Microsoft setzt Groupware-Akzente

30.03.2005
Nach mehreren Anläufen möchte Microsoft nun ein konsistentes Collaboration-Portfolio aufbauen. Drei Produkt-Updates und der Kauf von Groove Networks untermauern dieses Vorhaben.

Bill Gates verlieh der Real Time Collaboration (RTC), wie die gesammelten Funktionen zur Zusammenarbeit im Microsoft-Jargon heißen, persönlich das nötige Gewicht. Anlässlich der letzten Produktankündigungen führte der Chief Software Architect in einem Webcast seine Vision einer computergestützten Teamarbeit vor. Dabei kam die ganze Palette einschlägiger Software zum Einsatz, die Gates als integrierte Lösung präsentierte. Tatsächlich arbeitet das Unternehmen noch daran, die Produkte aus dem Windows Server System, Office sowie die zugekauften Lösungen eng miteinander zu verzahnen.

Teamfunktionen für Office

Ein Beispiel dafür ist der Online-Dienst "Office Live Meeting", der von der akquirierten Firma Placeware stammt. Die kürzlich freigegebene Version 2005 steht vornehmlich im Zeichen der Office-Integration. Sie wurde optisch und hinsichtlich der Bedienerführung an die hauseigene Bürosoftware angeglichen. Wie schon bisher bietet der Service eine Browser-Oberfläche, führt nun aber zusätzlich einen Windows-Client ein. Er ergänzt die Symbolleiste aller Office-Programme um die Möglichkeit, Online-Meetings zu beginnen. Zusätzlich verbesserte Microsoft die Anbindung von Outlook, so dass sich in dessen Kalender Online-Besprechungen planen lassen und auf diesem Weg Teilnehmer eingeladen werden können. Ähnliche Funktionalität steht übrigens auch Anwendern von Lotus Notes zur Verfügung. Das entsprechende, von Placeware stammende Plugin wurde im Zuge des Updates funktional erweitert.

Live Meeting unterstützt über VoIP die sprachliche Interaktion der Teilnehmer in Web-Konferenzen, so dass sie als Alternative zu Telefonkonferenzen dienen können. Daneben lässt es die Präsentation von unterschiedlichen Dateiformaten zu, von denen aber Powerpoint eine privilegierte Position einnimmt. Damit erstellte Folien kann eine lokal installierte Rendering-Komponente vorführen, so dass für eine flüssige Darstellung gesorgt ist. Die enge Verzahnung mit Office 2003 soll Microsofts Online-Dienst eine große Anwendergruppe zuführen und ihm damit Vorteile gegenüber den Konkurrenten Webex und Citrix ("GoToMeeting") verschaffen. Während Letzterer seinen Dienst nur in Englisch anbietet, möchte Microsoft wie Webex zukünftig mehrere Sprachen unterstützen, darunter auch Deutsch.

Universeller RTC-Client

Im Zuge der Collaboration-Initiative kündigte Microsoft zwei weitere Upgrades an. Es handelt sich dabei um den "Live Communications Server 2005" (LCS) und den dazugehörigen Client namens "Office Communicator 2005". Für den LCS steht das Service Pack 1 bevor, das sich nicht auf Fehlerbereinigungen beschränkt, sondern eine Reihe neuer Funktionen bringt. Das neue Frontend (Codename "Istanbul") hingegen gilt als Nachfolger des "Windows Messenger". Das Gespann aus den beiden Produkten soll verschiedene Kommunikationskanäle zusammenführen. Neben der bereits in den Vorgängerversionen vorhandenen Chat-Funktion unterstützt das Duo nun Telefonie über den PC. Der LCS 2005 lässt sich mit unternehmenseigenen Telefonanlagen koppeln, so dass ein- und ausgehende Anrufe intern über VoIP laufen. Anwender können dann entweder Gespräche direkt am PC oder mit einem SIP-kompatiblen Apparat führen. Die Lösung bietet zusätzlich die Option, eingehende Anrufe beispielsweise auf das Mobilfunknetz weiterzuleiten.

Das Duo aus LCS 2005 und Communicator stellt zudem die zentrale Presence-Funktion für die gesamte Real Time Collaboration zur Verfügung. Wie von allen gängigen Instant-Messaging-Clients bekannt, dient sie zur Anzeige des Online-Status von Benutzern. Neben "online" oder "offline" zählen dazu typischerweise "abwesend", "untätig" oder "beschäftigt". Die Installation des Communicator ergänzt alle Anwendungen von Office 2003 um Presence Awareness. Personennamen werden in verschiedenen Kontexten um die Anzeige des Online-Status ergänzt, seien es Absender im Eingangsordner von Outlook oder die von Smart Tags erkannten Adressaten in einem Word-Dokument. Drittanbieter können diese Funktionalität über eine Programmier-Schnittstelle in ihre Software integrieren.

Wie Live Meeting unterstützt der LCS in Kombination mit dem Communicator die gemeinsame Nutzung von Anwendungen, das Skizzieren von Ideen auf virtuellen Whiteboards, den Austausch von Dateien und die sprachliche Interaktion zwischen Mitgliedern eines Teams. Im Unterschied zum gehosteten Service dient der LCS primär als firmeninterne Lösung. Das gilt etwa für die IP-Telefonie, die für das Unternehmensnetz gedacht ist und die für die Kommunikation nach außen über die Telefonanlage geroutet wird. Spezialanbieter wie Stalker verfolgen hier einen anderen Ansatz, indem sie die Infrastruktur zur Überwindung von Firewalls anbieten und firmenübergreifendes VoIP mit Carrier-tauglicher Software anstreben.

Zusammenschluss der Systeme

Das Service Pack 1 (SP1) für den LCS 2005 vereinfacht kooperierenden Unternehmen nun den Zusammenschluss ihrer Systeme. Auf diese Weise können Mitarbeiter der verbundenen Organisationen gegenseitig ihren Online-Status einsehen und einen Chat miteinander führen. Die Reichweite des LCS2005 erstreckt sich dank des SP1 auch in die für Consumer gedachten Instant-Messaging-(IM-)Netze von AOL, MSN und Yahoo. Diese "Public IM Connectivity" (PIC) ist Teil des SP1, erfordert aber den Erwerb separater Lizenzen. Anstatt Multiprotokoll-Clients wie "Trillian" oder "Gaim" zu verwenden, können Anwender dank PIC über den Communicator mit den Nutzern der genannten Dienste in Verbindung treten. Microsoft nennt als zusätzlichen Vorteil, dass Firmen auf diese Weise den Archivierungspflichten für Instant Messaging nachkommen können.

Protokollierte Kommunikation

Der LCS 2005 zeichnet nämlich auch die externe Kommunikation auf. Außerdem können Administratoren für einzelne Benutzer oder Gruppen festlegen, unter welchen Bedingungen sie diese Consumer-Dienste ansprechen dürfen. Der von Microsoft beworbene Vorzug der verschlüsselten Kommunikation endet allerdings am Gateway, weil die IM-Dienste für Consumer diese nicht unterstützen.

Fragmentiertes Portfolio

Die allgegenwärtige Anzeige des Online-Status von möglichen Ansprechpartnern und die Bündelung mehrerer Kommunikationskanäle unter einer Oberfläche erlauben eine flexible Kooperation zwischen Mitarbeitern eines Unternehmens. Der Office Communicator dient dabei nicht nur als Frontend für den LCS, sondern kann wie Office-Anwendungen auch Online-Konferenzen mit Live Meeting initiieren. Diese drei Komponenten decken allerdings nicht den gesamten Funktionsumfang ab, den man von einem vollständigen Collaboration-Portfolio erwartet. Neben RTC zählen dazu typischerweise auch Mail, Kalender sowie die Verwaltung und Präsentation von Informationen im Unternehmen. Bei Microsoft verteilen sich diese Aufgaben über mehrere Produkte. Exchange, einst nach dem Vorbild von Lotus Notes/Domino als integrierte Groupware-Lösung geplant, beschränkt sich zunehmend auf E-Mail und Kalender. Das Management von Office-Dokumenten obliegt den "Windows Sharepoint Services" beziehungsweise ihrem großen Bruder "Sharepoint Portal Server". Sie bieten ein datenbankbasierendes Ablagesystem inklusive Recherchemöglichkeiten sowie die personalisierbare Präsentation der Inhalte in einer Portalumgebung. Auch Sharepoint unterstützt mit seinen Team-Workspaces die Zusammenarbeit in Projekten.

Mit der Verteilung von RTC, Messaging, Content- und Dokumenten-Management auf mehrere Produkte verfolgt Microsoft einen grundsätzlich anderen Kurs als der Hauptrivale IBM. Dieser möchte mit den "Workplace Collaboration Services" ein integriertes Paket auf Basis von Websphere und DB2 anbieten. Die Aufteilung von Mail und Kalender sowie IP-Telefonie und Instant Messaging auf Exchange und LCS bei Microsoft bietet indes keine offensichtlichen Vorteile. Beide Systeme erfüllen Aufgaben, die sich in vielerlei Hinsicht gleichen. Das fällt etwa bei den neuen Sicherheitsfunktionen des LCS 2005 SP1 auf, der nun bessere Abwehr gegen Spim (Spam bei IM-Systemen) bietet. Sie hat mit ähnlichen Problemen zu kämpfen wie Exchange bei unerwünschten Mails. Das Gleiche gilt für die Erkennung von Viren, da auch beim IM infizierte Dateien übertragen werden können. Microsofts Vice President Gurdeep Singh Pall erklärte im Gespräch mit der computerwoche, dass die auf das nächste Exchange-Release ("E12") verschobenen Edge-Services möglicherweise für beide Systeme genutzt werden können. Dies sei aber noch nicht entschieden, man evaluiere derzeit eine übergreifende Antivirenlösung für Exchange und LCS.

Fusion von Exchange und LCS?

Die Trennung verwandter Aufgaben in zwei Systeme macht sich zudem nachteilig bemerkbar, weil diese auf verschiedenen technischen Fundamenten beruhen. Exchange wird auch in der nächsten Version die Jet-Datenbank nutzen, während der LCS den SQL Server (beziehungsweise die Microsoft Database Engine bei der Standard Edition) benötigt. Anwender müssen ihre Administratoren für den Betrieb, das Backup und die mögliche Wiederherstellung der Daten bei zwei unterschiedlichen Speichersystemen schulen. Außerdem wirkt es willkürlich, wenn Informationen, die als Mails eintreffen, an einem anderen Ort hinterlegt werden als jene, die mittels IM zum Benutzer gelangen. Diese Arbeitsteilung zwischen den beiden Produkten entspringt der Absage an Exchange als integrierte Groupware. Die Version 2000 war noch als integriertes System nach dem Vorbild von Lotus Notes/Domino geplant. In dieser Ausführung oblagen die Funktionen des LCS noch dem "Exchange Conferencing Server".

In der Branche wird schon darüber spekuliert, wann Microsoft Exchange und LCS wieder zusammenführt. Voraussetzung dafür wäre allerdings, dass das Messaging-System auf den SQL Server portiert wird, wie es mit dem stornierten "Kodiak"-Release vorgesehen war.

Integrationspläne

Definitiv fusionieren möchte Microsoft indes den LCS und Live Meeting. Im nächsten Jahr soll ein integriertes System auf den Markt kommen, das die Funktionen von Live Meeting für den unternehmensinternen Einsatz zugänglich machen soll. Anwender haben dann also die Wahl zwischen dem Online-Service oder der Einrichtung einer eigenen Conferencing-Lösung.

Weitere Integrationsvorhaben kommen nach der Übernahme von Groove auf Microsoft zu. Dessen "Virtual Office" ergänzt den Sharepoint-Server um einen Offline-fähigen Client, überschneidet sich aber in einigen Punkten mit Microsofts RTC-Portfolio.