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Microsoft rudert bei Longhorn-Virtualisierung zurück

11.05.2007
Damit die Public Beta des Hypervisors "Viridian" überhaupt noch termingerecht zum nächsten Server-Windows ausgeliefert werden kann, muss Microsoft verschiedene ursprünglich geplante Features seiner Virtualisierungslösung streichen.

Erst vor einem Monat hatte Microsoft die Beta 3 - die als erste öffentlich zugänglich sein wird - vom ersten auf das zweite Halbjahr 2007 verschoben und dies mit "Leistungs- und Skalierbarkeitsproblemen" begründet. Nun werden auch noch drei wichtige Features gestrichen. "Shipping ist auch ein Feature", sagt Mike Neil, General Manager für Microsofts Virtualisierungs-Strategie.

"Wir mussten ein paar echt schwierige Entscheidungen treffen. Wir haben das Feature-Set angepasst, damit wir eine überzeugende Lösung für Kern-Virtualisierungsszenarien abliefern, aber trotzdem den gewünschten Zeitplan einhalten können", so Neil weiter. Die Beta 3 der Longhorn-Virtualisierung soll nun zum Download bereitstehen, wenn Longhorn Server in Produktion geht. Der endgültige Viridian-Code soll dann binnen 180 Tagen nach der Auslieferung von Longhorn Server zu haben sein.

Gestrichen hat Microsoft nun die Live-Migration (das Umziehen virtueller Maschinen zwischen physikalischen Servern im laufenden Betrieb) und die Möglichkeit, eine virtuelle Maschine "on the fly" um Storage, Prozessoren, Arbeitsspeicher oder Netzwerkadapter zu erweitern. Außerdem ist Viridian nun beschränkt auf 16 Prozessorkerne, also beispielsweise einen Server mit vier Quad-Core-CPUs oder eine Maschine mit acht Dual-Core-Prozessoren. "Diese Features verschieben wir auf eine spätere Version der Virtualisierung von Windows Server", konzediert Neil. Einen Zeitrahmen dafür nannte er nicht.

Das Ganze erinnert doch irgendwie sehr an Windows Vista, aus dem auch nach und nach immer mehr geplante Kernfeatures gestrichen wurden, damit es noch wie geplant Ende 2006 an Geschäftskunden geliefert werden konnte. "Das ist irgendwie typisch für Microsoft, dieser Rückzug auf Raten", meint Michael Cherry, Analyst bei Directions on Microsoft. "Das ist der Tod durch tausend Schnitte." Die Frage sei nur, ob dies nun die erste von vielen Feature-Streichungen sei oder die einzige bleiben werde.

VMware, das am Mittwoch eine neue Version seiner Desktop-Virtualisierungssoftware vorgestellt hatte, liegt im Virtualisierungsmarkt ohnehin schon weit vor Microsoft. Mit dieser Verzögerung vergrößert sich die Schere zwischen den Wettbewerbern weiter. "VMware kann seinen Vorsprung ohne diese Features in der Virtualisierung von Windows Server noch deutlich länger sichern", sagt Cherry. "Microsoft muss hier definitiv eine Menge nachholen." Wobei der Experte noch nicht einmal die ebenfalls aufstrebenden Virtualisierungstechniken aus dem Open-Source-Lager berücksichtigt.

Die Streichungen seien zusammen mit der schon zuvor angekündigten Verschiebung der öffentlichen Beta zunächst "Enttäuschungen" für die Anwender, befindet Cherry, könnten aber für Microsoft noch deutlich gravierendere Folgen haben. "So mancher könnte deswegen den Einsatz von Longhorn verschieben", glaubt der Analyst.

Trotzdem sei Microsofts Entscheidung klug, auch wenn sie wehtue. "Es ist schwer, sich aufzuregen, weil sie doch in vielerlei Hinsicht das Richtige tun", so Cherry. "Besser lassen sie ein paar Dinge weg, als dass sie ein mieses Produkt liefern." (tc)