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Microstrategy schockiert mit falschen Bilanzen

21.03.2000
Umsatzkorrektur von 50 Millionen Dollar

Von CW-Redakteur Sascha Alexander

MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) - Einen Sturz der Aktie um 140 Dollar beziehungsweise 61,7 Prozent war die Antwort der Börse auf Microstrategys Mitteilung, seine Geschäftsberichte der letzten beiden Jahre nicht ordnungsgemäß geführt zu haben. Offenbar hat das Unternehmen für Leistungen verbucht, die zwar vertraglich vereinbart, aber noch nicht erbracht waren.

Die Hiobsbotschaft des Börsenlieblings Microstrategy schlug am Montag wie ein Bombe ein: Der Hersteller von Software für den Aufbau von Data Warehouses aus Vienna, Virginia, müsse seine Geschäftszahlen der letzten 18 Monate nach unten korrigieren. Sie hatten nicht den neuen Richtlinien zur Bilanzierung der Umsätze der Securities and Exchange Commission (SEC) entsprochen. Allein der Gewinn pro Aktie musste um 66 Cent nach unten korrigiert werden. Die Anleger reagierten prompt. Die Anteilsverkäufe bescherten dem Hersteller einen Kursverlust von 138,31 Dollar auf nur noch 88,38 Dollar pro Aktie, was einer Abwertung von 61,5 Prozent entsprach.

Derweil versucht Michael Saylor, Chief Executive Officer (CEO) des Unternehmens und bekannt für seine Publicity-trächtigen Auftritte und Spendenaktionen, die Gründe zu erklären. "In den letzten achtzehn Monaten ist Microstrategy in einen neuen Markt (E-Commerce, Anm. der Redaktion) vorgedrungen und musste sein Geschäftsmodell sehr schnell verändern. Als Folge davon wurden die Vertragsabschlüsse aus finanzieller Sicht immer komplexer und beinhalteten sowohl Lizenzen als auch damit verbundene Dienstleistungen“, so Saylor in einem Statement. Mit der jetzigen Ankündigung wolle man Investoren, Kunden und Partnern "proaktiv" versichern, dass das Unternehmen sich an die Bilanzierungspraktiken in der Softwareindustrie halte. Microstrategy erklärte, nun einen Teil der Lizenzverkäufe, einschließlich der Dienstleistungen, per "contract accounting" abzurechnen, wodurch die Ausweisung der Umsätze über die gesamte Laufzeit des Vertrages erfolgt. Bisher hatte der Hersteller bereits bei Vertragsabschluss die Hälfte der Vertragssumme als Umsatz verbucht. Diese Geschäftspraktiken erinnern an die von Informix oder Baan, die ebenfalls schwer durch ihre Anleger dafür bestraft wurden.

Die neuen Bilanzierungsregeln

Im Dezember 1999 veröffentlichte die SEC in einem Bulletin die neuesten Bestimmungen zur Bilanzierung. Ziel war es, insbesondere die Buchungspraktiken von Online-Unternehmen stärker zu reglementieren und transparenter zu machen. Laut Microstrategy hängt die eigene Ankündigung mit den Verordnungen der SEC zusammen. Die Umsätze für 1999 werden sich nach eigenen Angaben voraussichtlich von bislang 205,3 Millionen Dollar auf 150 bis 155 Millionen Dollar verringern. Der bisherige Gewinn von 15 Cent pro Aktie wird auf einen Verlust von 43 bis 51 Cent pro Anteil korrigiert. Die Umsätze für 1998 sinken von 106,4 Millionen Dollar auf 95,9 bis 100,9 Millionen Dollar, was einem Gewinn von einem bis vier Cent statt bisher acht Cent pro Aktie entspricht. Analysten erwarten zudem, dass auch die Gewinne des ersten Quartals 2000 bei unter einem Cent pro Aktie liegen werden.

Anleger bezeichnen sich als "ruiniert"

Bis dato hatte sich die Microstrategy-Aktie dank einer erfolgversprechenden Produktstrategie als Lieferant von Software für E-Commerce sowie durch Partnerschaften mit Herstellern wie NCR großer Beliebtheit erfreut. Vor gut zwölf Monaten hatte sie nach monatelangem Dahindümpeln Zugewinne von rund 2000 Prozent auf einen Höchststand von 333 Dollar Mitte März erreicht. Dementsprechend schockierte die Nachricht nun die Anleger. In ersten, zum Teil heftigen Reaktionen in Foren wie etwa "yahoo.finance" bezeichneten sich manche von ihnen als ruiniert und werfen CEO Saylor eine mehr als ungeschickte Taktik vor, so kurz vor Abschluss des laufenden Quartals eine solche Meldung auszugeben und damit potentielle Neukunden zu vergraulen.

Gerade die Ankündigung einiger Großaufträge hatte das Unternehmen in den letzten Quartalen immer wieder Umsatzzuwächse von 100 Prozent melden lassen. Ob nun Aufträge verloren gehen und ob die unsachgemäße Bilanzierung Microstrategys darüber hinaus auch rechtliche Folgen haben könnte, bleibt abzuwarten. Bereits am Montag gingen zumindest erste Klagen seitens Anwaltskanzleien ein. Darin werden das Unternehmen und sein Vorstand beschuldigt, durch falsche oder irreführende Geschäftsberichte in der Zeit vom 11. Juni 1998 bis zum 27. März 2000 die Regeln des Securities Exchange Act von 1934 missachtet zu haben.