Microsofts Masterplan für Virtualisierung

22.11.2007
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Wolfgang Miedl arbeitet Autor und Berater mit Schwerpunkt IT und Business. Daneben publiziert er auf der Website Sharepoint360.de regelmäßig rund um Microsoft SharePoint, Office und Social Collaboration.
Das Teched IT-Forum vergangene Woche in Barcelona hatte ein Leitmotiv: Mit "System Center" und "Windows Server 2008" plant Microsoft die totale Virtualisierung vom Server bis zum Client.

Mit der Ankündigung seines ersten Hypervisor-Produkts "Hyper-V" präsentierte Microsoft auf seiner Kundenkonferenz ein schlagzeilenträchtiges Thema. Genau ein halbes Jahr nach der Premiere von Windows Server 2008 wollen auch die Redmonder eine zeitgemäße Server-Virtualisierung liefern. Der Druck ist offenbar enorm, wie dem Kommentar eines deutschen IT-Managers zu entnehmen war, der nicht genannt werden möchte: "Microsoft muss sich beeilen, wenn das Unternehmen beim Thema Virtualisierung noch einen Fuß in die Tür kriegen will." In seiner Eröffnungsrede blies Corporate Vice President Bob Kelly denn auch zum Angriff gegen Marktführer VMware: "VMware bietet weder ein robustes Software-Ökosystem noch ein integriertes System-Management, das die virtuelle und die physische IT-Umgebung unter einen Hut bringt."

Duet 3.0

Neuigkeiten gab es auf dem Teched IT-Forum auch zu "Duet", jenem gemeinsam mit SAP initiierten Projekt, das den Zugriff auf SAP-Systeme aus Microsoft Office heraus vereinfacht. In den letzten 16 Monaten sollen dafür 280 Kunden gewonnen und 770 000 Lizenzen verkauft worden sein. Microsoft kündigte für das zweite Quartal 2008 Duet 1.5 an, das neben weiteren Szenarien wie Einkaufs- und Recruitment-Management auch neue Plattformen wie Office 2007, Vista und Exchange 2007 unterstützt. Darüber hinaus gewährte der Konzern einen Ausblick auf die nachfolgende Version, die 3.0 heißen soll. Das Integrationsprodukt soll auf die kommende Office-Version zugeschnitten sein, geplant sind erstmals branchenspezifische Szenarien, ein eigenständiges Softwareentwicklungs-Kit sowie Sharepoint als tragende Säule im Microsoft-seitigen Backend anstelle des Duet-Servers. Auf SAP-Seite wahren die involvierten Komponenten Netweaver, ESA und Business Suite nach derzeitigem Stand Kontinuität. Ein Erscheinungstermin für Duet 3.0 wurde nicht genannt.

Um künftig auf der Virtualisierungswelle zu surfen, setzen die Redmonder genau hier an. Da ein Feature-Wettlauf mit der Konkurrenz um den besten Hypervisor ohnehin kaum zu gewinnen sein dürfte, hebt der Softwareriese auf Konzepte für End-to-End-Virtualisierung und eine dynamische IT ab. Eine zentrale Rolle spielen dabei die Management- und Betriebswerkzeuge aus der System-Center-Produktreihe. So soll der für 2008 als Management-Komponente angekündigte "Virtual Machine Manager" als erstes Produkt im Markt eine nahtlose Verwaltung sowohl der virtuellen als auch der physischen Server und Clients aus einer zentralen Konsole heraus ermöglichen. Die Lösung soll zudem offen für Konkurrenzprodukte sein und auch mit Betriebssystem-Images von VMware oder vom Partner Citrix/Xensource umgehen können. Experton-Analyst Andreas Zilch hält Microsofts Einstieg in die Virtualisierungs-Arena für schlüssig: "Microsoft präsentiert hier eine erstaunlich offene Strategie und wird VMware auch bei der Preisgestaltung unter Druck setzen."

Der virtuelle Windows-Client

Fundamentale Veränderungen stehen auch beim einstigen Flaggschiff, dem Windows-Fat-Client, ins Haus. Bisher waren die Anwender auf Deployment- und Terminal-Produkte von Drittanbietern angewiesen, um ihre Fat-Client-Landschaften in den Griff zu bekommen. Nun präsentiert der Softwareriese erstmals selbst eine breite Palette von Technologie- und Lizenzoptionen, um seinen Kunden jede erdenkliche Form der Client-Bereitstellung zu ermöglichen. Die entsprechenden technischen Begriffe dafür lauteten auf dem IT-Forum "Applikations-Virtualisierung", "Desktop-Virtualisierung" sowie "Präsentations-Virtualisierung". Letztere ist bereits durch Citrix und Windows Terminal Server hinlänglich bekannt, wobei hier als Nachteile vor allem die problematische Lastverteilung zwischen konkurrierenden Benutzern sowie potenzielle Anwendungsinkompatibilitäten mit dem Server-Betriebssystem gelten.

Vista-Instanz für jeden User

Derartige Probleme lassen sich mit der "Desktop Virtualisierung" umgehen, indem jeder Endanwender eine eigenständige XP- oder Vista-Instanz erhält. Diese residiert jedoch nicht am PC, sondern wird von einer virtuellen Server-Maschine oder auf einem Blade-PC im Rechenzentrum bereitgestellt und per RDP-Terminal-Protokoll an die jeweiligen Thin Clients publiziert

Applikations-Virtualisierung wiederum basiert auf der mit der Firma Softricity erworbenen Softgrid-Streaming-Technik. Diese bildet innerhalb eines Windows-Systems eine abgeschottete Laufzeitumgebung und sorgt dafür, dass Anwendungen und Benutzereinstellungen den Client unangetastet lassen jegliche Zugriffe auf Dateisystem und Registrierdatenbank werden auf temporäre Ziele umgelenkt. Im Praxiseinsatz ergeben sich daraus mehrere Vorteile: Auf Terminal-Servern laufen auf diese Weise auch untereinander inkompatible Anwendungen wie Word 97, Word 2000 oder Word 2003 parallel und voneinander sauber getrennt. Weitere Einsatzszenarien sind plattenlose PCs oder Client-Umgebungen, die aus Gründen der Wartbarkeit und Ausfallsicherheit manipulationssicher eingerichtet werden sollen. Applikationen wie Benutzereinstellungen liefert hierbei stets der Streaming-Server, der die jeweils benötigten Daten- und Programm-Bits in nahezu Echtzeit an die Clients überträgt. Die für Mitte 2008 angekündigte Version mit dem Namen "Microsoft Application Virtualization 4.5" soll die entsprechende Integration in System Center sowie einige neue Funktionen erhalten.

Alter Name - neue Technik

Wohl um die Kunden ob dieser Vielfalt nicht zu verwirren, fasst Microsoft all diese Spielarten der Client-Bereitstellung unter dem altbekannten Namen "Windows Client" zusammen. Ein erstes entsprechendes Lizenzmodell steht bereits seit Juli für Großunternehmen in Form des "Vista Enterprise Centralized Desktop" zur Verfügung. Weitere Lizenzierungsangebote sollen folgen, doch will Microsoft wie viele andere Hersteller erst noch Erfahrungen mit Lizenzmodellen in virtuellen Umgebungen sammeln, wie Klaus von Rottkay, verantwortlich für das Server-Geschäft bei Microsoft Deutschland, gegenüber der Computerwoche erläuterte. (ue)