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Microsoft wollte Real Networks wie Netscape ausbooten

03.05.2002
Im laufenden Kartellverfahren legte die Anklage interne Dokumente vor, die darauf hinweisen, dass Microsoft in Real Networks eine ähnliche Bedrohung für Windows sah wie einst in Netscape.

MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) - Microsoft sah den Konkurrenten Real Networks und dessen digitale Video-Player-Software offenbar als ebenso bedrohlich für Windows an wie Mitte der 90er Jahre den "Netscape Navigator". In dem laufenden US-Kartellverfahren gegen die Gates-Company brachten die klagenden neun US-Bundesstaaten interne Dokumente ans Tageslicht, die eine gezielte Strategie von Microsoft gegen Real Networks belegen.

Will Poole, Vice President Windows New Media Platforms
Will Poole, Vice President Windows New Media Platforms

Am gestrigen Donnerstag musste Will Poole, Vice President der Windows New Media Platforms Division bei Microsoft, dem Klägeranwalt John Schmidtlein Rede und Antwort stehen. In einer zuvor eingereichten, schriftlichen Stellungnahme hatte der Manager behauptet, sein Unternehmen habe den "Real Player" von Real Networks keinesfalls als Bedrohung für das Microsoft-Betriebssystem Windows angesehen. Darin hieß es, dass die Real-Software "kein potenzieller Ersatz für die kompletten Plattformfunktionen von Windows" sei. Auch im Zeugenstand bekräftigte Poole noch einmal diese Ansicht. Schmidtlein präsentierte dann eine E-Mail-Nachricht eines Poole-Mitarbeiters, die 1999 unter anderem an Chairman Bill Gates und Chief Executive Officer (CEO) Steve Ballmer geschickt worden war. Darin forderte Microsoft-Mitarbeiter Anthony Bay die Unternehmensführung auf, das dominante Betriebssystem Windows dafür zu benutzen, Microsofts "Netshow"-Media-Streaming-Anwendung, den Vorgänger der

derzeitigen "Media-Player"-Version, zu promoten. Es komme darauf an, die Strategie von "Netshow versus Real" auf "Windows versus Real" umzustellen. Wörtlich sprach er von einem "Plattformkampf zwischen Microsoft und Real Networks". Zu diesem Zeitpunkt verteidigte sich Microsoft bereits im ersten Teil des US-Kartellverfahrens vor Gericht. Poole gab am gestrigen Donnerstag zu, dass Microsoft-Führungskräfte den Kampf gegen Real Networks zwar mit dem so genannten "Browser-Krieg" mit Netscape verglichen haben, es aber deutliche Unterschiede gebe. Diese wollte er jedoch nicht erläutern. Poole wird am kommenden Montag wieder vor Gericht erscheinen.

Die klagenden neun US-Bundesstaaten werfen Microsoft vor, das Windows-Monopol dafür einzusetzen, in andere Märkte wie die für Smartphones, Settop-Boxen und audio-visuelle Produkte vorzudringen. Sie plädieren dafür, den Softwareriesen dazu zu verpflichten, künftig eine abgespeckte Windows-Version ohne Zusatzprogramme wie Browser, Media-Player oder Instant-Messaging-Software auf den Markt zu bringen. Microsoft wies diese Forderung bislang immer zurück mit der Begründung, diese Funktionen seien zu tief im Betriebssystem integriert und könnten nicht ohne Leistungsverluste der Software entfernt werden. Diesen Standpunkt vertrat auch Poole in seiner gestrigen Aussage vor Gericht. (ka)