Zahlreiche Forschungsprojekte in Redmond

Microsoft will einen Standard für 3D-Grafik am PC setzen

23.08.1996

Talisman ist eines von zehn Projekten, die der Softwareriese aus Redmond präsentiert hat. Bis Ende 1997 sollen die ersten Produkte marktreif sein, Microsoft nannte als Anhaltspunkt einen Preis von 300 Dollar für ein entsprechendes Grafiksystem. Beim Design der neuen Generation von Grafikchips kooperiert Microsoft mit Cirrus Logic Inc., Fujitsu Microelectronics Inc., der Philips Electronics, North America Corp., Samsung Electronics Co. Ltd. sowie Silicon Engineering Co. Um die im Vergleich zu dedizierten Workstations eingeschränkten Möglichkeiten von PCs in bezug auf Bandbreite und Arbeitsspeicher voll ausnutzen zu können, wird bei der neuen Technik auf den herkömmlichen Frame Buffer verzichtet. Das Rendering von Objekten wird in die Grafikchips verlegt. Weitere Ressourcen sollen durch die Anwendung fortschrittlicher Kompressionsverfahren für die Oberflächentexturen eingespart werden.

Die Grafiken werden bei Talisman in unabhängigen Schichten erzeugt und manipuliert. Damit kann der Rechner sich auf Teile des Bildes konzentrieren, die besonders wichtig sind. Ein Objekt im Bildhintergrund beispielsweise braucht nicht so oft neu berechnet und gezeichnet zu werden wie eines im Vordergrund. Die einzelnen Bildlagen werden komprimiert und in einem als Compositing bezeichneten Prozeß zusammengefügt und direkt in den Bildspeicher geschrieben. Dadurch werden der Arbeitsspeicher und die CPU des Rechners erheblich weniger belastet als bisher.

Langzeitpartner Intel Corp. soll bei CPU-basierten Implementierungen von Talisman helfen. Talisman könnte einigen Eigenentwicklungen des Chipriesen Konkurrenz machen und ist laut Aussagen des Unternehmens auch nur eine von vielen Ideen, die Intel im Bereich 3D verfolgt. Intel-Pressesprecher Mike Miller meinte dazu: "Die Idee von Talisman gefällt uns und stellt eine sinnvolle Ergänzung unserer MMX-Technik dar. Wir werden deshalb Microsoft helfen, es auf den PC zu bringen. Aber 300 Dollar sind unserer Ansicht nach zuviel für ein Grafik-Subsystem. In Stückzahlen dürfte die Technik sich eher unter Nutzung des Hauptprozessors durchsetzen."

Anders als beispielsweise die Xerox Corp., in deren Palo Alto Research Center viele Schlüsseltechnologien heutiger PCs entwickelt, dann aber von anderen Unternehmen kommerzialisiert wurden, will Microsoft sich bemühen, die eigenständig entwickelten Technologien auch selbst zu nutzen.

Microsoft menschelt

Weitere Projekte, an denen die Forschungs- und Entwicklungsabteilung der Gates-Company derzeit arbeitet, sind

- "Vision Technology": Computer sollen Gegenstände, Gestik und Mimik interpretieren lernen. Benutzer könnten dann ihren Rechner durch Gesten steuern.

- "Social Interface": Lebensechte, animierte Charaktere sollen den Bildschirm bevölkern, die Wünsche des Benutzers erkennen und eine "Beziehung" aufbauen.

- "Natural Language": Computer sollen menschliche Sprache analysieren und produzieren können. Damit würde eine Sprachsteuerung des Rechners möglich.

- "Decision Theory": PCs sollen lernen, die Anforderungen ihrer Benutzer zu erkennen und sich an diese anzupassen, Probleme selbständig zu diagnostizieren und zu beheben.

- "Graphics": Verbesserte Methoden, realistische Objekte zu erfassen, auf dem Bildschirm darzustellen und zu verändern.