Microsoft: Nicht nur in Redmond lässt sich forschen

24.10.2000
Von Kaspar Meuli
Der Auftrag von Bill Gates an den Direktor von Microsoft Research in Cambridge war klar: die besten Leute einstellen und sie das tun lassen, was sie am besten können.

Forschungsdirektor Roger Needham ist selber eine der Koryphäen seines Fachs. Seine Arbeiten über Datensicherheit gelten als wegweisend. Der langjährige Leiter des Computer Labs der Cambridge University ließ Kontakte und Reputation spielen und stellte in den vergangenen zwei Jahren ein Dreamteam von 60 Spezialisten aus ganz Europa zusammen. Ihre Forschungsschwerpunkte reichen von Programmiertechniken über Sprach- und Schrifterkennung zu Netzwerken und Sicherheitsfragen.

 „Unser Job ist es, neue Technologien zu entwickeln“, sagt Needham, „Dinge zu entde-cken, von denen die Leute in der Produkteabteilung nicht einmal wussten, dass es sie zu entdecken gibt.“ Mit anderen Worten: Die Computerwissenschaftler betreiben Grundlagenforschung fern von kommerziellen Überlegungen. Was nicht heißt, dass ihre Ideen nicht umgehend in die Verbesserung von Produkten um-gemünzt würden. Im kürzlich ausgelieferten Betriebssystem Windows 2000 stecken unzählige Innovationen aus Cambridge.

Lange Zeit erschien es den Microsoft-Verantwortlichen in Seattle absolut überflüs-sig, Forschungszentren in der Fremde aufzubauen. Sie konnten sich schlicht nicht vorstellen, dass jemand nicht auf dem firmeneigenen Campus in Redmond, Washington, arbeiten wollte. Mittlerweile ködert der Softwaregigant Talente auch mit Labors in Cambridge, San Fransisco und Peking, wo insgesamt mehr als 400 Spitzenkräfte arbeiten. Microsoft Research Cambridge etwa schmückt sich mit acht Professoren und mehreren Trägern angesehener Forschungspreise.

Die Microsoft-Forscher sind, wie andere Schlüsselpersonen auch, über Aktienoptionen am Erfolg der Firma beteiligt. Wie vermögend sie dies gemacht hat, bleibt ihr Geheimnis. Ralph Sommerer jedenfalls, der einzige Schweizer im Cambridge-Team, läßt sich nicht entlocken, ob er bereits zum Millionär gewor-den ist. „Das hängt vom Kurs ab und davon, ob man auch die künftig fälligen Optionen berücksichtigt.“ Die Zentrale in Seattle scheint mit der Arbeit der europäischen Forscher zufrieden zu sein. Vor kurzem gab Microsoft jedenfalls bekannt, Ausbaupläne würden um zwei Jahre vorgezogen. Bereits Ende nächsten Jahres sollen neue Räumlichkeiten in West-Cambridge bezugsbereit sein, wo Universität und Private vor den Toren der Stadt rund 1,2 Milliarden Mark in einen neuen Gebäudekomplex investieren.

Microsoft ist übrigens nicht der einzige Technologie-Multi, der Cambridge zum For-schungsstandort wählte. Von AT&T bis Xerox suchte in den vergangenen Jahren ein halbes Dutzend Unternehmen die Nähe zur legendären Alma mater. Neuester Ankömmling ist der Internet- und Telekomausrüster Marconi. Er kündigte Ende März an, 120 Millionen Mark in den Aufbau eines Forschungszentrums zu investieren. Dieses soll es an Bedeutung mit dem legendären Multimedia Lab des Massachusetts Institute of Technology aufnehmen.