Windows 95 wird auf Wunsch ohne den Internet Explorer ausgeliefert

Microsoft verliert eine Schlacht und könnte den Krieg erklärt bekommen

30.01.1998

Microsoft bietet PC-Herstellern jetzt zum einen eine Windows-95-Version an, die ohne das Internet-Explorer-Icon auskommt, im Prinzip aber die gesamte Browser-Software samt Oberflächenlogik in den Innereien von Windows 95 beläßt. Bei der zweiten Variante des seiner Browser-Funktionen beraubten Betriebssystems deaktiviert Microsoft die Internet-Software mit dem "Remove"-Befehl. Auch in diesem Fall bleibt der Internet Explorer fast komplett als Softwareballast erhalten.

Microsoft kam der von Richter Thomas Jackson im Dezember 1997 verfügten Anordnung, Betriebssystem und Internet-Software zu entkoppeln, in einer Weise nach, die nicht nur von Jackson, sondern von einer weiten Öffentlichkeit als offener Affront gegen das Justizministerium angesehen wurde: Microsoft bot Händlern entweder ein zwei Jahre altes Windows-95-Betriebssystem an oder eine neue Variante, die allerdings um den Internet Explorer verschlankt war. Letztere Version, warnte Microsoft, werde aber wohl nicht einmal in der Lage sein zu starten. Angesichts dieser Provokationen klappte das Ministerium schließlich das Visier herunter und nahm den Kampf mit Gates und seinem Rechtsanwälte-Stab auf.

Formal unberührt von der jetzt getroffenen Einigung bleibt die Klage des Justizministeriums, die bereits im Oktober 1997 gegen Microsoft eingereicht wurde. Hierin beschuldigt die US-Behörde den Softwarehersteller, gegen den 1995 rechtskräftig zwischen der Justizbehörde und Microsoft geschlossenen Consent Decree verstoßen zu haben. Über diese Klage wird am 21. April 1998 verhandelt.

Allerdings scheint sich die Stimmung in der Öffentlichkeit - und bei den mit dem Fall befaßten Richtern - erheblich zu Ungunsten von Microsoft entwickelt zu haben. Insider glauben, nunmehr sei es möglich, daß das Justizministerium zu einem weit größeren Schlag ausholt: Danach solle Microsoft gezwungen werden, Windows 98 ohne einen Internet Explorer auszuliefern. Der Windows-95-Nachfolger soll irgendwann Mitte oder Ende 1998 auf den Markt kommen. Bekannt ist, daß dieses Betriebssystem vollkommen mit der Internet-Software verwoben ist. Die Richterforderung könnte Microsoft also in einige Probleme stürzen.

Neu sind zudem Gerüchte, das Justizministerium werde wieder dem Verdacht nachgehen, daß Microsoft gegen Antitrust-Gesetze verstoße. Danach stünde das Wettbewerbsgebaren der Gates-Company im Widerspruch zum Sherman Antitrust Act. Dieser verbietet es, daß ein Unternehmen seine Monopolstellung in einem Marktsegment nutzt, um sich eine dominante Position in einem anderen Bereich zu erobern.

In diesem Zusammenhang wollen die Wettbewerbshüter auch Microsofts ausufernde Akquisitionen in Segmenten wie Internet-TV, Streaming-Technologien etc. unter die Lupe nehmen.