAP AG zählt. Auf einer HP 9000, Modell 827, werden zur Zeit R/3-Module mit Massendaten unter realitätsnahen Bedingungen - zum Beispiel Erfassung von 4000 Aufträgen pro Tag - getestet

Den Produktionsbetrieb soll das erste R/3-Modul - als Ablösung einer IBM AS/400 - pünktlich am 1. Januar 1993 aufnehmen.