Microsoft kontrovers (Teil 2 und Schluss)

14.07.1995

Martin Goetz, President von Goetz Associates in Teaneck, New Jersey

Im Gastkommentar der CW Nr. 27 vom 7. Juli 1995 hielt Howard Anderson, Gruender von The Yankee Group und von Battery Venture Capital in Boston, staatliche Einschraenkungen von Microsofts Marktmacht fuer unnoetig. Der heutige Beitrag von Martin Goetz erschien in einer laengeren Fassung ebenfalls zuerst in der CW- Schwesterpublikation "Computerworld".

Microsoft besitzt ein Monopol im Markt der PC-Betriebssysteme und 75 Prozent des Segments fuer Office-Suites. Vor diesem Hintergrund muss man feststellen, dass die ueblichen Marktkraefte nicht mehr taugen, Microsoft noch kontrollieren zu koennen.

Die Computerindustrie ist mittlerweile abhaengig von Microsofts Gnaden. Die Taktik des Unternehmens, immer mehr Funktionen und Produkte aus verschiedenen Softwaresegmenten mit seinem Betriebssystem zu verschmelzen, setzt andere Unternehmen unter Druck und stranguliert den Wettbewerb.

Datenbank-Management-Systeme, Textverarbeitung, Tabellenkalkulationen, E-Mail, Praesentations- und Grafik- genauso wie Kommunikationssoftware, Compiler, Entwicklungs-Tools etc. - das sind alles Produkte, die sich fuer die Integration in ein Betriebssystem eignen.

Wenn Microsoft nicht gehindert wird, diese Art des Buendelns von Applikationen mit dem Betriebssystem zu praktizieren, werden andere Anbieter aus diesen Marktsegmenten aussteigen - und die Anwender werden voellig abhaengig werden. Miteinander konkurrierende Kraefte wird es dann nicht mehr geben. Dabei sind diese zwingend noetig, um Innovationen und technologischen Fortschritt sicherzustellen.

Bisher haelt Microsoft nichts davon ab, die Schnittstellen- Definitionen und Designinformationen fuer sein Betriebssystem erst einmal den eigenen Applikationsentwicklern zukommen zu lassen, bevor andere Softwarepartner sie erhalten. Setzt man Microsoft nicht unter Druck, wird das Unternehmen an solchen Praktiken festhalten. Keine Behoerde und kein Consent Decree verhindern so etwas bislang. Dabei gibt es Beispiele aus der Vergangenheit - IBM, Eastman Kodak und andere dominante Hersteller -, wo Unternehmen gezwungen wurden, solcherlei Informationen an ihre Wettbewerber weiterzugeben. Warum ist das jetzt anders?

Die Gates-Company liebt es auch, Produkte anzukuendigen, um den Markt einzufrieren und andere Firmen daran zu hindern, das eigene Angebot mit Erfolg zu vermarkten. So ist es etwa mit Borlands "Turbo Basic" und "Turbo C" passiert, das zumindest wird Microsoft vorgeworfen. Ich kann darin keinen fairen Wettbewerb mehr sehen.

Zugegeben - Microsoft steht da, wo es heute steht, weil es gute Produkte und gute Mitarbeiter hat. Aber die Dominanz ist zu gross. Sie geraet mittlerweile dem Markt und der gesamten Computerindustrie zum Nachteil.

Hier kann nur noch das Justizministerium Einhalt gebieten. Den Intuit-Aufkauf zu verhindern, war ein guter Anfang. Weitere Schritte sollten aber folgen: Die Justizbehoerden muessten Microsoft aus kartellrechtlichen Gruenden vor Gericht stellen. Das waere fuer andere Firmen ein positives Zeichen, weil Gates dann vielleicht etwas vorsichtiger handeln wuerde.

Die Kartelljuristen sollten ganz offen verlangen, dass Microsoft als Unternehmen aufgebrochen wird. Ein Monopol zu zerschlagen, hat schon 1910 bei Standard Oil oder etwa in den 80er Jahren bei AT&T gut funktioniert. Das hat beiden Firmen uebrigens nicht geschadet, beide haben auch weiterhin erfolgreich am Markt operiert. Aber der Wettbewerb wurde ehrlicher und fairer.

Zudem sollten die Behoerden darauf achten, dass Microsoft seine Monopolstellung in einem Marktsegment nicht dazu nutzt, sich einen Wettbewerbsvorteil in einem anderen aufzubauen. Die gesetzlichen Mittel dazu sind vorhanden. Ebenso muesste gewaehrleistet sein, dass Microsoft - auch physikalisch - getrennte Entwicklungs- und Produktionsbereiche, getrennte Mitarbeiterstaebe sowie unterschiedliche Firmennamen und Entwicklerteams mit je eigener Gewinn- und Verlustrechnung bekommt.

Der Justizminister sollte Microsoft zwingen, einem Wettbewerber wie etwa IBM alle Informationen zu ueberstellen, die noetig sind, um etwa OS/2 Warp mit Windows 95 kompatibel zu machen.

Schliesslich muesste Microsoft eine chinesische Mauer zwischen seinen Betriebssystem- und Applikationsentwicklern aufbauen. Ausserdem sollte Gates gedraengt werden, die Network Service Division fuer die Dauer eines noch zu initiierenden Prozesses als abgetrennte Geschaeftseinheit zu fuehren. Und solange die Gerichtsverhandlungen laufen, muss Microsoft an jedweden Aufkaeufen gehindert werden.

Mein Fazit lautet: Gesunde Marktverhaeltnisse gruenden auf Wachstum, Innovation und fairem Wettbewerb. Und solche Verhaeltnisse gibt es nur, wenn Microsoft unter Kuratel kommt.