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Microsoft kauft sich aus privaten Kartellklagen frei

21.11.2001
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MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) - Microsoft hat eine Übereinkunft unterzeichnet, in deren Rahmen der Konzern den Großteil von über 100 privaten Sammel-Kartellklagen (nur die zu Windows XP bleiben offen) außergerichtlich beilegen will. In diesen war Microsoft vorgeworfen worden, es habe Verbraucher durch überhöhte Softwarepreise geschädigt. Rund eine Milliarde Dollar lässt sich die Gates-Company den Vergleich kosten, der von Beobachtern bereits eher als PR-Sieg denn als Bestrafung gewertet wird.

Der ausgehandelte Deal sieht im Wesentlichen vor, dass Microsoft in den kommenden fünf Jahren mehr als 12.500 der ärmsten Schulen in den USA mit PCs und Software versorgt. Er bedarf allerdings noch der Zustimmung des Bezirksgerichts in Maryland, das die so genannten Class Action Suits koordiniert. Eine entsprechende Anhörung ist für den kommenden Dienstag angesetzt. Konzernchef Steve Ballmer gibt sich aber bereits siegessicher: "Ich freue mich anzukündigen, dass wir in mehr als 100 Sammelklagen eine Einigung erzielt haben, die uns langwierige und kostspielige Verhandlungen erspart", erklärte der CEO (Chief Executive Officer).

Ironischerweise stammt die Idee zu dem warmen Schulsoftware-Regen auch noch von den Klägern. Deren Anwalt Michael Hausfeld hatte den Vorschlag aufgebracht, nachdem sich angesichts der schieren Masse der potenziellen Nutznießer (deren Zahl wird auf wenigstens 65 Millionen geschätzt) und des daraus resultierenden Verwaltungsaufwands für jeden Einzelnen möglicherweise nur ein Scheck von zehn Dollar ergeben hätte. "So konnten wir stattdessen einen bedeutenden sozialen Nutzen schaffen", glaubt Hausfeld.

Microsoft muss sich im Rahmen der Übereinkunft all jener Schulen (von Grundschule bis Highschool) annehmen, in denen mehr als 70 Prozent Schüler Anspruch auf staatliche Programme zur kostenlosen oder verbilligten Schulspeisung haben - das sind rund 14 Prozent aller US-Schulen. Diese sollen runderneuerte PCs "der Pentium-Klasse" und auch Macintosh-Rechner zum symbolischen Preis von je 50 Dollar sowie auf Anfrage auch Softwarepakete für bereits vorhandene Rechner erhalten. Allein die für den Fünfjahreszeitraum geplanten Softwarepakete sollen mehr als eine halbe Milliarde Dollar wert sein. Dazu kommen noch Lehrerfortbildung (90 Millionen Dollar), ein Fonds zur Finanzierung von Support (160 Millionen Dollar) sowie die Finanzierung einer Stiftung, die örtliche und kommunale Einrichtung mit PCs und Software ausstattet (150 Millionen Dollar). Macht summa summarum gut 1,1 Milliarden Dollar - laut der Kanzlei Cohen, Milstein, Hausfeld and Toll konservativ geschätzt.

"Das ist ganz klar ein Publicity-Coup für Microsoft", urteilt Ross Rubin, Research Director bei Jupiter Media Metrix. "Keine Spur von Bestrafung." "Ich finde es frech, wenn es jemand als Public Relations bezeichnet, wenn eine einzige Firma mehr als eine Milliarde Dollar locker macht", wehrt sich Anwalt Hausfeld, der ohnehin die Microsoft tatsächlich entstehenden Kosten eher in Richtung zwei Milliarden Dollar ansetzt.

Ein bisschen PR in eigener Sache macht bereits Linux-Anbieter Red Hat. Dieser hat sich bereit erklärt, alle Schulbezirke der USA mit kostenloser Software zu versorgen. Microsoft solle die für seine Produkte veranschlagte halbe Dollarmilliarde besser in weitere Hardware stecken. Wer den leicht sarkastisch angehauchten alternativen Vergleichsvorschlag von Red Hat nachlesen möchte, findet hier die (englischsprachige) Pressemitteilung dazu.

Kommentar: Absurdes Theater

Die neuerliche Einigung Microsofts erinnert an absurdes Theater: Die - mit ihrem Vorschlag sicher wohlmeinenden - Kläger hatten dem Konzern schließlich in der Sache vorgeworfen, sein Quasi-Monopol missbraucht zu haben, um für neue Software überhöhte Preise zu verlangen. Genau diese Software darf Microsoft nun zur "Strafe" bereits an die Kleinsten verschenken und sie damit so früh wie möglich auf seine Produkte konditionieren. Auf diese Weise wird das beklagte Monopol nur weiter untermauert. (tc)