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Microsofts Verschleppungstaktik treibt EU-Kommissarin zur Weißglut

25.04.2007
Statt wie bisher nur Verhaltensmaßregeln erwägt die EU-Kommission nun dem Vernehmen nach "strukturelle" Maßnahmen gegen den US-amerikanischen Softwarekonzern Microsoft.

Wettbewerbskommissarin Neelie Kroes ist inzwischen offenbar richtig stinkig. "In 50 Jahren Kartellpolitik der EU sind wir noch niemals einem Unternehmen begegnet, dass sich geweigert hätte, einer Entscheidung der Kommission zu folgen", soll Kroes einem Bericht der Nachrichtenagentur "Reuters" zufolge letzte Woche gegenüber der American Bar Association erklärt haben. "Man könnte vernünftigerweise den Schluss ziehen, dass Verhaltensmaßregeln nicht funktionieren und dass strukturelle Maßnahmen angebracht sind."

Neelie Kroes - Microsofts Nemesis?
Neelie Kroes - Microsofts Nemesis?
Foto: Europäische Kommission

Welche genau das sein sollen, ließ Kroes offen. Kroes sprach ihre markigen Worte just an dem Abend, als die Frist für Microsoft ablief, um das jüngste Statement of Objections der Kommission zu den Lizenzgebühren zu kommentieren, die es von seinen Wettbewerbern für den Zugang zu Schnittstelleninformatonen des Windows-Betriebssystems verlangt.

Seine Antwort hatte Microsoft fristgerecht eingereicht - allerdings handelte es sich dabei eher um eine Frage. Die danach nämlich, was sich denn die Kommission so als Preis für die Schnittstellenlizenz vorstelle. Die Brüsseler Wettbewerbshüter wollen die Eingabe prüfen und dann entscheiden, ob sie erneut eine Geldstrafe gegen Microsoft wegen Verstoß gegen das Kartellurteil vom März 2004 verhängen.

Zuletzt hatte die Kommission Microsoft im Juli 2006 zur Zahlung von 280,5 Millionen Euro verdonnert. Dem Konzern wurden höheren Strafen angedroht und eine Frist bis zum 23. November gesetzt, um mehr Informationen zu seinen Interoperabilitäts-Protokollen beizubringen. Das taten die Amerikaner in Form von 1500 seit Dezember 2005 vorgelegten Seiten zwar termingerecht, sie konnten die Kommission aber nicht davon überzeugen, dass darin hinreichend Innovation enthalten sei, um mehr als eine Bearbeitunggebühr dafür zu verlangen.

Microsoft hat Berufung gegen die Strafe von 280,5 Millionen Dollar wie auch gegen die ursprüngliche Geldbuße von 497,2 Millionen Dollar vom März 2004 eingelegt. Separat wehrt es sich außerdem gegen Forderungen, es müsse die Schnittstelleninformationen mit Open-Source-Wettbewerbern teilen.

Mit den verschiedenen Berufungsverfahren hat der Konzern möglicherweise versucht, die Geduld von Neelie Kroes und der EU-Kommission auf die Probe zu stellen. Welche strukturellen Mittel den Kartellhütern zur Verfügung stehen könnten, ist unklar. Der Branchendienst "Computerwire" konnte noch keine nähere Erläuterung oder Abschrift der Kroes-Rede vor der American Bar Association bekommen.

Im Jahr 2000 hatte der US-amerikanische Richter Thomas Penfield Jackson entschieden, Microsoft solle nach Missbrauch seiner Monopolposition in mehrere kleinere Firmen zerschlagen werden. Dieses Urteil wurde aber in der Berufung später wieder aufgehoben. (tc)