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Microsoft steckt 135 Millionen Dollar in Corel

04.10.2000
Derek Burney neuer CEO und President

MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) - Seltsam, seltsam: Ausgerechnet Microsoft investiert 135 Millionen Dollar in das nach dem Scheitern der Fusion mit Inprise/Borland in finanzielle Schieflage geratene kanadische Softwarehaus Corel. Dieses zählt mit dem von Novell übernommenen "WordPerfect Office" und seinem Engagement in Sachen Linux eigentlich zu den Erzrivalen der Gates-Company. Nun ist Corel aus Sicht des Redmonder Imperiums plötzlich ein geeigneter Partner, um gemeinsam neue Anwendungen für Microsoft Internet-Strategie ".NET" zu entwickeln. Weh dem, der Böses dabei denkt...

Das tut offenbar so mancher, zumal Microsoft und Corel im Zuge ihrer überraschenden Partnerschaft "bestimmte juristische Angelegenheiten" friedlich beigelegt haben. Da drängt sich der Vergleich auf mit Microsoft-Investitionen der Vergangenheit - zum Beispiel in Apple oder eben Inprise, die beide juristische Munition gegen Microsoft besaßen, gleichzeitig aber in Geldnöten waren. In jedem Fall hält Microsoft mit seiner Corel-Finanzspritze die Konkurrenz im Anwendungsgeschäft (künstlich?) aufrecht. Rob Enderle von der Giga Group bringt die Sache auf den Punkt: "Es wäre schon ein verdammt schlechtes Timing für Microsoft, verlören sie direkt vor der Berufung im Antitrust-Verfahren einen weiteren Wettbewerber."

Microsoft kauft 24 Millionen stimmrechtslose Vorzugsaktien von Corel zu je 5,63 Dollar - zum Zeitpunkt der Ankündigung ein Premium von mehr als 50 Prozent. Bei Gefallen ließe sich das in eine 25-prozentige Beteiligung umwandeln, was Microsoft zu einem der größten Corel-Aktionäre machen würde. Die Kanadier können das Geld wahrlich gut gebrauchen: Ende August besaß die Company nur noch Bargeldreserven von 11,6 Millionen Dollar und kündigte an, nur durch Einsparung von 40 Millionen Dollar Kosten pro Jahr überleben zu können. Am 15. des gleichen Monats hatte zudem der langjährige Chef Michael Cowpland das Handtuch geworfen.

Der Corel-Aktie bekam die Nachricht erwartungsgemäß gut - sie stieg gestern um 57 Prozent auf 5,78 Dollar (und damit sogar knapp über den von Microsoft gezahlten Kaufpreis). Gleichzeitig gaben die Kanadier bekannt, dass Derek Burney, seit dem Abgang von Cowpland Interims-Chef von Corel, nun dauerhaft zum Chief Executive Officer (CEO) und President ernannt wurde. Burney soll an dem Microsoft-Deal wesentlich beteiligt gewesen sein.