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Thema des Tages

Microsoft will IM-Protokoll veröffentlichen

19.08.1999
Thema des Tages

MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) - In der seit Wochen andauernden Instant-Messaging-Auseinandersetzung zwischen Microsoft und AOL geht die Gates-Company nun aufs Ganze: Noch Ende dieses Monats soll das IM-Protokoll (Instant Messaging) des MSN Messenger veröffentlicht werden. Das Ziel ist klar: Durch die Offenlegung der Technologie sollen andere Anbieter die Möglichkeit erhalten, Produkte auf der Basis des Microsoft-Protokolls zu entwickeln. Durch eine größere Verbreitung der Technologie hofft die Gates-Company, den Zuschlag für MSN Messenger als allgemeinen IM-Industriestandard zu erhalten und AOL aus dem Feld zu drängen. Zu diesem Zweck sollen die Protokolle auch der Internet Engineering Task Force (IETF) zur Verfügung gestellt werden, dem für Infrastrukturfragen im Bereich Internet tonangebenden Standardisierungsgremium.

Die Einsätze sind hoch im Konflikt um die IM-Produkte, mit denen Nachrichten in Echtzeit über das Internet verschickt werden können, denn die Popularität dieser Dienste ist in den letzten Monaten gewaltig gestiegen. Kein Wunder also, daß sich der Softwareriese ein Stück von AOLs Kuchen abschneiden will. Der Online-Dienst ist in diesem Segment unangefochtener Marktführer. Sein ICQ-Service hat nach eigenen Angaben 40 Millionen und der AOL Instant Messenger (AIM) 28 Millionen registrierte Benutzer. Microsoft kann bislang lediglich 1,3 Millionen Kunden für seinen MSN Messenger aufweisen.

Angeblich arbeitet auch AOL mit der IETF an einem IM-Standard, so eine Unternehmenssprecherin aus den USA. Allerdings gab sie keine Auskunft darüber, ob auch MSN-Messenger-Kunden mit diesem neuen Standard kommunizieren dürften, falls ein solcher entwickelt werden sollte. Marktkenner bezweifeln eine Öffnung der AOL-Technologie. Sollte der Online-Dienst dies tun, hätten die Kunden die Wahl, und dann würde der bessere gewinnen.

Der Konflikt zwischen dem Softwarekonzern und dem größten Online-Dienst brach aus, als Microsoft vor drei Wochen sein eigenes IM-Produkt MSN Messenger vorstellte. Die eingebaute Zugangsberechtigung, mit der Microsoft-Kunden auch den AOL-Dienst nutzen können, brachte AOL-Chef Steve Case in Rage. Es folgte ein erhitzter Schlagabtausch zwischen beiden Unternehmen, der von technischen Tricks zum Ausschluß des Gegners bis hin zur Gewinnung von Verbündeten reichte. Der Online-Dienst fand Verständnis bei Real Networks, Novell sowie Apple und bildete mit diesen Firmen eine IM-Beratergruppe. America Online konnte ferner die Internet-Service-Provider Mindspring und Earthlink sowie Apple dafür gewinnen, den AIM mit ihren Produkten und Leistungen zu vertreiben. Die Gates-Company wiederum fand bei den AOL-Rivalen wie Prodigy Communications, Peoplelink und Tribal Voice für die Unterstützung des MSN Messenger Gehör. Yahoo hat sich bislang auf keine Seite

geschlagen.

Experten vergleichen den Kleinkrieg mit den Browser-Auseinandersetzungen 1997 und 1998. Damals stellten die Redmonder ihren Internet Explorer als kostenlose Dreingabe zu Windows zur Verfügung und brachten so den damaligen Marktführer Netscape in Schwierigkeiten.