Gemeinschaftsprojekt mit HP gekippt

Microsoft: Presentation Manager, wird doch nicht auf Unix portiert

21.12.1990

MÜNCHEN (CW) - Das unerwartet gute Windows-Geschäft wirft Microsofts Pläne für den Presentation Manager (PM) über den Haufen.

Der Spezialist für Personal-Computer-Betriebssysteme hat sich jetzt entschieden, die gemeinsam mit Hewlett-Packard begonnene Portierung der OS/2-Benutzeroberfläche auf, Unix aufzugeben.

Die Ergebnisse aus dem abgebrochenen Projekt sollen dem Marktrenner Windows 3.0 zugute kommen.

Dazu zitiert der US-Branchendienst "lnfoworld" Bob Kruger, Unix-Manager bei Microsoft: "Wir nutzen die Erfahrungen jetzt für die Portierung von Windows auf ein portables OS/2-Betriebssystem, das sich bereits in Vorbereitung befindet". Marktkenner deuten diesen Schwenk als ein Zeichen dafür, daß Microsoft sich möglicherweise von dem gemeinsam mit der IBM erstellten Presentation Manager abwenden will.

Die Entwicklung des "PM/X" genannten Presentation Managers für Unix war von HP und Microsoft bereits 1988 in Angriff genommen worden. Beide hatten sich damit an der Ausschreibung der Open Software Foundation (OSF) für eine Unix-Standardoberfläche beteiligt. Nachdem nur das "Look and Feel" von PM/X Bestandteil der Motif-Oberfläche wurde, ist die Portierung jetzt - entgegen anderslautender Versprechungen - eingestellt worden.

Christian Wedell, Geschäftsführer von Microsoft Deutschland, weiß eigenen Aussagen zufolge noch nichts vom Abbruch des Projekts, bestätigt aber, daß die Portierung von Windows auf OS/2 geplant ist. "Das bedeutet aber keinesfalls, daß wir das Interesse am Presentation Manager oder gar an OS/2 verloren haben", betont Wedell.

Der Microsoft-Manager räumt ein, daß die beiden Produkte zur Zeit durch den Windows-Erfolg in den Schatten gestellt werden, prognostiziert aber einen Erfolg des OS/2-PM-Gespanns binnen der nächsten zwei bis drei Jahre, da sich das Multitasking-Betriebssystem besonders für High-end-PCs eigne, während Windows und das eine Stufe tiefer anzusiedeln seien. Dabei erwähnt er nicht, daß auch Windows 3.0 sein gesamtes Leistungspektrum erst auf Rechnern mit 386er-Chips entfaltet.