Netscape setzt Aurora gegen das Konkurrenzprodukt

Microsofts Internet Explorer ist Browser und Systemumgebung

10.10.1997

Das jetzt von Netscape übernommene Microsoft-Konzept der Integration von Browser und Betriebssystem ist nicht unumstritten. So hat in den USA die Konsumentengemeinschaft Consumer Project on Technology (www.cptech.org/) das Justizministerium aufgefordert, Microsoft sowohl das Verschenken des Browsers als auch die Koppelung mit dem Betriebssystem zu verbieten, die für Windows 98 vorgesehen ist. Nach Ansicht der Gruppe benutzt Microsoft seine vorherrschende Position im Betriebssystem-Markt, um über den Browser auch das Internet zu dominieren. James Love, Director der Organisation, befürchtet, daß auf diese Weise die Konkurrenz vom Markt gefegt werden soll.

Tatsächlich hat es Microsoft nach Zählung der Analysten von Zona Research geschafft, seinen weltweiten Marktanteil im Browser-Geschäft von drei Prozent im Februar 1996 auf jetzt etwa 36 Prozent zu erhöhen. Netscape ist jedoch mit 62 Prozent immer noch klarer Marktführer.

Die Hauptgefahr sieht man dort weniger in der kostenlosen Vergabe des Browsers, einer Vorgehensweise, die auch zum Net- scape-Konzept gehört, sondern in der Koppelung der Software mit dem Betriebssystem. Als Reaktion hat Netscape seine Aurora-Technik einen Tag vor der Freigabe von IE 4.0 vorgestellt und will die Software gleichzeitig mit Microsofts Windows 98 ausliefern, das IE 4.0 standardmäßig als mögliche Benutzeroberfläche enthält.

Der Microsoft-Browser gibt sich schon jetzt als Betriebssystem-Bestandteil. So wird bei der Installation das Betriebssystem verändert und der Systemordner um Hunderte von Dateien ergänzt. Je nach Funktionsumfang belegt das Programm 20 bis 50 MB Platz auf der Festplatte.

Zur Windows-Integration gehört, daß die unter der Bezeichnung "Active Desktop" angebotenen Push-Dienste auch ohne aktivierten Internet Explorer auf dem Desktop sichtbar sind. In Deutschland gehören hier Informationsdienste von T-Online, Stern und Spiegel Online zum Angebot. Ansonsten halten sich die Neuerungen auf Browser-Seite in Grenzen. Zu ihnen zählt ein Button, mit dem die Anwender in einen Modus wechseln können, bei dem mit Ausnahme einer schmalen Menüleiste der gesamte Bildschirm für die Web-Seitendarstellung genutzt wird. Gelobt wird vereinzelt auch das E-Mail-System.

Browser nicht nur für Windows 98

Obwohl sich nach Einschätzung erster Anwender die Stabilität und die Ladegeschwindigkeit erhöht, ist es Microsoft offensichtlich vor allem auf die Integration in Windows 95 angekommen. "Wir haben damit Maßstäbe für die Web-PC-Integration gesetzt", lobte sich Bill Gates bei der offiziellen Freigabe.

Aus Netscape-Perspektive hat Microsoft dagegen lediglich sein Betriebssystem mit einer Web-Oberfläche versehen. Bei der Integration in Systemumgebungen werde Aurora IE 4.0 in nichts nachstehen. Darüber hinaus werde es keine bevorzugte Plattformen geben, auch wenn die ersten Implementierungen der Windows-Palette gelten werden. Aber auch Microsoft hat angekündigt, IE 4.0 noch dieses Jahr auf Windows 3.1 und das Mac-OS zu portieren, eine Unix-Variante für Solaris ist für Anfang 1998 vorgesehen.

Während bei IE 4.0 unter Windows 95 die Channel-Liste und die Integration des Datei-Managers (Explorer) im Zentrum stehen, setzte Netscape zumindest bei der Vorführung seines Produkts einen anderen Schwerpunkt. Dort wurde gezeigt, wie sich die Zusammenfassung projektspezifischer Daten und E-Mails auf einer Web-Seite automatisieren läßt. Ziel sei es, die Methoden der Web-Navigation mit den Anforderungen am Desktop zu verbinden. Dazu ließen sich auch Dateien auf der Festplatte oder Informationen von Unternehmens-Datenbanken einbinden.