Beobachter vermuten kartellrechtliche Taktik

Microsoft-Team entwickelt für den Macintosh

17.01.1997

"Wir wünschen Ihnen alles Gute." Die freundlichen Worte von Paul Maritz, Microsofts Group Vice-President of Applications and System Software, an Apple klingen angesichts der schwierigen Situation des Macintosh-Herstellers und der jahrelangen Rivalität beider Unternehmen wie pure Ironie.

Doch an der Ernsthaftigkeit der "Genesungswünsche" bestehen kaum Zweifel, zumal die Gates-Company diese mit Taten untermauern will: Erstmals stellt der Softwaregigant ein separates, vorerst 100köpfiges Entwicklungsteam auf die Beine, das ausschließlich Macintosh-Applikationen produzieren soll. Konkret plant der Windows-Anbieter etwa, eine neue Version 4.2.1 der Bürosuite "Office" für Macintosh-Systeme sowie Updates der Web-Publishing-Software "Frontpage" auf den Markt zu bringen. Bislang verfolgte Microsoft die Strategie, Anwendungen zuerst für das eigene Betriebssystem Windows zu programmieren und einige davon anschließend auf Macintosh-Rechner zu portieren.

Apple liefert Macs mit Internet-Explorer

Aus "Qualitätsgründen", so erklärt Microsofts Produkt-Manager Kevin Unangst, soll diese Strategie nun zugunsten einer Native-Entwicklung geändert werden. Branchenkenner sehen in dem plötzlichen Macintosh-Engagement der Gates-Company jedoch eher einen Versuch, das Risiko einer erneut drohenden kartellrechtlichen Untersuchung durch die US-amerikanische Federal Trade Commission (FTC) wegen monopolistischen Verhaltens zu verkleinern - eine Vermutung, die Microsoft-Vertreter vehement dementierten.

Gänzlich ohne Haken ging der Deal allerdings für die Mannschaft von Firmenchef Gilbert Amelio nicht vonstatten. So mußte sich Apple bereit erklären, im Ausgleich zu den Entwicklungsbemühungen der Gates-Company seine Macintosh-Systeme mit dem Internet-Browser von Microsoft auszuliefern. Insgesamt dürfte sich das Geschäft für Apple, das im letzten Quartal Verluste in Höhe von 100 bis 150 Millionen Dollar hinnehmen mußte, dennoch lohnen.