Konzernchef Steve Ballmer schnallt die Gürtel seiner Mitarbeiter enger

Microsoft will eine Milliarde einsparen

16.07.2004
MÜNCHEN (CW) - Mit einem Sparprogramm will Microsoft seine Anleger versöhnen und intern die Weichen für die Zukunft stellen. Firmenchef Steve Ballmer appellierte an die Belegschaft, Fehler traditioneller Konzerne zu vermeiden und innovativ zu bleiben.

Rund 4900 Wörter brauchte Ballmer vergangenen Woche in einem Memo, um den rund 57000 Angestellten des Konzerns die aktuelle Situation darzulegen und sie für das neue Fiskaljahr aufzurütteln. Sein Tenor: Microsoft ist kein Startup mehr und muss Geld sparen, ohne dass dabei die Innovationskraft und die Motivation auf der Strecke bleiben. Mit derartigen Problemen unterscheidet sich der Konzern nicht wesentlich von anderen etablierten Großunternehmen, nur verfügen diese in der Regel nicht über ein Finanzpolster von mehr als 55 Milliarden Dollar sowie ein weltweites De-facto-Monopol. Die Vorteile von Microsoft erweisen sich indes zunehmend als schwere Bürde, denn der Konzern droht zu erstarren.

Das "Wall Street Journal" wertet Ballmers Memo als Beweis dafür, dass sich Microsoft mit geringerem Wachstum und diversen Problemen herumschlagen muss, die für gereifte Unternehmen typisch sind. Das Unternehmen bemühe sich darum, ein wenig von der Disziplin älterer Firmen einzuführen und gleichzeitig den aggressiven Geist zu bewahren, der zu seiner Dominanz im PC-Softwaremarkt geführt hat. Hinzu kommt der wachsende Wettbewerbsdruck für Microsofts etablierte Produkte aus dem Open-Source-Lager.

"Wird der Aktienkurs steigen?"

Die "Kernfragen" hätten ihm eigentlich die eigenen Mitarbeiter selbst auf den Tisch gelegt, schreibt Steve Ballmer in seinem Denkzettel: "Werden wir mit wichtigen Innovationen die Ersten sein? Werden exzellente Prozesse unsere Fähigkeit verbessern, uns abzuheben? Wird unser Fokus auf Kosten die Mitarbeiter persönlich treffen und neue Investitionen hemmen? Werden wir wachsen und wird unser Aktienkurs steigen? Bleibt der PC ein lebenswichtiges Werkzeug, und bleiben wir eine großartige Firma?" Ballmers Antworten fallen wenig überraschend optimistisch aus. Allerdings gesteht er ein, dass es nicht einfach ist, Softwarekunden, Anleger und Mitarbeiter gleichermaßen zufrieden zu stellen.

Zu Microsofts Plänen hinsichtlich seiner enormen Barreserven wollte Ballmer in einem Interview nicht konkreter werden. Er verwies auf eine frühere Ankündigung, voraussichtlich bis zu einem Analystentreffen Ende des Monats etwas mitzuteilen. Das Softwareunternehmen steht seit geraumer Zeit unter dem Druck seiner Aktionäre, die über den stagnierenden Aktienkurs klagen. Die Wallstreet erwartet, dass Microsoft entweder massive Rückkäufe eigener Anteilscheine oder eine deutlich höhere Dividende ankündigen wird. Das Unternehmen hatte im März 2003 erstmals in der Firmengeschichte acht Cent pro Aktie ausgeschüttet und die Dividende später auf 16 Cent je Anteilschein verdoppelt.

Sorgen bereitet Ballmer offenbar vor allem Microsofts Kostenstruktur. Das Unternehmen solle im laufenden Geschäftsjahr, das am 30. Juni 2005 endet, eine Milliarde Dollar einsparen, schrieb der Konzernchef. Im abgeschlossenen Fiskaljahr sind die operativen Kosten von zuvor 16,5 Milliarden auf 18,97 Milliarden Dollar geklettert. Das sind weit über 300000 Dollar pro Mitarbeiter - Oracle gibt etwa die Hälfte aus.

Die Kosten seien Ballmer zufolge seit drei Jahren stärker gestiegen als die Einnahmen. Folglich sollten Mitarbeiter künftig mehr Verantwortung für ihre Arbeit übernehmen, ihre Ziele besser als in der Vergangenheit priorisieren und sich auf fünf bis sieben messbare "Verpflichtungen" pro Jahr konzentrieren. Ein Konzernsprecher betonte, die Sparpläne seien nicht mit Entlassungen verbunden, und Microsoft werde bei seiner Einstellungspolitik in diesem Jahr nicht anders verfahren als in den Vorjahren. Angezogen wird die Schraube hingegen im Marketing-Bereich und bei den Ausgaben für die Angestellten.

Das Memo habe er verfasst, so Ballmer, um deutlich zu machen, dass er hinsichtlich Microsofts Zukunft "beschwingt und optimistisch" ist - trotz aller Sorgen, Microsoft könne Opfer von "Krankheiten großer Unternehmen" werden. Als größte wettbewerbliche Bedrohung sieht er derzeit und auch in Zukunft Linux und andere Open-Source-Produkte: "Aber wir wissen, was zu tun ist, um Neuerungen einzuführen und diese richtig zu bepreisen und zu verkaufen, um effektiv zu konkurrieren." (tc/ajf)