Collaboration und Portale

Microsoft Sharepoint kann Exchange nicht ersetzen

02.04.2008
Der "Sharepoint Portal Server" wird als Plattform für Collaboration und Dokumenten-Management gepriesen. Doch deswegen von Microsoft Exchange auf Sharepoint zu migrieren ist nicht immer sinnvoll. Komplexe Projekte warten auf den Anwender.

Anlässlich der ersten Konferenz rund um den Microsoft Office Sharepoint Portal Server (MOSS) hatte der Hersteller vor einiger Zeit vorgeschlagen, die Verwaltung so genannter öffentlicher Ordner aus Microsoft Exchange nach Sharepoint zu verlagern. Doch als sich die Fertigstellung der aktuellen Version "Exchange 2007" näherte, wurden diese Pläne zunächst zurückgestellt. Allerdings gab es weiterhin Überlegungen, den Umbau möglicherweise in einem späteren Release von Sharepoint nachzuholen. Doch auch diese Pläne sind nun offenbar vom Tisch. So betonte kürzlich das Entwicklerteam von Exchange in seinem Blog, dass die Collaboration-Software auch künftig öffentliche Ordner haben wird, und zwar mindestens noch zehn weitere Jahre ab der Freigabe von Exchange 2007.

Zudem macht das Exchange-Team deutlich, in welchen Szenarien Anwender öffentliche Ordner besser mit Exchange 2007 als in Sharepoint verwalten sollten beziehungsweise wo Sharepoint derzeit keine Vorteile bietet. Als Beispiele nennen die Spezialisten die Verwaltung gemeinsamer Kalender und Kontakte, Diskussionsforen und organisationsspezifische Vorlagen. Nur Unternehmen, die erst mit dem Aufbau gemeinsamer Ordner beginnen, sollten hingegen organisationsspezifische Vorlagen sowie gemeinsame Dokumente künftig mit Sharepoint verwalten, so die Empfehlung.

Diese Vorschläge überraschen angesichts Microsofts Strategie, Sharepoint als Allzweckwaffe für Collaboration zu positionieren und mit seiner Hilfe Office-Anwendungen mit dem Web zu verbinden. "Sollten der Informationsaustausch und Diskussionsforen nicht besser in Sharepoint laufen, wo Anwender keinen Outlook-Client brauchen? Und sollten Kunden nicht besser ihre Formulare mit dem Forms Server von Sharepoint als mit Exchange verwalten?", fragen daher auch die Experten von CMS Watch.

Wo Exchange und Sharepoint ihre Stärken haben

Doch das Exchange-Team ist offenbar anderer Meinung. Es rät Kunden, sich immer genau die Anwendungsszenarien anzuschauen, bevor sie sich für Exchange oder Sharepoint entscheiden. "Viele Kunden fühlen sich derzeit bedrängt, ihre öffentlichen Ordner mit Sharepoint zu verwalten. Dabei wird übersehen, wie komplex eine Migration ist", warnen die Experten (siehe Kasten "Fallstricke bei der Migration"). Anwender sollten deshalb die grundsätzlichen Stärken von Exchange und Sharepoint in puncto Ordnerverwaltung kennen. Diese liegen bei Sharepoint in den "Team Workspaces", die eine einfache Zusammenarbeit und den Zugriff auf Mitarbeiter, Dokumente und Informationen ermöglichen, sowie in den Dokumenten-Management-Funktionen.

Während öffentliche Ordner in Exchange nie für eine ausgeprägte Dokumentenverwaltung konzipiert wurden, sei dies bei Sharepoint genau der Fall. So finden sich dort Funktionen wie "Check-in, Check out" oder die automatische Benachrichtigung bei Änderungen in den Dokumenten. Eine weitere Stärke ist die Möglichkeit, Workflow-Anwendungen zu erstellen, wozu Sharepoint Vorlagen mitliefert.

Mit Exchange hingegen erhalten Anwender eine bessere Integration in Outlook und "Outlook Express", so die Experten. Während Sharepoint-Nutzer zu jeder Liste und Bibliothek eigens eine Verbindung herstellen müssen, ließen sich die öffentlichen Ordner über den Exchange Server umfassend und sicher verwalten (inklusive Remote Access) sowie samt Ordnerhierarchie und Inhalten auf weitere Server replizieren. Sharepoint bietet keine Replizierung. Outlook-Nutzer müssen ihre öffentlichen Ordner nicht einzeln mit Exchange verknüpfen, sondern dies geschieht automatisch gemäß der Ordnerhierarchie. Trotz all dieser Probleme und Unterschiede will das Exchange-Team Sharepoint aber nicht rundweg verdammen oder auf eine Plattform für Dokumenten-orientierte Zusammenarbeit und Workflows reduzieren. Doch es warnt davor, eine Umstellung der Ordnerverwaltung zu unterschätzen. (as)

Fallstricke bei der Migration

Vor allem folgende Aspekte erschweren die Migration:

  • Sehr große, nur ungenügend organisierte öffentliche Ordner aus Exchange lassen sich nur mit erheblichem manuellem Aufwand migrieren, zumal die Organisationsstruktur sich in Sharepoint möglicherweise ändern muss.

  • Die Menge und Struktur der öffentlichen Ordner in Exchange erfordern unterschiedliche Vorgehensweisen bei der Migration. Anwender sollten ihren Speicherbedarf genau planen und bestimmte Ordnerstrukturen (beispielsweise Kalender) in die Sharepoint-Listen ohne Änderung übertragen. Ferner ist der Umgang mit zusammengesetzten Dokumenten (E-Mail mit Anhängen) zu klären. Werden diese lediglich als .msg-Dateien migriert, sollte es kein Problem geben. Sollen die Bestandteile indes separat verwaltet werden, ist dies genau zu planen.

  • Unternehmen sollten achtgeben, dass beim Einsatz von Migrationswerkzeugen die Benutzerrechte für die öffentlichen Ordner erhalten bleiben. Beispiele für Migrations-Tools für öffentliche Ordner sind "Quest Software", Cashal Solutions, Tzunami Information Works und Avepoint. Microsoft bietet zudem das kostenlose Tool "PDFavAdmin", das aber laut den Exchange-Experten nur dem Export der Benutzerrechte der einzelnen Ordner dient, nicht aber dem Import in Sharepoint.

  • Sharepoint besitzt anders als Exchange einige Beschränkungen bei den Ordnernamen. So sind beispielsweise URLs in Sharepoint auf 255 Zeichen beschränkt. Dateinamen dürfen keine Sonderzeichen haben.

  • E-Mail-Sammlungen aus Outlook Express lassen sich zwar an die Dokumentenbibliothek von Sharepoint schicken und liegen dort im Outlook Express Format (.eml) vor. Will der Anwender indes eine eml-Datei öffnen, zeigt ihm Sharepoint nur den Message-Body, nicht aber die Header oder eventuell vorhandene Anhänge. Anwender müssen daher entweder eine Anwendung erstellen, mit der sich eml-Dateien in das .msg-Format (gespeicherte Outlook-Mails) konvertieren lassen, oder sich im Web nach entsprechenden Konvertern umsehen.