Bill Gates hegt ehrgeizige Pläne mit dem LAN-Manager 2.0

Microsoft sagt Novells Netware den Kampf um die Marktspitze an

14.09.1990

MÜNCHEN (CW) - Die Microsoft Corp. steigt groß ins Netzwerk-Geschäft ein. 50 Prozent Marktanteil wollen sich die Redmonter mit dem Netz-Betriebssystem "LAN-Manager Version 2.O" in drei Jahren sichern. Doch damit ist der Ehrgeiz von Bill Gates noch nicht befriedigt: Er will den LAN-Manager zum Weltstandard machen.

Kein Geringerer als Microsoft-Gründer Bill Gates persönlich gab sich die Ehre, um auf einer Pressekonferenz in München die Ernsthaftigkeit der Netzwerk-Pläne von Microsoft zu unterstreichen. Rund 100 Millionen Dollar hat das Unternehmen eigenen Angaben zufolge in den Aufbau einer Netzwerk-Abteilung investiert, um die Vermarktung des LAN-Managers über Distributoren und OEMs selbst koordinieren zu können.

Nach dem Erfolg von Windows 3.0 und einem Rekordumsatz von über einer Milliarde Dollar im letzten Geschäftsjahr hat den Microsoft-Boß der Ehrgeiz gepackt. "Windows 3.0 war ein erster Erfolg in einer längerfristigen Standardisierungsstrategie von Microsoft, mit dem LAN-Manager soll ein Follow-me an Standardsoftware folgen", umriß Gates seine hochgesteckten Ziele mit dem Netzwerk-Betriebssystem.

Gute Chancen räumt der Microsoft-Boß seiner Company im Netz-Business ein, weil in Zukunft jeder zweite professionell genutzte PC vernetzt und die Vernetzung seiner Meinung nach der am meisten wachsende Bereich im PC-Teilmarkt sein wird. "Die 80er Jahre waren das Zeitalter der Stand-alone-Lösungen und der begrenzten Rechnernutzung. In den 90er Jahren wird der PC das Fenster zur Welt der Informationen werden", sagte Gates. Dies sei für Microsoft Grund genug im Netz-Sektor Engagement zu zeigen.

Dabei legen die Microsoft-Verantwortlichen auf die Feststellung Wert, daß der LAN-Manager nicht das einzige Netzwerk-Produkt des Unternehmens ist. "Wir kommen mit einer kompletten Plattform-Strategie auf den Markt", erklärte Christian Wedell, Geschäftsführer der Microsoft GmbH, das Netz-Konzept seines Arbeitgebers. Zu dieser "Plattform" gehören neben dem LAN-Manager zunächst zwei weitere Produkte: der SQL-Server und der Comm-Server.

Bis 1993 50 Prozent Marktanteil

Auf den SQL-Server 1.1, der laut Microsoft speziell für die Client-Server-Architektur entwickelt wurde, kann von unterschiedlichen Front-ends aus zugegriffen werden, egal ob sie unter OS/2, MS-DOS oder Windows laufen. Der Comm-Server wurde von Microsoft in Zusammenarbeit mit d er Digital Communications Associates Inc. und der Data Connection Limited entwickelt. Das Softwareprodukt ermöglicht Anwendern, von PCs in einem lokalen Netzwerk auf Informationen, die in einem Mainframe-Rechner gespeichert sind, zuzugreifen. Der Comm-Server basiert ebenfalls auf der Client-Server-Architektur und arbeitet mit dem LAN-Manager.

in der Branche war die Absicht Microsofts, den LAN-Manager nicht mehr nur über OEMS, sondern auch über Exklusiv-Distributoren zu vertreiben, längst kein Geheimnis mehr.

Daher hatte die Bekanntgabe der exklusiven Vertriebspartner Adcomp (Bundesrepublik), Daustrab (Osterreich) und Ascom (Schweiz) nur noch offiziellen Charakter. Überraschender war dagegen die Erklärung Bill Gates, als Neuling im Netz-Business mit dem LAN-Manager bis 1993 rund 50 Prozent Marktanteil erzielen zu wollen.

Derzeit rangiert in der Bundesrepublik Novells Netware unangefochten mit mehr als 70 Prozent Marktanteil an der Spitze, wohingegen der LAN-Manager noch kaum verbreitet ist. Die Microsoft-Strategen rechnen sich aber trotz dieser Situation gute Chancen für ihr Produkt aus. Sie bauen vor allem auf die Server-Client-Architektur, die Multitasking-Fähigkeit, das Sicherheitssystem, den Preis sowie eine gute Beratung und Support bei den Exklusiv-Distributoren und deren autorisierten Händlern.

"Die Support-Situation in der Bundesrepublik war bisher nicht besonders positiv", erklärte Christian Wedell den Grund, weswegen sich Microsoft für das Prinzip der Exklusiv-Distributoren entschieden hat. Wedell weiter: "Wir werden deshalb unsere Connectivity-Produkte als Handelsware über die Vertriebsschiene qualifizierter Fachhandel abgeben, damit Support und Beratung eine höhere Bedeutung erlangen."

In der Bundesrepublik wird neben Adcomp der Rechner-Hersteller Compaq die autorisierten Händler auswählen und schulen. Bis Ende 1991 sollen sukzessive rund 250 solcher vertriebsberechtigter Firmen ernannt werden, die mindestens je zwei Techniker auf einen fünftägigen Grundkurs über den LAN-Manager schicken müssen. Helmut Holighaus, Geschäftsführer der Adcomp GmbH, die auch als Distributor für Novell auftritt, hält es durchaus für möglich, daß Microsoft innerhalb der nächsten drei Jahre das gesteckte Ziel realisieren kann. Seiner Meinung nach wird sich der LAN-Manager über die Anwendung bei Großkunden einen Kundenkreis bis zum Mittelstand schaffen und dort auf die Konkurrenz von Novell-Netware stoßen.

Der Geschäftsführer machte auch keinen Hehl daraus, daß die Vertriebspolitik von Novell für Händler nicht mehr attraktiv ist. Holighaus: "Das Produkt Netware ist kein Gewinnbringer mehr. Die Fachhändler benutzen es heute nur noch als Türöffner für weitere Geschäfte." Schuld daran sei, daß Novell zu viele Distributoren mit dem Vertrieb von Netware beauftragt habe. Dadurch sei der Preis für das Produkt gefallen und die Zahl der Grauimporte gestiegen.

Für Adcomp eine lukrative Aufgabe

Die Wahl von Microsoft, so Holighaus, sei deshalb auf Adcomp als Exklusiv-Distributor gefallen, weil sein Unternehmen im Netz-Geschäft schon Erfahrung hat. Die Aufgabe Ad-comps werde nun sein, das Microsoft-Produkt so schnell und effektiv wie möglich am Markt einzuführen. Für Adcomp ist das wegen der Exklusiv-Rechte zwar eine lukrative Aufgabe, allerdings ist sich Holighaus auch sicher, daß Microsoft spätestens in zwei Jahren die Vertriebserlaubnis - wie Novell auch auf mehrere Distributoren verteilen wird. Bis dahin will sich die Unterhachinger Truppe mit einer eigenen Vertriebsmannschaft und einem geschulten Support-Team den nötigen Marktvorsprung schaffen. Natürlich zweifelt der Geschäftsführer nicht am Erfolg des LAN-Managers. Seiner Meinung nach werden vor allem das heterogene Konzept, das Client-Server-Prinzip, der Preis und die deutsche Benutzeroberfläche schlagende Verkaufsargumente sein.

Beim Microsoft LAN-Manager gibt es nur eine Grundversion, die für fünf Rechner ausgelegt ist. Die deutsche Ausgabe wird laut Christian Wedell ab November lieferbar sein und 2950 Mark ohne Mehrwertsteuer kosten. Der Preis für die Erweiterungslizenz liegt ebenfalls bei 2950 Mark, die Kosten für die unlimitierte Erweiterungslizenz bei 16 200 Mark.

Von Null auf Fünfzig in ...?

Die Ankündigung Microsofts, ins Netz-Geschäft einzusteigen, überrascht niemanden. Das Unternehmen ist nicht das erste, das die Attraktivität dieses Marktes entdeckt hat. Überraschender ist dagegen das hochgesteckte Ziel der Redmonter, mit ihrem LAN-Manager 2.0 in drei Jahren rund 50 Prozent Marktanteil zu erreichen.

Natürlich ist einer Persönlichkeit wie Bill Gates, der mit MS-DOS und Windows 3.0 ein goldenes Händchen bewiesen hat, alles zuzutrauen - wäre da nicht OS/2. Der bisherige Mißerfolg des Betriebssystems muß nämlich auch für die Zukunft des LAN-Managers zu denken geben, läuft dieses Produkt doch unter OS/2. Es müßte schon mit dem Teufel zugehen, wenn es Microsoft, dem Distributor Adcomp und den OEMs gelänge, in den nächsten drei Jahren - selbst bei der Zielgruppe Großanwender - ein derartig großes Kundenpotential zu aktivieren, um auf die besagten 50 Prozent zu kommen. Immerhin gilt es gegen die Konkurrenz von Novells Netware anzutreten, dessen Marktanteil von gut 70 Prozent kein Pappenstiel ist.

Zweifellos ist der Ansatz Microsofts, den LAN-Manager als "Handelsware' über Exklusiv-Distributoren vertreiben zu lassen, richtig, hat sich doch das reine OEM-Geschäft nicht als das Gelbe vom Ei erwiesen. Es steht auch au er Frage, daß der LAN-Manager gegenüber Netware Boden -gut machen wird, schon deshalb, weil für das Novell-Produkt bereits eine gewisse Marktsättigung eingetreten ist. Dennoch wird Microsoft den LAN-Markt nicht im Handstreich erobern, denn der Weg von nahezu null auf fünfzig Prozent ist weit und der Netware-Vertrieb wird sich die Butter auch nicht so ohne weiteres vom Brot nehmen lassen. pg