Microsoft stempelt Vista-Benutzer zu Raubkopierern

30.08.2007
Eine Panne bei "Windows Genuine Advantage" beeinträchtigt regulär erworbene Windows-Kopien.

Das seit seiner Einführung häufig kritisierte Programm Windows Genuine Advantage (WGA) soll Microsoft dabei helfen, illegale Kopien des Betriebssystems aufzuspüren und möglichst alle Anwender zu zwingen, Lizenzgebühren an Redmond zu entrichten. Die Software geht davon aus, dass Anwender ihr Betriebssystem unrechtmäßig erworben haben, solange nicht durch Inspektion des Systems das Gegenteil bewiesen ist. Der am Wochenende auf den WGA-Servern aufgetretene Fehler führte dazu, dass Benutzer ihre legal erstandene Windows-Kopie nicht verifizieren konnten und diese daher als Raubkopie markiert wurde.

Vista teilweise deaktiviert

Während Windows XP den Nutzern in regelmäßigen Abständen Nachrichtenfenster präsentierte, die sie auf ihr angeblich illegales Handeln hinwiesen, mussten Vista-Anwender größere Nachteile in Kauf nehmen. Zu den neuen "Features" des Systems gehört nämlich der "reduzierte Funktionsmodus", in den das System dann schaltet, wenn es nicht innerhalb von 30 Tagen nach der Installation aktiviert wird oder wenn WGA es als "nicht authentisch" einstuft. Außerdem tritt er in Kraft, wenn Hardwarekomponenten des Rechners ausgetauscht werden.

Vorteile mit Nebenwirkung

In dieser eingeschränkten Ausführungsvariante stehen nach fehlgeschlagener WGA-Überprüfung einige wichtige Subsysteme nicht zur Verfügung, unter anderem die neue Oberfläche "Aero" oder die Cache-Funktion " ReadyBoost". Der volle Vista-Funktionsumfang lässt sich erst wieder nutzen, wenn die Installation von WGA als "genuine" anerkannt wird. Microsoft benötigte einen Tag, um die Störung zu beheben, so dass während dieser Zeit zahlreiche rechtmäßige Benutzer mit einem teilweise deaktivierten System zurechtkommen mussten.

Die WGA-Panne betraf alle jene Anwender, die versuchten, bestimmte Software von Microsofts Website herunterzuladen und dafür ihre Windows-Kopie überprüfen lassen mussten. Das "Advantage" in WGA steht nämlich für angebliche Vorteile, die redlichen Kunden vorbehalten bleiben. Dazu zählt das Recht auf Zusatzsoftware wie den "Internet Explorer 7", "Windows Defender" und einige weitere Utilities. Allerdings handelt es sich dabei weniger um Belohnungen, die extra für zahlende Kunden erfunden wurden, als vielmehr um Vergünstigungen, die vor der Einführung von WGA großteils für alle zugänglich waren und nun Raubkopierern vorenthalten werden.

Riskante Lizenzverwaltung

Die unter Vista verschärften Konsequenzen nach fehlgeschlagenen WGA-Prüfungen setzen Anwender unter zusätzlichen Druck. Microsofts Lizenzbedingungen sind ohnehin schon kompliziert genug, und eventuelle Fehler in der Lizenzverwaltung können dazu führen, dass Software von Redmond aus zumindest teilweise abgeschaltet wird. Gefährdet ist dabei auch der Key Management Service (KMS), mit dem sich eine große Zahl von Vista-Clients zentral freischalten lässt. Der KMS-Server kontaktiert regelmäßig Microsoft, und wenn der Hersteller Unregelmäßigkeiten in der Schlüsselverwaltung vermutet, deaktiviert er den Service.

Wie der jetzt aufgetretene Störfall im WGA-System zeigt, schützt nicht einmal große Sorgfalt beim Lizenz-Management vor unangenehmen Folgen. Aufgrund der Logik des WGA-Systems können rechtmäßige Benutzer, die ihre Lizenzgebühren bezahlt haben, unter Verdacht geraten, wenn die Verifizierung aus technischen Gründen fehlschlägt.

Trend zur Überlizenzierung

Kritiker finden Microsofts Vorgehen gerade bei Windows unangemessen, weil dort der Anteil von Raubkopien relativ gering ist. Aufgrund seiner Monopolstellung lässt das Unternehmen sein Betriebssystem auf praktisch allen neuen PCs vorinstallieren, so dass der Käufer neuer Hardware in den allermeisten Fällen eine gültige Windows-Lizenz besitzt.

In der Praxis kaufen viele Unternehmen sogar zwei Windows-Lizenzen pro Arbeitsplatz, weil Vista Enterprise nicht über PC-Hersteller, sondern nur über Volumenlizenzen erhältlich ist. Wenn die mit neuen Firmen-rechnern üblicherweise ausgelieferte OEM-Version von "Vista Business" nicht ausreicht, dann muss die Enterprise-Ausführung über eine Software Assurance zusätzlich erworben werden. Die im Preis für den PC enthalte-nen Kosten für das OEM-Windows rechnet Microsoft dabei nicht an. (ws)