Microsoft konkretisiert VoIP-Strategie

09.10.2006
Ziel der Unified-Communications-Bemühungen ist dem Hersteller zufolge die Integration der verschiedenen Kommunikationsprozesse in die Office-Plattform.

Nachdem Microsofts Ankündigung einer strategischen Partnerschaft mit Nortel im Juli für heftige Spekulationen darüber sorgte, ob der Konzern nun etablierten Playern wie Cisco oder Alcatel Lucent den Fehdehandschuh hinwerfe, konkretisierte das Unternehmen jetzt seine Pläne in Sachen Unified Communications (UC). Für Microsoft ist die UC-Industrie ein 43-Milliarden-Dollar-Markt, an dem das Unternehmen partizipieren will, um weiter zu wachsen. Dabei will die Company aber nicht ins Geschäft mit VoIP-TK-Anlagen einsteigen, wie Ed Wadbrook, bei Microsoft für Unified Communications zuständig, im Gespräch mit der computerwoche betonte.

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Ebenso wenig handele es sich bei der Partnerschaft mit Nortel um eine exklusive Allianz. Vielmehr werde das Unternehmen die Zusammenarbeit mit Partnern wie Siemens, Cisco oder Avaya weiter intensivieren, denn dies sei eine Säule der eigenen UC-Strategie. Das andere Standbein bildet lautet Wadbrook die Integration von VoIP und anderen Technologien in die Office-Produkte.

Vor diesem Hintergrund stellt sich allerdings die Frage, warum Microsoft im November 2005 die Schweizer Mediastreams.com kaufte. Das Unternehmen hatte eine eigene Software-basierende IP-TK-Anlage für mittelständische Unternehmen entwickelt. Microsoft Partner lästern bereits darüber, dass Mediastreams wie ein freies Radikal durch den Konzern schwebe. Während die Integration von Mediastreams noch Fragen aufwirft, nimmt die Zusammenarbeit mit Nortel konkrete Formen an.

Schnittstelle zu SIP

So sitzen laut Wadbrook bereits Nortel-Ingenieure und -Produkt-Manager auf dem Campus in Redmond, um Microsoft technische Unterstützung zu gewähren und gemeinsame Synergiepotenziale zu evaluieren. Ein Ergebnis dieser Zusammenarbeit könnte in 18 bis 24 Monaten, so der Microsoft-Direktor, eine neue Variante von Nortels IP-TK-Anlage CS1000 sein. Sie wäre dann im Gegensatz zu den heutigen Modellen eng mit dem Office Communication Server verbunden, der Funktionen wie das Presence Managment oder die Initiierung von Konferenzschaltungen übernehmen könne. Schnittstelle wäre dabei das Interface "CSTA" (Computer Supported Telecommunications Application), das Microsoft in der IP-Welt in Verbindung mit SIP propagiert. "CSTA wird von 90 Prozent der TK-Hersteller unterstützt, so dass auch die Einbindung anderer Produkte kein Problem ist", erklärte Wadbrook, um die Offenheit der eigenen UC-Strategie zu unterstreichen.

Konkret setzt sich Microsofts UC-Plattform vorerst aus den Komponenten "Office Communications Server 2007" (VoIP-Anruf-Management, Konferenzfunktionen, Instant-Messaging), "Exchange Server 2007" (Voice-Mail, Faxfunktion, Zugriff auf Posteingang und Kalender per Telefon), "Office Communicator 2007" (Client für VoIP und Instant Messaging) sowie "Office Live Meeting" (Web-Konferenzdienst) zusammen. Zudem entwickelt die Company mit "Office Roundtable" eine eigene Audio-Video-Hardware für Konferenzen. Dank einer 360-Grad-Kamera soll das System bei Videokonferenzen eine Panoramaansicht ermöglichen. Der Preis für dieses Produkt, bei dem fünf integrierte Kameras in Verbindung mit einem Prisma die 360-Grad-Sicht erlauben, soll zwischen 2000 und 3000 Dollar liegen.

Die Konvergenz in der Praxis

Sieht man Microsofts UC-Plattform in ersten Produktdemonstrationen, so stellt noch kein Aha-Effekt ein. Alle Funktionen kommen TK-Fachleuten bekannt vor. Den E-Mail-Abruf per Telefon propagierte beispielsweise Novell vor Jahren bereits mehr oder weniger erfolgreich mit "Groupwise". Mit der direkten Anwahl einer Telefonnummer aus einer Anwendung heraus versuchten CTI-Propagandisten (CTI = Computer Telephony Integration) den Anwender schon im ISDN-Zeitalter von ihren Lösungen zu überzeugen. Selbst das "Presence Managment" - bei dem der Anwender sehen kann, ob ein Kommunikationspartner gerade per Mail, Telefon etc zu erreichen ist - haben TK-Hersteller wie Nortel, Lucent und Co. seit längerem realisiert. Laut Wadbrook war es aber auch nicht das Ziel mit der UC-Plattform das Rad neu zu erfinden: "Uns geht es um die Einbindung dieser Anwendungen in den Desktop, so dass Unternehmen diese effizienter in ihre Business-Prozesse integrieren können". Zudem reagiere die Company damit auf die Wünsche der Anwender, die nicht zwei oder drei Instant-Messaging-, Fax- oder VoIP-Clients auf dem Desktop haben wollten, sondern eine integrierte Lösung anstrebten.

Ausblick

Allerdings weist Microsofts Plattform noch eine gravierende Schwachstelle auf: Den eigent- lichen Sinn von Unified Communications, nämlich die Endgeräte-unabhängige Kommu- nikation, erfüllt sie vorerst nicht. Noch immer muss der User die verschiedenen Kommunika- tionskanäle wie Telefon, E-Mail und dergleichen selbst aus- suchen und aktiv anwählen. "Dies werden wir aber mit der nächsten Version des Communication Server ändern", kündigt Wadbrook an. Dann sollen nämlich die verschiedenen Kommunikationsdienste und -geräte eines Anwenders im Active Directory hinterlegt werden können, das zudem die Verfügbarkeit anhand der Präsenzinformationen überprüft. Klickt ein Anwender dann auf den Namen eines Kommunikationspartners, soll das System automatisch den jeweils verfügbaren Kommunikationskanal automatisch auswählen. (hi)