Microsoft verlegt Anstrengungen auf Windows NT Weiterentwicklung fuer DOS in Frage gestellt

13.08.1993

SYDNEY/MUENCHEN (IDG/CW) - Microsoft will die MS-DOS-Entwicklung offenbar langsam, aber sicher einschlafen lassen. So duerften Spekulationen zufolge kuenftige DOS-Versionen technisch immer mehr mit Windows zusammenwachsen, sollen aber weiterhin ohne grafische Benutzeroberflaeche auskommen.

Als Anfang vom Ende einer Windows-unabhaengigen DOS-Entwicklung werten Beobachter vor allem Microsofts schrittweisen Rueckzug aus der Applikationsentwicklung fuer das 16-Bit-Betriebssystem, das Gates vor zwoelf Jahren im Auftrag der IBM erarbeitete. So kuendigte das Unternehmen kuerzlich an, nach der Version 6.0 Word for DOS nicht mehr weiter zu entwickeln. Schon vor laengerem erhielten die Programme Chart und Multiplan die rote Karte. Im Bereich der DOS- Applikationen duerfte Microsoft der abnehmenden Benutzerschar kuenftig wohl nur noch Softwarepflege und Maintenance bieten.

Ein Sprecher der deutschen Microsoft will jedoch den Entwicklungsstopp fuer einige DOS-Applikationen nicht als Ausstieg aus der DOS-Entwicklung insgesamt gewertet wissen: "DOS selbst wird natuerlich weiterentwickelt. Diesen riesigen Markt werden wir auch kuenftig mit neuen Versionen versorgen."

Executive Vice-President Mike Maples erklaerte dagegen auf der "Windows World" in Sydney, dass alle Entwicklungsanstrengungen bei Microsoft unter dem Banner von NT laufen. Fuer diejenigen PC- Anwender, die keine Verwendung fuer die New Technology haben, werde die Gates-Company ab 1994 Nachfolger von Windows 3.1 anbieten. Sie verfuegen ueber 16- und 32-Bit-Funktionalitaeten und kommen ohne DOS als zugrundeliegendes Betriebssystem aus.

Windows erhoehe zwar die Kosten fuer den Anwender, weil eine leistungsstaerkere CPU, erhoehte Festplatten- und mehr Speicherkapazitaet benoetigt werden, aber der Markt sei offenbar bereit, diese Mehrausgaben zu tragen, fuegte Maples hinzu. Schliesslich seien von den im vergangenen Jahr schaetzungsweise 30 Millionen ausgelieferten PCs mehr als die Haelfte mit vorinstalliertem Windows 3.1 verkauft worden. Die Zahl der abgesetzten DOS-Applikationen sei dagegen im gleichen Zeitraum um 50 Prozent gefallen.

Allerdings, so betonte der Vice-President bei seinem Vortrag in Sydney, umfassten die kuenftigen Windows-Versionen alle heutigen DOS-Faehigkeiten wie Datenkomprimierung Doublespace, Memory-Management und Virus-Checking.

DOS 7.0 ist

Windows 4.0 minus Grafik

Nach Fertigstellung der naechsten Windows-Generation, so mutmasst die CW-Schwesterpublikation "Computerworld Australia", wuerde das Produkt seiner grafischen Oberflaeche entledigt. Was bleibe, sei die naechste DOS-Version. Erhaertet wird diese Annahme auch durch eine Aussage von Microsoft Senior Vice-President of Operating Systems Paul Maritz, DOS 7.0 sei Windows 4.0 minus Grafik.

Eine weiter voranschreitende Integration von Windows und DOS, die in technisch weitgehend deckungsgleichen Produkten gipfelt, koennen sich auch hiesige Beobachter vorstellen: "Vielleicht gibt es verschiedene Versionen ein und desselben Betriebssystems, technisch sind sie weitgehend identisch, aber das eine sieht aus wie DOS und das andere eben wie Windows", vermutet beispielsweise der Schweizer Microsoft-Beobachter David Rosenthal. Seiner Meinung nach wird es vor dem endgueltigen Aus noch ein bis zwei weitere Versionen von MS-DOS geben, um das heutige Marktpotential auszuschoepfen. Allerdings muss das nicht automatisch das Ende des 16-Bit-Betriebssystems bedeuten.