Kritische Analyse einer Markteinschätzung aus Redmond

Microsoft wehrt sich gegen das Monopolisten-Image

13.02.1998

In dem Posititionspapier "Competition in the Software Indu- stry" versucht Microsoft auf 15 Seiten darzulegen, daß das Unternehmen schon aufgrund der Marktanteile kein Monopolist ist und zudem ein Geschäftsmodell verfolgt, das den Wettbewerb fördert (vergleiche dazu auch die aktuellen Bilanzzahlen in CW Nr. 5 vom 30. Januar 1997, Seite 35). Microsofts Geschäftspraktiken hätten de facto sogar die Ziele der Antitrust-Gesetze verwirklicht, die darin bestünden, so die Gates-Company, den Kunden faire Preise, rasche Innovation und allgemeine Verfügbarkeit der Produkte zu garantieren. Allerdings rückt das Unternehmen den Begriff der allgemeinen Verfügbarkeit in die Nähe von (kartellrechtlich nicht unbedingt erwünschter) Marktdurchdringung, wenn es mit dem eigenen Ziel identifiziert, "für einen PC auf jedem Schreibtisch und in jeder Wohnung" sorgen zu wollen. Auch die Umdeutung fairer Preise in niedrige oder sinkende Preise deutet eher auf Verdrängungswettbewerb denn auf freie Konkurrenz.

Laut Positionspapier ist Microsoft gemessen am Umsatz nur ein Wettbwerber unter anderen. Zu dieser Einschätzung kommt das Unternehmen, weil der von ihm berherrschte Markt für PC-Betriebssysteme und PC-Standardanwendungen nie als eigenständiger Bereich genannt wird. Zum Beweis zieht Microsoft Statistiken heran, die zum Teil verschwindende Marktanteile ausweisen. Diese Zahlen sind nicht erfunden, aber dennoch irreführend, weil hier der Massenmarkt, in dem Microsoft hauptsächlich agiert, mit dem Hochpreisbereich des IBM-Mainframe-Sektors vermischt wird, in dem eine Betriebssystem- oder Datenbankkopie mehrere hunderttausend Mark kosten kann. Würde man den Marktanteil - was genauso einseitig wäre - statt am Umsatz an den Stückzahlen messen, so käme heraus, daß Microsoft nahezu jeden DV-Bereich dominiert. Schließlich stattet das Unternehmen die Massen von Desktop-PCs mit Software aus, die Workgroup-Server dahinter aber nur zu einem kleinen Teil und die Großrechner im Back-end gar nicht.

Konkret errechnet das Unternehmen für sich im weltweiten Markt für Informationstechnik einen Anteil von nur einem Prozent, im etwas enger gefaßten Computermarkt kommt es auf zwei Prozent und auf vier Prozent im globalen Software-Geschäft. Selbst im Betriebssystem-Bereich gibt es reichlich Konkurrenz, wenn man alle Handheld-Geräte- und Großrechnersysteme dazurechnet. Der angestammte PC-Markt wird kaum gestreift, obwohl es auf Intel-Plattformen nur noch marginale Konkurrenz gibt: OS/2 in Versicherungen und Banken, Linux bei den Computerfreaks. Hinzu kommen etwas über drei Prozent Marktanteil für die Macintosh-Systeme. Konkret hat Microsoft 1997 nach Angaben des Marktforschungsunternehmens IDC 87 Prozent der weltweiten 76,6 Millionen Client-Betriebssystem-Kopien verkauft. IBM und Apple kommen zusammen nur noch auf einen Stückzahlen-Marktanteil von 6,6 Prozent.

Nach demselben Muster argumentiert Microsoft, um möglichen Monopolvorwürfen bezüglich der Anwendungssoftware zu begegnen. Hier wird darauf hingewiesen, daß man im Datenbank-Bereich (über alle Plattformen hinweg) nur sechs Prozent Marktanteil besitze, bei E-Mail-Software 14 Prozent und bei Online-Diensten mit dem darbenden Microsoft Network (MSN) lediglich neun Prozent. Verschwiegen wird die Dominanz auf dem PC mit dem Büropaket "Office" insgesamt sowie mit den ausgekoppelten Anwendungen, also der "Access"-Datenbank, der "Word"-Textverarbeitung dem "Excel"-Spreadsheet und dem Präsentationsprogramm "Powerpoint".

Monopolist ist Microsoft nach eigener Einschätzung aber auch deshalb nicht, weil sein Geschäftsmodell auf Wettbewerbsförderung ausgelegt ist. Dabei gehe es um die

- rasche Entwicklung innovativer Software,

- flächendeckende Versorgung des Marktes mit Produkten zu attraktiven Preisen und

- enge Zusammenarbeit mit Hard- und Softwarepartnern.

Tatsächlich ist Microsoft trotz häufiger Verspätungen für seine kurzen Innovationszyklen bekannt. Doch kann ein Marktführer diese Geschwindigkeit auch als Druckmittel einsetzen. Kleinen Softwarehäusern, die ihre Anwendungen immer wieder an neue Betriebsspezifikationen anpassen müssen, bleibt wenig Zeit, sich Plattformen anderer Hersteller anzuschauen. Kartellwächter hatten bei Innovation dagegen eher den Ideenwettbewerb möglichst vieler Anbieter im Auge.

Ähnlich janusköpfig präsentiert sich das Argument des massenhaften Verkaufs zu "attraktiven" Preisen. Auf diese Weise sind die Produkte zwar für viele Anwender erschwinglich, können aber über Preisdumping die Konkurrenten vom Markt zu fegen, so daß schließlich nur noch das Produkt eines Herstellers allgemein zugänglich ist. Zwar ist richtig, daß im Internet-Markt jetzt auch Netscape angefangen hat, seinen Browser zu verschenken. Doch steckte dahinter das Ziel, die Aufmerksamkeit auf die sehr wohl kostenpflichtige Server-Software zu lenken. Dieses Konzept unterläuft der weit solventere Anbieter Microsoft, indem er den Web-Server ebenfalls verschenkt.

Das Unternehmen interpretiert auch das Anliegen der Kartellbehörden, die Bürger flächendeckend mit den Produkten zu versorgen, die sie brauchen, zum zum eigenen Vorteil: Microsoft versteht diese Forderung als Aufruf, möglichst jeden Menschen mit Windows-Software auszustatten. Tatsächlich ist der PC und die dazugehörige Basissoftware insbesondere im Berufsleben schon heute oft so wichtig wie das Telefon oder die tägliche Post. Doch bei aller Privatisierung sind die Anbieter solcher Infrastruktur immer auch dem Gemeinwohl verpflichtet und nicht nur den Aktionären.

Was nun die enge Zusammenarbeit mit Partnern betrifft, so ist richtig, daß Microsoft zusammen mit PC-Partnern "einen Standard für PCs" geschaffen hat und die Entwickler freigiebig mit Werkzeugen versorgt. Nach einigen Problemen werden selbst Konkurrenten mit den nötigen Schnittstellen-Informationen versorgt. Dennoch gibt es immer wieder Klagen von Microsoft-Partnern über aufgezwungene Vereinbarungen, die dem Unternehmen wiederholt den Monopolismus-Vorwurf eingetragen haben. Solche Vertragsbestandteile haben zum Consent Decree und jetzt zur Klage des amerikanischen Justizministeriums geführt.