Kolumne

Microsofts Mühlen mahlen langsam …

09.05.2006

Ein älterer Herr müht sich, seinen S-Klasse-Mercedes rückwärts in eine Parklücke zu bugsieren. Ein Porsche prescht heran und schiebt sich frech, aber präzise, vorwärts in die Lücke. Der schnöselige Fahrer steigt aus und ruft dem Mercedes-Fahrer zu: "Sehen Sie, jung muss man sein und schnell." Da- raufhin gibt der andere Gas und drückt den Porsche platt. Beim Aussteigen sagt er dann sehr höflich: "Nein, junger Mann, Geld muss man haben."

Die Szene könnte sich auch zwischen Microsoft und Google abspielen. Der Suchmaschinenanbieter ist eindeutig agiler als Microsoft, aber noch ist es sehr wohl möglich, dass der Softwarekrösus den längeren Atem hat. Er verfolgt das ausgewogenere Geschäftsmodell, deckt mehrere Marktsegmente ab und versteht Misserfolge als Motivation für den nächsten Versuch.

Anlass dieser Überlegung ist Microsofts Ankündigung mit Adcenter endlich über ein konkurrenzfähiges Produkt zu Googles Adwords zu verfügen, mit dem sich durch das Ersteigern von Schlüsselbegriffen in der Präsentation von Suchergebnissen kontextabhängig werben lässt. Google generiert über 90 Prozent seiner Einnahmen aus Werbung, der größte Teil dieser Erlöse wiederum stammt aus dem Adwords-Geschäft. Microsoft beginnt erst diesen Markt zu erschließen - mit sehr viel Mühe. Noch laufen in den USA über 40 Prozent aller Suchanfragen über Google (in Deutschland sind es mehr als 80 Prozent), Yahoo und Microsoft Network (MSN) folgen abgeschlagen auf den Plätzen. Doch die Redmonder haben angekündigt, Milliardenbeträge in dieses Segment zu pumpen. Und immer dann wird es bekanntlich ernst für die Konkurrenten. Das war bei Netscape so und bei Real Networks, bei RIM zeichnet sich Ähnliches ab. Am Ende von ein, zwei oder falls nötig auch drei Investitionsphasen ging es diesen Anbietern wie dem Porschefahrer.

Googles Achillesferse ist die Konzentration auf den Werbemarkt. Wenn hier das Wachstum ausbleibt - weil Microsoft zum ernsthaften Konkurrenten erwächst - kann der Suchpionier seine zahlreichen anderen Aktivitäten nicht mehr finanzieren. Dann ist es mit der Schnelligkeit vorbei, die heute von Aktionären und Nutzern so bewundert wird.

Allerdings hat Microsoft es bisher nicht geschaft, den Abstand zu Google zu verringern. Wenn es dem Suchmaschinenanbieter gelingt, gegen das heutige lizenzbasierende Softwaregeschäft für Personal-Productivity- und Collaboration-Software ein durch Werbung finanziertes Businessmodell zu etablieren, gerät Microsoft in eine Zwickmühle zwischen Open-Source und Google-Business. Dann hat der Mercedes-Fahrer schlechte Karten.

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