Microsoft orientiert sich an Open Source

21.03.2006
Um die Zeit zwischen den Updates zu verkürzen, verabschiedet sich Microsoft von Beta-Versionen und eifert dem Vorbild freier Software nach.

Microsoft-Kunden müssen immer länger auf neue Versionen der wichtigen Produkte warten. Bis zum Erscheinen des nächsten Windows-Servers vergehen insgesamt mindestens vier Jahre, zwischen Windows XP und Vista liegen fünf Jahre und genauso lange dauerte das Update von SQL Server 2000 auf 2005. Der Hersteller will nun sein traditionelles Entwicklungsschema verbessern, um die langen Zeiträume zwischen den Versionen zu verkürzen.

Laut Branchendienst "Microsoft Watch" hat das Unternehmen zu diesem Zweck eine eigene Einheit gegründet, die den Prozess der Softwareproduktion verändern soll. Als Vorbild für die neuen Standards dient dabei vor allem Open Source. Microsoft möchte sich besonders den Grundsatz "release early, release often" zu Eigen machen, den Open-Source-Vordenker Eric Raymond in seinem programmatischen Aufsatz "The Cathedral and the Bazar" formulierte. Anstelle von zwei oder drei lange auseinander liegenden Betaversionen soll zukünftig eine Reihe von Community Technology Previews (CTPs) erscheinen. Auf diese Weise können die Entwickler frühzeitig das Feedback der Anwender einholen und berücksichtigen.

Uneinheitliche Praxis

Microsoft praktiziert diese häufigen Updates bereits in Windows Vista, und ließ die ursprünglich geplante Beta 2 des Betriebssystems ausfallen. Derzeit nutzen die diversen Abteilungen das neue Verfahren auf unterschiedliche Weise. Paul Flessner, Microsoft Senior Vice President of Server Applications, gehört zu den Vorreitern und will die nächste Ausführung des SQL Server (Codename "Katmai") gänzlich betafrei entwickeln. Das zuständige Team für den Internet Explorer gab hingegen anlässlich von Microsofts neuer Web-Konferenz "Mix06" ganz traditionell eine zweite Betaausführung frei. Unklar ist bis dato noch, wie sich eine CTP genau definieren lässt. Flessner beschreibt ihr Wesen damit, dass "ein Feature ins Produkt kommt, sobald es fertig ist". Auf diese Weise soll ein kleines Update im günstigsten Fall innerhalb von drei Monaten auf den Markt kommen und größere Releases jeweils nach zwei bis drei Jahren.

Programmierung in virtuellen Teams

Der neue Entwicklungsprozess leiht sich nicht nur die kurzen Updatezyklen bei Open Source. Zusätzlich sollen die relativ geschlossenen Entwicklereinheiten, die derzeit jeweils für bestimmte Produkte zuständig sind, geöffnet werden. Ziel sind virtuelle Teams, die sich über die Grenzen der betreffenden Organisationen hinweg für einzelne Projekte zusammenfinden. Die weltweit verteilten Programmierer in Open-Source-Projekten gelten als Pioniere dieser Art der Zusammenarbeit.

Insgesamt reagiert Microsoft mit einem neuen Produktionsprozess auf seine zwei Hauptkonkurrenten: freie Software, deren Methoden sich die Firma bedient, und gehostete Lösungen, die ihren Kunden neue Funktionen buchstäblich über Nacht zugänglich machen können. (ws)