Integration über Standardtechniken wie XML

Microsoft verspricht Öffnung seiner Softwareplattform

21.07.2000
AMSTERDAM (ws) - Angesichts der hochsteckten Ziele der Dot-Net-Kampagne, mit der Microsoft zu einer Internet-Company werden will, führt kein Weg an einer stärkeren Öffnung der Windows-Plattform vorbei. Neben der Propagierung von Standardtechnologien wie XML kommen dabei den Produkten "Biztalk Server" und dem "Host Integration Server" besondere Bedeutung zu.

Die Bemühungen von Microsoft, die Interoperabilität der eigenen Plattform mit Systemen der Konkurrenz zu verbessern, sind vor allem Ergebnis einer korrigierten Markteinschätzung. Noch Mitte der 90er Jahre waren Bill Gates und seine Mitstreiter zuversichtlich, dass Client-Server-Systeme bald die Großrechner verdrängen würden. Unter Ausnutzung des Desktop-Monopols und der gestiegenen Leistung von Intel-Standardhardware würde Microsoft dann auch in der Lage sein, im Kampf um die Mainframe-Erbschaft Unix aus dem Feld zu schlagen.

Angesichts der konstant gebliebenen Verkaufszahlen für die großen Eisen und der Loyalitiät bestehender Anwender muss sich die Gates-Company auf eine Koexistenz mit den Großrechnern einstellen. Vesa Suomalainen von Microsofts Enterprise Interoperability Group ging auf der diesjährigen Teched-Konferenz in Amsterdam davon aus, dass sich seine Firma auf das Vorhandensein von Mainframes für zumindest die nächsten zehn bis 15 Jahre einrichte. Aus diesem Grund ließ der Hersteller aus Redmond dem bisherigen "SNA Server" unter der neuen Bezeichnung "Host Integration Server 2000" eine Vielzahl neuer Funktionen angedeihen (siehe Kasten).

Auch hinsichtlich Unix hat Microsoft wenig Anlass, an die Marginalisierung dieses Systems durch den Vormarsch von Wintel-Rechnern zu glauben. DasInternet führte zu einem unerwarteten Aufschwung für dieses OS. In puncto Integration kommt hinzu, dass sich Unix nicht auf die großen Datenbank-Server im Backend beschränkt, die in alle Umgebungen relativ leicht einzubinden sind. Vielmehr macht sich mit Linux eine Variante dieses Betriebssystems auch im Segment für Abteilungs-Server breit, wo sich Windows NT zuvor ausschließlich mit Novell Netware auseinander zu setzen hatte. Überraschend offen gab ein Microsoft-Vertreter auf der Teched zu, dass die Windows-Company in ihrer Planung dem freien Unix-Clone einen festen Platz einräumen müsse. Diese Einsicht schlägt sich in den Integrations-Tools "Services for Unix" (SFU) nieder, die in der bevorstehenden Version 2.0 erhebliche Fortschritte gegenüber der ersten Ausführung machen. Nach der Übernahme der Firma Interix im letzten Jahr erweitert sich das zuvor magere Angebot an Unix-Tools wie "awk", "grep" oder "sed" erheblich. Interessanter dürfte die verbesserte NFS-Unterstützung durch entsprechende Client-, Server- und Gateway-Software sein. Letztere bildet bei jedem Zugriff auf Unix-Ressourcen durch Windows-Anwender die jeweiligen Windows-Konten auf ihre Unix-Widerparts ab (mapping) - und umgekehrt. Zusätzlich kann ein Active-Directory-Server als Network-Information-System-(NIS-)Master fungieren, Microsoft bietet die dafür nötigen Migrations-Tools an. Nähere Informationen zu den SFU gibt es unter http://www.microsoft.com/windows2000/sfu.

Die von Microsoft angekündigte Öffnung der eigenen Plattform hat ihren Grund nicht nur in der Hartnäckigkeit der Konkurrenz. Sie ist auch Folge einer Neuausrichtung, die das Internet dem Office-Riesen aufzwang.

Auf dem Desktop hatte Bill Gates wenig Veranlassung, großen Aufwand in die Integration mit anderen Systemen zu stecken: Zum einen waren PCs bestenfalls über LANs vernetzt und mehr auf die persönliche Produktivität beschränkt, zum anderen versetzte die marktbeherrschende Position Microsoft in die Lage, nach Gutdünken De-facto-Standards zu setzen.

Die durch das netzwerkzentrierte Computing in Gang gesetzte Rezentralisierung verlangt von Microsoft eine verstärkte Konzentration auf das Server-Geschäft. Die mit viel Wirbel inszenierte Dot-Net-Kampagne lässt trotz aller schwammigen Verlautbarungen vor allem diese Stoßrichtung erkennen. Windows 2000 und die dazugehörige Server-Software sollen mit ihrem enormen Funktionsangebot dazu beitragen, dass Microsoft zu einem relevanten Software-anbieter für die Internet-Infrastruktur wird. Bisher ist dies eine Domäne von Unix und Open-Source-Projekten wie "Apache". Nicht nur in den Server-Farmen von ISPs möchten die Microsoft-Verantwortlichen mit ihren Back-Office-Software Fuß fassen, sondern verstärkt auch in den Rechenzentren großer Unternehmen. Diese unterliegen aber dank E-Business immer mehr den gleichen Anforderungen nach Interoperabilität und Integration wie Internet-Dienstleister. Will Microsoft in diesen serviceorientierten, heterogenen Umgebungen erfolgreich sein, kann Bill Gates kaum von allen Beteiligten verlangen, dass sie die Produkte eines einzigen Herstellers nutzen müssen, um miteinander ins Geschäft zu kommen.

Verstärkte Integrationsbemühungen bedeuten für Microsoft kein Abschied vom Single-Plattform-Ansatz. Angestrebt wird vielmehr eine eng verzahnte und möglichst funktionsreiche Umgebung auf Basis von Windows 2000 und des integrierten Komponentenmodells COM+. An das neue OS angepasste Updates des gesamten Back-Office-Portfolios sollen noch in diesem Jahr auf den Markt kommen. In vielen Fällen beschränken sich diese nicht auf die Harmonisierung mit Windows 2000, sondern umfassen einen weitgehenden Um- und Ausbau bestehender Produkte. Dies gilt besonders für "Exchange 2000", dessen Architektur einer grundlegenden Renovierung unterzogen wurde und das mit Seitenblick auf Lotus Notes zahlreiche neue Funktionen erhielt.

Die zunehmend enge Verstrickung aller Microsoft-Produkte untereinander verleiht deren separatem Verkauf beinahe einen willkürlichen Charakter. Welche Funktion sich in welchem Paket findet, scheint vornehmlich eine Frage des Marketings zu sein. In der Praxis läuft die Nutzung eines Produkts immer mehr darauf hinaus, dass weitere erworben werden müssen. So setzt der Biztalk Server für die Speicherung der verarbeiteten Geschäftsdokumente den "SQL Server" voraus, der in die Developer-Version von Office gepackte Workflow-Designer wird ohne Exchange 2000 nur wenig Nutzen bieten. Exchange 2000 setzt den Internet Information Server (IIS) voraus, der im Gegensatz zu anderen Back-Office-Servern aber Teil des Betriebssystems ist. Umgekehrt wäre der mit Exchange 2000 ausgelieferte "Web Store", eine Datenbank, die sich besonders für Dokumente und schwach strukturierte Informationen eignet, auch für Anwender interessant, die nicht gleich das gesamte Messaging-System einsetzen wollen. Immerhin bewirbt Microsoft diese viel versprechende Technologie als Dateisystem der nächsten Generation. Beispiele für derartige wenig plausible Grenzziehungen zwischen Funktionen lassen sich mit zunehmender Verschränkung der Produkte immer häufiger finden.

Faktisch trägt Microsoft der immer weniger entwirrbaren Verflechtung der eigenen Produkte Rechnung, indem die aktuellen Marketing-Kampagnen den Plattformbegriff unversehens ausweiten. Sprechen Firmenverantwortliche von der "Microsoft-Plattform", verwenden sie diesen Begriff mittlerweile synonym mit den Produkten und Technologien, die das Unternehmen unter der Bezeichnung "Windows DNA" zusammenfasst. Darunter fallen neben Windows 2000 und den darin enthaltenen Diensten wie dem Transaktionsmonitor oder der Messaging-Middleware "MS MQ" alle Back-Office-Server und sämtliche Entwicklungswerkzeuge, die "Visual Studio" versammelt.

Integration in ein heterogenes Umfeld bedeutet aus der Sicht einer homogenen, massiv funktionsbeladenen Plattform zunächst Öffnung für standardisierten Datenaustausch und für gängige Zugriffstechniken. Bei Letzteren spielt im Web-Zeitalter das Hypertext Transfer Protocol (HTTP) eine herausragende Rolle. Aus diesem Grund treibt Microsoft im Rahmen der Dot-Net-Kampagne die "Webifizierung" seiner Produkte voran, möglichst viele Funktionen sollen als Web-Service erreichbar sein. Diese Ambitionen schlagen sich beispielsweise darin nieder, dass alle Objekte in der Exchange-2000-Datenbank über eine URL ansprechbar sind, dass Anwender über Web-Adressen und Xpath-Angaben sogar im "SQL Server 2000" navigieren können oder dass sich Geschäftsvorgänge im Biztalk-Server auf dem gleichen Weg oder über ein anderes im Internet gebräuchliches Protokoll wie SMTP anstoßen lassen.

Auch Microsofts Engagement für die Extensible Markup Language (XML) folgt den Bestrebungen zur Öffnung einer hermetischen Plattform. Durch die Beschreibung von Daten mittels XML-Meta-Informationen erlangen sie eine weitgehende Unabhängigkeit von den Anwendungen, mit denen sie erstellt wurden. Auf diese Weise lassen sich die Daten von anderen Applikationen weiterverarbeiten, wenn diese die Bedeutung der Metadaten verstehen können. Die Flexibilität von XML beschränkt diese Markup-Sprache nicht bloß auf den Datenaustausch, sondern eröffnet in Kombination mit HTTP auch der Anwendungsintegration neue Möglichkeiten. Genau auf diesen beiden Technologien fußt das Simple Object Access Protocol (Soap), dass beim Aufruf entfernter Prozeduren die notwendigen Parameter im XML-Format übergibt und zurückgegebene Informationen in eben dieser Form weiterreicht. Von Bedeutung ist dies für die Interoperabilität von Microsofts proprietärem Komponentenmodell COM, das auf anderen Plattformen so gut wie keine Verbreitung gefunden hat.

Neben der besseren Ausstattung des bestehenden Server-Portfolios mit Web-Funktionalität versucht Microsoft zusätzlich durch dedizierte Produkte, die hauseigene Plattform auch dort ins Spiel zu bringen, wo übergreifende Geschäftsabläufe zu bewältigen sind. Auf Systemebene leisten die bereits erwähnten Services for Unix die bessere Anbindung an ein Konkurrenz-OS. Wichtiger in diesem Zusammenhang ist aber die Anwendungsintegration, so dass beispielsweise Windows-Anwendungen, die über das Internet eingehende Aufträge verarbeiten, Transaktionen auf Host-Anwendungen oder Standardpaketen wie R/3 auslösen können. Für diesen Zweck spielen in Microsofts Server-Angebot der Host Integration Server und der Biztalk-Server eine zentrale Rolle. Letzterer geht in seinem Anspruch weit über den XML-basierten B2B-Datenaustausch hinaus und beinhaltet mit der "Business-Orchestration"-Komponente umfangreiche Werkzeuge zur Modellierung und Abarbeitung von komplexen Geschäftsprozessen.

Hosts in der Windows-Welt

Host-Integration in PC-Umgebungen bedeutete lange nur Gateway-Funktionen auf Protokollebene und darauf aufbauend Terminalzugriff sowie Datei- und Druckdienste. Mit dem SNA Server deckt Microsoft derartige Funktionen ab, geht aber inzwischen mit Integrationsangeboten auf Anwendungsebene darüber hinaus. Um diese anspruchsvolleren Features zu vermitteln, wurde das Produkt in der nächsten Version auf "Host Integration Server 2000" (HIS) umgetauft.

Eine zentrale Rolle spielt bei Anwendungsintegration neben der Brücke zwischen MSMQ und "MQ Series" der "COM Transaction Integrator" (Comti) für Cics und IMS. Er lässt Host-Applikationen aus der Sicht von Windows-Programmen wie COM-Komponenten aussehen ("Wrapper"). Visual Basic oder andere COM-fähige Sprachen können somit über den Aufruf von COM-Methoden Mainframe-Transaktionen in Gang setzen, wahlweise über LU 6.2 oder TCP/IP.

Das in Kürze erwartete Update bringt nicht nur Unterstützung für COM+ mit sich, sondern vereinfacht auch die Erstellung der COM-Schnittstellen zu den Host-Applikationen. Der "Comti Component Builder" umfasst einen Cobol-Import/Export-Wizard, in dem Entwickler die Datendefinitionen der Cobol-Quellen präsentiert bekommen. Das Tool generiert anhand der markierten Parameter und der gewünschten Rückgabewerte eine Component Library (TLB-Datei). Über Drag and Drop derselben in den "Component Explorer" entsteht das erforderliche COM-Objekt.

Comti läuft vollständig auf dem Windows-System und erfordert daher keine Anpassung von Host-Programmen. Microsoft schrieb den Code für den Zugriff auf IBM-Rechner selbst, für die Kommunikation mit anderen Maschinen steuerten deren Hersteller (darunter Unisys, ICL, Amdahl und Bull) für den HIS eigene Comti-Adapter bei.

Comti funktioniert aus der Box allerdings nur für moderne Cics-Anwendungen, die Geschäfts- und Präsentationslogik sauber voneinander trennen. Microsoft schätzt deren Anteil auf bloß 20 Prozent, bei den verbleibenden handelt es sich um 3270-Applikationen. Um diese via Comti in die Microsoft-Umgebung einzubinden, entwickelte die Software AG nach einem Abkommen mit Microsoft den "Cics 3270 Adapter". Dabei handelt es sich um ein Host-Programm, das Komponenten aus "Entire X" nutzt und auf IBMs "Cics 3270 Bridge" aufsetzt (die ihrerseits Bestandteil von Cics TS 1.3 ist). Die Lösung unterstützt den CobolWizard, indem sie die Datendeklarationen auch aus Terminalprogrammen extrahieren kann. Im Gegensatz zu den meisten Cics-Anwendungen verliert der Cics 3270 Adapter der Software AG zwischen den jeweils bildschirmgebundenen Transaktionen nicht den Session-Kontext. Auf diese Weise können Anwendungen mehrere Transaktionen parallel verarbeitet werden.

Abb:Bei der Integration von Host-Anwendungen in Internet-basierte Geschäftsabläufe betrachtet Microsoft den Host Integration Server und den Biztalk Server als sich ergänzende Produkte. Quelle: Microsoft