Auf der Suche nach dem Sündenbock

Microstrategy-Aktie am Boden

04.05.2001
MÜNCHEN (CW) - Nachdem er ein Jahr lang den Sturzflug seiner Aktie von über 300 Dollar auf unter zehn Dollar mit ansehen musste, versucht Michael Saylor, CEO von Microstrategy, nun gegenzusteuern. Mit einem Brief an seine Aktionäre will er Short-Sellern, die er als mitverantwortlich für den Kurseinbruch erklärt, das Wasser abgraben.

"Wir benötigen Ihre Hilfe", apellierte Saylor am 19. April an die Aktionäre und forderte sie auf, gemeinsam gegen den kursschädigenden Aktienhandel in Form von Leerverkäufen vorzugehen. Die Anteilseigner sollten ihre Aktienbestände unter eigenem Namen registrieren lassen. Damit könnten die Wertpapiere nicht mehr von Fonds oder Banken an Spekulanten verliehen werden.

Ungebremste TalfahrtTatsächlich reagierte der Aktienkurs am 20. April und kletterte im Laufe des Tages um gut 100 Prozent auf über sechs Dollar. Doch das war anscheinend nur ein kleines Zwischenspiel, denn bereits an den folgenden Tagen setzte der Kurs seine Talfahrt weiter fort und stand bereits eine Woche später wieder bei einem Wert von rund vier Dollar. Zwar lässt sich die Ursache für die Kursbewegung nicht genau zurückverfolgen, doch Analysten gehen davon aus, dass lediglich ein kleiner Anteil treuer Aktionäre dem Ruf von Saylor gefolgt ist. Als wahrscheinlicher gilt, dass die Leerverkäufer im Hinblick auf eventuell steigende Kurse sich rasch ihrer Positionen entledigt haben und damit den Preis kurzfristig in die Höhe trieben.

Saylor erklärte den Aktionären zwar den Mechanismus des Short- Selling, verschwieg jedoch, dass die "bösen" Spekulanten ihre Geschäfte nicht einfach aus dem Bauch heraus tätigen, sondern meist begründete Skepsis gegenüber einer Unternehmensbewertung haben.

Im Falle von Microstrategy gehen Analysten sogar davon aus, dass das Unternehmen selbst Short-Sellern die Türen geöffnet hat. Zunächst geriet der Anbieter von Business-Intelligence-Software in die Schlagzeilen, weil er sämtliche Bilanzen der Geschäftsjahre 1997 bis 1999 korrigieren musste. Ein Resultat war beispielsweise, dass die Firma für das Fiskaljahr 1999 statt der zunächst ausgewiesenen 205 Millionen Dollar nur noch einen Umsatz von 151 Millionen Dollar verbuchte. Statt eines Gewinns stand im selben Zeitraum plötzlich ein Verlust von 33,7 Millionen Dollar unter dem Strich. Doch als größter Fehler wird dem Unternehmen angekreidet, dass es sich aus Finanzierungsnöten von einem Hedge Fonds, dem New Yorker Promethean Assest Management, 125 Millionen Dollar geliehen hatte.

FinanzierungsnöteAbgesichert wurde der Kredit über Wandelschuldverschreibungen, die Promethean - sollte die Company das Geld nicht zurückzahlen können - nach Ablauf einer bestimmten Frist Microstrategy-Anteile bescheren. Fällt der Kurs, erhält der Geldgeber ein dickeres Aktienpaket und im äußersten Fall entsprechende Kontrolle über das Unternehmen - so geschehen bei E-Toys oder Entrade. Entscheidend war jedoch das Signal, das von diesem Geschäft ausging, denn die Zusammenarbeit mit Promethean bedeutete, dass Microstrategy keine anderen Geldgeber mehr finden konnte. Dies rief Baisse-Spekulanten auf den Plan und provozierte Leerverkäufe .