Der Markt für Office-Software und Produktivitäts-Tools

Microsoft und IBM beherrschen das Büro

24.09.2004
Von 
Uwe Küll ist freier Journalist in München.
Bei den reinen Office-Anwendungen deckt Microsoft den Markt fast ganz allein ab. Doch in den verwandten Bereichen E-Mail- und Kalendersoftware, Content- und Dokumenten-Management sowie Realtime- und Team-Collaboration belegt IBM weitgehend unangefochten Platz eins.

Der Markt für Office-Software-Lizenzen ist ein ziemlich langweiliger Gegenstand für Marktfoscher und Analysten. Wo ein Hersteller mit seiner "Office"-Suite 2003 weltweit rund 96,7 Prozent aller Lizenzen verkaufte, gibt es wenig zu untersuchen. Und so hat es Gartner nach den Worten von Tom Eid, Principal Analyst Software Applications, denn auch aufgegeben, entsprechende Berichte zu veröffentlichen. Wer will schon wirklich wissen, wie sich die restlichen drei Prozent auf "Apple Works", IBMs "Lotus Smart-Suite" und Suns "Star Office" oder Corels "Wordperfect Office" verteilen? Eine nennenswerte Änderung der Marktsituation ist derzeit weder von diesen Konkurrenten noch aus der Open-Source-Ecke zu erwarten, meint Eid.

Die derzeit einzige deutlich wahrnehmbare Entwicklung kommt vielmehr vom Marktführer Microsoft: Die Strategen aus Redmond nehmen im Kampf um den Desktop verstärkt die angrenzenden Marktsegmente ins Visier - als da wären: E-Mail- und Kalendersoftware, Content- und Dokumenten-Management sowie Realtime- und Team-Collaboration-Software. Mit Produkten wie "Outlook" oder "Sharepoint Portal Server" und deren Integration in die hauseigene Office-Suite weicht Microsoft nicht nur die Definition von Office-Software auf. Vielmehr sagt der Softwaregigant indirekt IBM den Kampf an. Big Blue nämlich dominierte diese Märkte bislang in Westeuropa, wie die Marktzahlen für 2003 von Gartner zeigen. Konkrete Daten für Deutschland veröffentlicht Gartner nicht, doch laut Eid gelten die allgemeinen Trends mit leichten Abweichungen auch für den deutschen Markt, der durchschnittlich ein Fünftel aller IT-Investitionen in Westeuropa ausmacht.

Im Bereich E-Mail- und Kalendersoftware ist IBM demnach eindeutiger Marktführer. Fast zwei Drittel der Lizenzumsätze (63 Prozent) konnten die Armonker für "Lotus Notes/Domino" verbuchen. Sie liegen weit vor der Nummer zwei, Microsoft (23 Prozent) mit "Outlook/Exchange". Angesichts der weiten Verbreitung von Outlook mag diese Verteilung verwundern. Sie erklärt sich jedoch aus dem Umstand, dass die Zahlen sich nicht auf Clients beziehen, sondern auf Server-Lizenzumsätze. Hier liegt IBM mit Lotus Notes vorn, verliert jedoch langsam Marktanteil, während Microsoft zulegt. Absolut wachsen konnten zwar auch Novell - durch den Zukauf von Suse -, Oracle und Gordano, ein Anbieter aus Großbritannien. Doch angesichts eines Marktanteils von jeweils weniger als einem Prozent (Ausnahme Novell, 3,4 Prozent) ist von ihnen wenig Einfluss auf die

Marktentwicklung zu erwarten. Insgesamt wuchs der Markt in dieser Zeit um vier Prozent von 411 auf 427 Millionen Dollar. Deutschland liegt hier nach Einschätzung von Gartner-Analyst Eid voll im Trend.

IBM verliert Marktanteile

Im Bereich Content- und Dokumenten-Management-Systeme nimmt der deutsche Markt eine besondere Stellung ein: Knapp 25 Prozent des Umsatzes mit Content- und Dokumenten-Management-Systemen in Westeuropa werden in Deutschland generiert. Als Marktführer mit 16,2 Prozent sieht Gartner hier IBM. Nach der Akquisition von Ixos (zwölf Prozent Marktanteil) dürfte jedoch Opentext, für 2003 noch mit 11,5 Prozent Marktanteil gelistet, inzwischen die Spitzenposition in Westeuropa und damit auch in Deutschland übernommen haben. IBM läge dann auf Platz zwei. Documentum (heute Teil von EMC), das in der Gartner-Tabelle der wichtigsten Player für 2003 noch auf Platz zwei positioniert ist, hält demnach Rang drei mit zwölf Prozent Anteil am Markt. Dessen Volumen ist 2003 mit 296 Millionen Dollar nach 269 Millionen Dollar im Vorjahr um rund zehn Prozent gewachsen.

Stärker noch legte das Geschäft mit Lizenzen für Echtzeit- und Team-Collaboration-Software zu: Um beeindruckende 17 Prozent kletterten die Umsätze der Anbieter in Westeuropa von 2002 bis 2003 auf 78,6 Millionen Dollar. Gartner subsumiert hier Software für Web-Conferencing, Application Sharing sowie Tools für Diskussionsforen und dokumentenbasierte Zusammenarbeit. Den Löwenanteil dieser in Deutschland nach Einschätzung von Eid derzeit noch unterentwickelten Produktkategorien sicherte sich einmal mehr IBM. Mit Produkten wie "Sametime", "Quickplace" oder dem "Lotus Workplace" erzielte Big Blue 2003 Einkünfte von 23,5 Millionen Dollar. Das entspricht fast 30 Prozent Marktanteil.

Der weltweite Marktführer Webex hingegen kam mit 5,4 Prozent für sein "Meeting Center" in Westeuropa nur auf Platz vier. Rang zwei sicherte sich Genesys mit fast elf Prozent, gefolgt von Microsoft, das nach der Übernahme von Placeware dessen Concerence Center in "Microsoft Office Live Meeting 2003" umtaufte und mit fünf Millionen Dollar 6,4 Prozent der westeuropäischen Lizenzumsätze verbuchen konnte. Der Name des Produkts verdeutlicht die eingangs skizzierte Microsoft-Strategie der Erweiterung des Office-Begriffs.

Als wesentlichen Marktfaktor nennt Eid für alle Segmente den wachsenden Bedarf der Menschen, miteinander zu kommunizieren und zusammenzuarbeiten. So wird beispielsweise Content- und Dokumenten-Management-Software nicht nur zur Ablage und Verwaltung von Dateien benutzt. "Es geht vielmehr darum, den ganzen Prozess von der Entstehung über die Prüfung und Freigabe von Dokumenten, ihre Veröffentlichung, Verbreitung, Überarbeitung und Integration in andere Dokumente zu steuern und zu kontrollieren." Dabei sind nicht nur die Werkzeuge für das Management von Inhalten gefragt, sondern auch E-Mail- und Kalendersoftware sowie Software, die Meetings verteilter Gruppen unterstützt, beispielsweise durch Video- und Web-Konferenzen.

Speziell für den Markt des Content- und Dokumenten-Managements haben die neuen Regelungen auf staatlicher und europäischer Ebene nach Ansicht von Eid einiges zum Wachstum beigetragen. "Compliance, also die Erfüllung staatlicher Anforderungen, spielt hier - wie weltweit - eine große Rolle", beobachtet er. In Deutschland haben die "Grundsätze zum Datenzugriff und zur Prüfbarkeit digitaler Unterlagen" (GDPdU) für Furore gesorgt.

Das Wachstum hält weiter an

Unabhängig davon sieht Eid eine steigende Nachfrage nach Highend-Lösungen, die komplette Prozesse unterstützen. Aber auch kleinere Lösungen erfreuen sich wachsender Beliebtheit. Viele Anwender, so Eid, brauchen einfach nur Kernfunktionen für das Wiederfinden, Erstellen oder sichere Speichern von Inhalten.

Im Bereich Kalendersoftware kommt hinzu, dass mit zunehmender Verbreitung von PDAs und anderen mobilen Endgeräten der elektronische Kalender an Bedeutung gewinnt, weil man ihn jetzt wirklich immer dabeihaben kann. Außerdem dringt mit den immer kleineren mobilen Computern die E-Mail-Kommunikation auch in Bereiche vor, in denen die Mitarbeiter nicht über einen eigenen Schreibtisch verfügen - vom Monteur in der Werkshalle über den technischen Außendienst bis hin zur Flugbegleiterin.

Insgesamt erwartet Gartner für den gesamten Bereich der klassischen Office-Software sowie für die angrenzenden Märkte in den nächsten Jahren weiteres Wachstum.

* Der Autor Uwe KÜll ist Redakteur bei der Computerwoche. [ukuell@computerwoche.de]