Net-Framework verspricht universelle Komponentenentwicklung

Microsoft will in .Net alle Programmiersprachen vereinen

21.07.2000
MÜNCHEN (wm) - Ist die .Net-Initiative von Microsoft vor allem eine große Marketing-Blase, wie manche Kritiker meinen, oder bedeutet sie tatsächlich den Einstieg in den grundlegenden Umbau des Konzerns zur Internet-Company? Die neuesten Aktivitäten der Gates-Truppe vermitteln weitere Details.

Eines haben die Redmonder mit ihrer groß angelegten Kampagne vom Juni erreicht: Die Öffentlichkeit wartet aufmerksam darauf, was die teils nebulösen .Net-Ankündigungen im Einzelnen bedeuten. Eine zentrale Rolle für die gesamte .Net-Strategie (sprich Dotnet) nehmen Entwicklungs-Tools ein. Schließlich verspricht Microsoft nicht nur eine Neuausrichtung des Konzerns - der Softwareriese will mit .Net auch dem Internet mit neuartigen Anwendungen eine andere Prägung geben.

Die Microsoft-Führungsriege nutzte auf der Professional Developer Conference (PDC) letzte Woche in Orlando die Gelegenheit, etwa 6000 Entwickler über das .Net-Framework und die kommenden Programmier-Tools zu informieren. Das .Net-Framework bezeichnet die neue Universal-Engine, die es Entwicklern ermöglichen soll, mit einer großen Zahl an Programmiersprachen Windows-Programme zu schreiben. Laut Paul Maritz, dem Group Vice President Platforms, handelt es sich um eine gemeinsame Plattform für alle Programmiersprachen. Die wichtigste Rolle soll dabei die neue Sprache C# (sprich "see sharp") spielen.

Alle Programmiersprachen für eine PlattformDas C-Derivat, von dem sich Microsoft eine deutlich einfachere Bedienung verspricht, wird als neuer Java-Antipode gehandelt, wobei die Redmonder diese Gegenüberstellung betont vermeiden. Immerhin soll C# dank "Free Threading" das bisherige DLL-Chaos beseitigen und mit Features wie Garbage Collection Stärken von Java integrieren.

Neben den Microsoft-Sprachen wurden auf der PDC Programmiersprachen von 17 Herstellern genannt, die von der .Net-Plattform unterstützt werden. Dazu zählen Fujitsu (Cobol), Activestate (Perl und Python), Interactive Software Engineering (Eiffel), Skippi-net (Python) oder auch QKS (Smalltalk). Die Unternehmen werden Compiler herstellen, die die Entwicklung und Ausführung des Codes unter Windows innerhalb der Common Language Runtime (CLR) ermöglichen. Die neue strategische Marschrichtung jedenfalls scheint klar. Das Java-Paradigma "Eine Sprache für alle Plattformen" wird abgewandelt in "Alle Programmiersprachen für eine Plattform".

Das Unternehmen versuchte, die Bedeutung von Java herunterzuspielen. Die Sun-Sprache zähle nach Markterhebungen nicht zu den zehn verbreitetsten Programmiersprachen, vielmehr frisiere der Hersteller die Statistiken. Auffallend war die Abwesenheit der Java-Player Sun und IBM auf der Herstellerliste. Offenbar verfolgt Microsoft im Umgang mit Java einen neuen Kurs. Die kommende .Net-Version der Entwicklungs-Suite "Visual Studio", die innerhalb eines Jahres erscheinen soll, wird nicht mehr den Java-Compiler J++ enthalten. Maritz begründete dies mit den noch laufenden Auseinandersetzungen mit Sun.

Aus der Führungsriege des Unternehmens war zu hören, dass es Aufgabe von Sun sei, einen Java-Compiler zu schreiben, der .Net unterstützt. Immerhin wird man Visual Studio ein Java-Tool vom Hersteller Rational beilegen. Möglicherweise will Microsoft den Entwicklern signalisieren, dass das Erstellen von Java-Programmen für Windows in Zukunft nicht mehr so einfach sein könnte.

Gates: Net-Code ist nichts für schlanke ClientsDie Möglichkeit, mit einer beliebigen Sprache für einheitliche Windows-Schnittstellen zu programmieren, könnte jedenfalls das Heer der Windows-Entwickler weiter vergrößern. Immerhin verspricht das .Net-Framework den problemlosen Austausch von Komponenten, die mit unterschiedlichen Programmiersprachen erstellt wurden. Als Folge dieser Modularisierung sieht Bill Gates die Grenze zwischen Websites und Anwendungen zunehmend verschwinden: "Mit .Net wird das alles eine Einheit. Manche WebSeiten werden umfangreichere Anwendungen sein, aber im Grunde wird alles, was bisher eine Applikation war, eine Web-Seite." Gates vergaß dabei nicht, die Bedeutung der Clients hervorzuheben. Ausdrücklich sprach er davon, dass der .Net-Code nicht für schlanke Clients vorgesehen sei: "Wirklich erfolgreiche Websites enthalten Code, der übertragen und auf dem PC ausgeführt wird."

Bei aller Windows-Fixiertheit hat sich Microsoft neuerdings den Multiplattform-Charakter des Internet-Computings auf die Fahnen geschrieben. Für Nicht-PC-Geräte wie etwa persönliche digitale Assistenten (PDAs) oder Appliances mit unterschiedlichen Systemen wird es ein ".Net Compact Framework" auf der Basis von XML-Services geben. Auch wenn dazu noch nichts Konkretes verlautete, so dürfte es doch als wahrscheinlich gelten, dass auch für andere Betriebssysteme CLRs bereitgestellt werden, die ähnlich wie eine Java Virtual Machine (JVM) den Bytecode von .Net-Programmen plattformspezifisch kompilieren und ablaufen lassen.

Viele Anwender und Entwickler sehen in .Net aber noch zahlreiche ungelöste Probleme - es bestehen weiterhin Fragen in den Bereichen Sicherheit, Lizenzierung und Java-Integration. Auch die Skalierbarkeit seiner Plattform im Vergleich zu Java muss Microsoft erst noch unter Beweis stellen. Bei der Java-Unterstützung dürfte dem derzeitigen Säbelrasseln eine pragmatischere Gangart folgen. Schließlich sind im Internet Unix und Linux sehr stark vertreten - das allein dürfte die anhaltende Bedeutung von Java garantieren.