Neuer Partner oder Wettbewerber am Tropf?

Microsoft sichert dem Erzrivalen Corel das Überleben

13.10.2000
MÜNCHEN (IDG/CW) - Microsoft hat sich mit 135 Millionen Dollar am kanadischen Softwarehaus Corel beteiligt. Die Finanzspritze sichert dem angeschlagenen Unternehmen zunächst das Überleben. Gleichzeitig wurden auch diverse "juristische Angelegenheiten" zwischen beiden Companies ad acta gelegt - ein Vorgehen, das in der Branche ein zwiespältiges Echo auslöste.

Die Vereinbarung der Unternehmen sieht vor, dass Microsoft zunächst 24 Millionen stimmrechtslose Vorzugsaktien von Corel zu je 5,63 Dollar erwirbt. Zum Zeitpunkt der Bekanntgabe Mitte vergangener Woche bedeutete dies einen Aufschlag um mehr als 50 Prozent auf den aktuellen Kurs der Corel-Aktie. Die Gates-Company könne dieses Investment jederzeit auch in eine offizielle Beteiligung umwandeln, hieß es. Mit knapp 25 Prozent wäre Microsoft dann einer der größten Corel-Aktionäre.

Kanadier waren so gut wie pleiteDas Kapital, auf das Corel sofortigen Zugriff hat, sichert der Company zunächst die Existenz. Bereits im April musste Corel im Zuge der gescheiterten Fusionsabsicht mit Inprise/Borland Liquiditätsschwierigkeiten einräumen. Ende August besaßen die Kanadier eigenen Angaben zufolge nur noch Bargeldreserven in Höhe von 11,6 Millionen Dollar und kündigten an, pro Jahr 40 Millionen Dollar Kosten einzusparen, weil sie sonst nicht überleben könnten. Zuvor hatte bereits der langjährige CEO Michael Cowpland das Handtuch geworfen.

Derek Burney, der seither als Übergangschef die Geschäfte geführt hatte, wurde einen Tag nach der Ankündigung des Deals offiziell zum President und CEO von Corel ernannt. Anders als Vorgänger Cowpland, der jede sich bietende Gelegenheit zur Konfrontation mit Microsoft genutzt hatte, gilt Burney als "Architekt" der neuen Allianz mit dem Softwareriesen. Man müsse jetzt "die Vergangenheit ruhen lassen und nach vorne blicken", erklärte der neue Corel-Frontmann in einer Telefonkonferenz in Anspielung auf diverse juristische Scharmützel, die man nun "beigelegt" habe. Nähere Kommentare hierzu lehnten beide Firmen ab.

In jedem Fall geht es bei der Vereinbarung um weit mehr als eine Finanzspritze für Corel. So will man künftig gemeinsam Anwendungen für die neue "Dotnet"-Plattform von Microsoft entwickeln. Dies dürfte zunächst vor allem bedeuten, dass Corel seine direkten Konkurrenzprodukte "Wordperfect" und "Corel Draw" an die neue Microsoft-Plattform anpasst. Gerüchte, wonach Corel seine in den vergangenen beiden Jahren schwerpunktmäßig betriebenen Entwicklungsanstrengungen in Sachen Linux einstellen werde, dementierte Burney allerdings. Man werde das Geld von Microsoft auch für die Fertigstellung von Linux-Produkten verwenden, hieß es.

Zahlreiche Analysten halten Letzteres allerdings für ein Ablenkungsmanöver und unterstellen Microsoft einmal mehr die Absicht, mit der Investition künstlich einen schwachen Konkurrenten am Leben zu erhalten. "Es wäre schon ein verdammt schlechtes Timing für Microsoft, verlören sie direkt vor der Berufungsinstanz im Antitrust-Verfahren einen weiteren Wettbewerber", brachte Rob Enderle von der Giga Group die Bedenken auf den Punkt. Als das Kartellverfahren gegen Microsoft Anfang 1998 begann, hatte man in identischer Weise 150 Millionen Dollar in Apple investiert. Ähnlich verhielt es sich im Falle Inprise.