Microsoft nimmt Java-Klon für Windows CE in Lizenz

Microsoft nimmt Java-Klon für Windows CE in Lizenz Hewlett-Packard spaltet das Java-Lager

27.03.1998

Jon Kannegaard, Vice-President für Softwareprodukte von Suns Firmentochter Javasoft, geht davon aus, daß es sich bei der Implementierung von HP um einen Klon handelt: "HP hat angeblich auf der grünen Wiese begonnen und in einer Art Reinraum auf Basis von Java-Techniken eine eigene JVM gebaut.Dagegen ist generell nichts einzuwenden", erklärt er.

Dennoch fordert er Aufklärung von seiten HPs.Denn sollte sich herausstellen, daß etwa Teile der Sun-Produkte "Personal Java", "Embedded Java" oder "Javacard" kopiert wurden, habe man ein Problem."Wir wollen noch keine gerichtlichen Schritte einleiten, drängen aber auf ein klärendes Gespräch mit den Verantwortlichen von HP."Noch offen ist, ob die HP-JVM mit den für Suns Personal- beziehungsweise Embedded-Java geschriebenen Applikationen 100 Prozent kompatibel sein wird.

Microsoft hatte erst in der letzten Woche die Java-Entwicklungsumgebung "Visual J++ 6.0" mit dem Hinweis vorgestellt, daß die damit geschriebenen Anwendungen nur unter Windows laufen werden, eine Variante für Mac-Rechner solle folgen.Dem Ziel von Java-Erfinder Sun, ein "Write once, run anywhere" mit der Programmiersprache zu erreichen, wurde damit eine klare Absage erteilt.

HPs Schützenhilfe akzeptiert die Gates-Company dankbar und nimmt als erstes Unternehmen die rund 500 KB große "JVM 1.0" für das eigene Client-Betriebssystem Windows CE in Lizenz."Microsoft wollte verständlicherweise nie in das Lager von Sun einziehen", sagt Jeff Kinz, Analyst bei IDC, Framingham, Massachusetts.Der einzige Grund, warum die Redmonder zunächst ein Lizenzabkommen mit Sun unterzeichneten, war, die "Kontrolle über Java zu bekommen und es zu verunreinigen".Für Kinz könnte die HP-Ankündigung den Zusammenbruch der Java-Standardisierungsbemühungen bedeuten.

Die Gründe für HPs Vorstoß nennt Joe Beyers, General Manager von HPs Internet-Software-Bereich.Am Markt existiere bisher keine JVM für Embedded Systems, und man wolle sich hier ein Stück vom Kuchen abschneiden.Erste Geräte mit der Java-Software sollen noch in diesem Jahr ausgeliefert werden.Beyers hofft, neben Microsoft noch eine Reihe anderer Lizenznehmer zu finden.

Hauptargument scheint jedoch, daß HP versucht den Einfluß zu reduzieren, den Sun auf Java-Entwicklungen und bei der Vergabe von Lizenzen ausübt: "Wir verhandeln mit Sun seit rund einem Jahr über Java-Lizenzen für Embedded Systems.Bisher konnten wir kein zufriedenstellendes Resultat erzielen."Die Kosten für die Lizenzen seien zu hoch, und HP, bei Druckern weltweit Marktführer, hofft, mit der Entwicklung einer eigenen JVM günstiger zu fahren. Außerdem verlangt Sun, daß alle Weiterentwicklungen an Java in die "Java Open Specifications" einfließen und sämtliche Java-Klassen unterstützen.

Michael Stal, Präsident des International Java Clubs (IJC), München, zeigt sich trotz der HP-Offensive bisher gelassen: "Jeder hat das Recht, eine eigene virtuelle Maschine zu bauen."Symantec hat mit dem Entwicklungs-Tool "Visual Cafe" eine solche im Angebot, und auch der Modem- spezialist Rockwell liefert mit dem "JEM 1"-Chip eine hauseigene Lösung."Solange die Sprache nicht verändert und eine 100prozentige Kompatibilität gewährleistet wird, ist dagegen nichts einzuwenden", konstatiert Stal.Eine Gefahr für den universellen Einsatz von Java sieht er durch Microsofts J++ 6.0-Vorstoß.